Quedlinburg Quedlinburg: Abschied vom Abenteuerland
quedlinburg/MZ. - Irgendwas war immer los. Ferien- und Freizeitangebote bei Kontiki waren jahrelang eine sichere Bank für viele Kinder aus Quedlinburg und Umgebung: Ob Reiten und Pferdepflege, Kutschfahrten, Kanu-Abenteuer auf der Bode, Lagerfeuer mit Stockbrotbacken, Zirkusprojekte oder einfach nur Toben auf dem weitläufigen Gelände vor den Toren der Stadt. Im letzten Ferienkalender allerdings haben die Ferienkinder Kontiki vergebens gesucht.
Tatsächlich befindet sich der Verein in Auflösung. Das bestätigt Geschäftsführer Arne Neubert auf Nachfrage. Er spricht von einer "Reihe von Problemen", die von einem kleinen Verein wie Kontiki nicht zu lösen seien. "Wir wollen Kinder- und Jugendarbeit machen und nicht Vereinserhaltungsarbeit leisten", sagt er. So gebe es baurechtliche Probleme, eine Kläranlage müsse errichtet werden, die Pachtverhältnisse seien problematisch, und auch die brandschutztechnischen Auflagen seien von einem kleinen Verein nicht zu erfüllen.
Wer sich heute auf den Weg macht zum Abenteuerland, der findet das Areal fast verlassen und auch ein wenig verwahrlost vor. Den beiden Männern, die sich dort um die sieben noch vorhandenen Pferde und die anderen Tiere kümmern, ist das nicht vorzuwerfen. Sie tun, was sie können - bei bis vor kurzem noch unregelmäßiger Bezahlung. Einer von ihnen ist Bernhard Meyer - ein ehemaliger Schäfer, der auch auf dem Gelände wohnt und so, wann immer es geht, nach dem Rechten schaut. Obwohl er kein Vereinsmitglied mehr ist, arbeitet er auf freiwilliger Basis hier weiter. "Weil mir die Tiere leid tun", sagt er und tätschelt eines der beiden Kutschpferde, das ihm besonders ans Herz gewachsen ist. Seit Anfang März sollen die beiden Männer inzwischen einen Arbeitsvertrag auf 400-Euro-Basis haben. Das erklärt Michael Sehmsdorf, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und eines von nur noch fünf Mitgliedern. Auch er spricht von Schwierigkeiten, die sich über Jahre hinweg aufgestaut haben. So habe es für das Zirkuszelt, einst eine große Errungenschaft für Kontiki, keine Baugenehmigung gegeben. Die Ställe, die nach einem Brand auf dem Gelände neu errichtet wurden, befinden sich auf zwei Grundstücken unterschiedlicher Eigentümer, und die Entwässerung muss spätestens in ein paar Jahren geklärt sein. All das seien Probleme, die Arne Neubert sozusagen "geerbt" habe. Denn er führt den Verein nach dem Weggang des Mitbegründers und langjährigen Vorsitzenden Thomas Thiede erst seit eineinhalb Jahren. "Ich bin froh, dass es nach diesem Weggang trotzdem weitergegangen ist, auch wenn es viele Fragezeichen gibt", so Sehmsdorf, der die Abwicklung jetzt in geordnete Bahnen lenken soll. "Bürotechnisch war der neue Chef nachlässig, säumig oder einfach nur ungeschickt. Aber als er gemerkt hat, dass da kein Halten mehr ist, hat er mit der Lebenshilfe eine Möglichkeit gefunden", sagt Sehmsdorf.
Auf dieser ruht jetzt die Hoffnung, dass die Arbeit von Kontiki unter anderen Vorzeichen fortgeführt wird. Kontiki wird es so nicht mehr geben, und auch das Gelände in der Nähe des Lehofes wird wohl aufgegeben. Aber: Die Reitfreizeiten und die reittherapeutischen Angebote, die bei Kontiki guten Zulauf hatten, sollen bei der Lebenshilfe in Weddersleben fortgeführt werden. Laut Geschäftsführer Andreas Löbel sind acht Bürgerarbeiter von der Kommunalen Beschäftigungsagentur (Koba) bereits bewilligt, am 1. April sollen sie damit beginnen, Stall- und Freizeitanlagen in den Bodeauen zu errichten. Löbel findet die Arbeit, die bei Kontiki geleistet wurde, "richtig toll. Und ich will Kontiki nichts vorwerfen. Aber anscheinend hat es dort an Struktur gefehlt. Es war wohl niemand da, der den Verein ordentlich hätte führen können", vermutet er. Die Arbeit auf dem Kontiki-Gelände fortzuführen, diese Möglichkeit schließt er aus. "Jeder, der sich da hinein begibt, geht ein enormes Risiko ein. Das können wir als Lebenshilfe auch nicht", sagt er.
Laut Sehmsdorf sollen ein Teil des Inventars, das Zirkuszelt und einige der Tiere an die Lebenshilfe übergehen. Zuvor soll der Tierbestand auf dem Kontiki-Gelände etwas verkleinert werden. So könnten die beiden Esel zum Beispiel auf dem Ökohof in Quedlinburg eine neue Heimat finden. Neubert wird seit Dezember übrigens nicht mehr vom Verein bezahlt. Dass der Verein nur noch fünf Mitglieder hat, sei gewollt. Das mache die Abwicklung einfacher. Etliche Mitglieder seien allerdings schon vor dem Auflösungsbeschluss ausgetreten.