1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Quedlinburg: Quedlinburg: Insolvenz - doch die Geschäfte laufen weiter

Quedlinburg Quedlinburg: Insolvenz - doch die Geschäfte laufen weiter

Von HOLGER HADINGA 22.07.2011, 16:30

QUEDLINBURG/MZ. - "Die Arbeiten laufen weiter wie bisher, niemand wird entlassen", kündigte der 68-Jährige an.

"Es ist schade, dass es wieder jemanden aus der Baubranche erwischt hat", sagt Silvia Barck, Mitarbeiterin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Quedlinburg. Sie weist darauf hin, dass vor fünf Jahren das Unternehmen Hoch- und Betonbau von der Insolvenz betroffen war.

Sporleder und Hecker erhalten und sanieren seit 1991 historische Bausubstanz. Das Unternehmen mit 70 Mitarbeitern ist nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in der Nachbarbundesländern tätig. Derzeit gestaltet die Firma unter anderem fünf Stadthäuser in Quedlinburg.

Laut Geschäftsführer hat die Firma "gut zu tun", sagt Sporleder. "Schuld an der Insolvenz sind die hohen ausstehenden Rechnungen." Deshalb konnten in den letzten drei Monaten die Löhne nicht pünktlich gezahlt werden, erklärt er. Im kommenden Monat wird es jedoch keine Zahlungsschwierigkeiten geben, da laut Geschäftsführer nun drei Viertel der Aufträge in öffentlicher Hand sind und diese pünktlich zahlt.

Obwohl niemand eine Kündigung bekommt, haben vier Mitarbeiter von sich aus das mittelständische Unternehmen verlassen. Ihnen war die Situation zu unsicher. "Eine gewisse Hektik kommt bei solcher Sache immer auf. Die Stimmung ist natürlich gedrückt", sagt Sporleder. Er wird ab Herbst als technischer Berater tätig sein, weil es dann eine neue Geschäftsführung geben wird.

Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Lucas Flöther aus Magdeburg. Er bezeichnet Sporleder und Hecker als einen seriösen Baubetrieb, der "viel gute Arbeit" gemacht habe. "Die Insolvenz hat externe Ursachen. Außerdem wurden viele Aufträge angenommen, die sich nicht rechnen und so mit Verlusten verbunden sind", sagt er.

Der Anwalt betont, dass Insolvenz nichts mit Strafbarkeit zu tun hat. Ebenso bedeute Insolvenz nicht das Ende eines Betriebes. Flöther: "Das ist die Chance für einen Neuanfang, um sich wieder zu erholen und auf die Füße zu kommen." Er hält es für ratsam, mit Auftraggebern nochmals über die Preise zu sprechen, um zumindest kostendeckend zu arbeiten.

Weitaus kritischer betrachtet Hans-Jürgen Müller von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) im Landkreis Harz die Insolvenz. "Der Betrieb hat schon lange am Abgrund gestanden", sagt er. Er wirft Sporleder vor, Dumping- statt Tariflöhnen zu zahlen und sich oft Leiharbeiter zu holen. Außerdem spricht Müller der MZ gegenüber davon, dass die Mitarbeiter Angst gehabt hätten, ihren Lohn einzufordern, der oft unpünktlich kam. Ebenso hätten sich die Kollegen nicht getraut, sich gewerkschaftlich zu organisieren. "Sie haben die Entlassung befürchtet. Die Mitarbeiter und Lehrlinge haben immer still gehalten. Das hat ihnen nun nichts genützt", sagt der IG Bau-Chef.