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Quedlinburg Quedlinburg: Zentrum der Renaissance von Klopstock

Von RITA KUNZE 30.03.2011, 17:22

QUEDLINBURG/MZ. - "Im Frühlingsschatten fand ich sie; da band ich sie mit Rosenbändern: sie fühlt' es nicht und schlummerte. Ich sah sie an; mein Leben hing mit diesem Blick an ihrem Leben; ich fühlt' es wohl und wußt' es nicht." Die Verse aus dem "Rosenband" von Friedrich Gottlieb Klopstock zeigen einen ausgesprochen gefühlvollen Dichter. "Vielleicht sind es diese in warmem Tonfall gehaltenen Verse, die einen leichten Zugang bieten, bevor man sich Schritt für Schritt Klopstocks höchstem Dichterton nähern sollte", sagt Sebastian Görtz. Der Literaturwissenschaftler will Donnerstagabend mit einem Vortrag bei "Melanchthons Erben" dazu einladen, sich auf Klopstock einzulassen. Die Veranstaltung der Kreisvolkshochschule beginnt um 18.30 Uhr im Klopstockhaus - zur Feier seiner Wiedereröffnung.

Bekanntlich gilt der Prophet im eigenen Lande wenig; so mag es auch mit Klopstock sein, nicht nur in der heutigen Zeit. "Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? Nein!" ließ schon Lessing über den Dichterkollegen verlauten. Und der Literaturwissenschaftler stellt fest: "Wie so oft gehen auch bei Klopstock Verdienst und Anerkennung nicht Hand in Hand. Er opferte jedoch keine sprachliche Virtuosität zugunsten einer öffentlichen Anerkennung."

Unpopulär sei der Dichter zu Lebzeiten freilich keineswegs gewesen - vielmehr habe er reichlich Aufmerksamkeit auf sich gezogen: "In Zürich, Dänemark und Hamburg war er ausgesprochen gesellig und bewegte sich in besten gesellschaftlichen Kreisen. Sein Begräbnis in Hamburg-Ottensen war eine Nationalfeier", sagt Sebastian Görtz, der als freier Mitarbeiter der Landesinitiative "Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert" tätig ist und einen seiner Forschungsschwerpunkte auf deutschsprachige Lyrik legt.

Was Klopstock geleistet hat, mag eine Zahl verdeutlichen: 20 000 Verse umfasste am Ende sein Hauptwerk "Der Messias". Ein Lebenswerk; als Schüler hatte er die Arbeit daran begonnen, als Greis beendete er sie. "Der Messias", sagt Sebastian Görtz, wurde vom nahezu gesamten literarischen Deutschland besprochen. Doch es sei schwer, heutzutage breite Leserschichten für Klopstock zu gewinnen. Allerdings: "Wenn Klopstocks Leistungen für die Dichtkunst in ihrer Nachhaltigkeit vermittelt werden, könnte auch seine Wertschätzung auf einer breiteren Ebene neu installiert werden." Der Wissenschaftler aus Halle sieht darin auch eine große Chance für Quedlinburg: "Man verbindet Goethe und Schiller mit Weimar, Hölderlin mit Tübingen. Zumindest Hölderlin ist trotz hoher Bekanntheit ein gewiss wenig gelesener Dichter. So wäre es schön, wenn man mit Klopstocks Namen auch gleich an seine Geburtsstadt Quedlinburg denken würde. Hier, wo sich durch touristische Idealbedingungen zahlreiche Möglichkeiten der Vermittlung von Leben und Werk bieten, könnte ein Zentrum einer Klopstock-Renaissance liegen."

Friedrich Gottlieb Klopstock lebte zur Zeit der Aufklärung. Die verlangte einen rationalen Blick auf die Welt - und der Dichter setzte dem etwas grundsätzlich anderes entgegen: Gefühl. "Damit öffnete er nachfolgenden Epochen entscheidende Türen. Sturm und Drang, Klassik und Romantik profitierten davon", betont Sebastian Görtz. Darüber hinaus - und das bleibt, so Görtz, heute allzuoft unsichtbar - machte er sprachlich-rhythmische Gesetze für die deutsche Sprache urbar: "Ohne diese Leistung hätte die Lyrik von Goethe über Hölderlin bis hin zu Hugo von Hofmannsthal und Stefan George deutlich anders ausgesehen." Bis heute habe Klopstock seinen Einfluss auf formaler Ebene nicht ganz verloren. Und: "Nicht zuletzt ist Klopstock Verfasser zahlreicher Oden und Hymnen, wie sie in einer solchen dichterischen Brillanz selten zu finden sind."