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Neinstedter Anstalten Neinstedter Anstalten: Ein Nicht-Theologe übernimmt die Leitung

Von Andreas Bürkner 01.10.2013, 15:33
Jürgen Schwartz zum Jahresfest der Neinstedter Anstalten.
Jürgen Schwartz zum Jahresfest der Neinstedter Anstalten. Archiv/Meusel Lizenz

neinstedT/MZ - „Manchmal müssen sich die Wege halt trennen, wenn es einfach nicht zusammenpassen will“, versuchte Rosemarie Kaatz das Ende des bisherigen Vorstehers Jürgen Schwartz in den Neinstedter Anstalten zu erklären. Die Kuratoriums-Vorsitzende dankte auch im Namen des Vorstandes Pfarrer Schwartz ausdrücklich „für das Engagement und seine Impulse zur Weiterentwicklung der Stiftung“.

Jürgen Schwartz selbst sieht die Trennung „in unterschiedlichen Auffassungen über die Trägerpolitik“ in den Neinstedter Anstalten begründet. „Bei Fragen des Umfangs und der Schnelligkeit sind wir weit auseinandergedriftet“, musste er feststellen.

Pfarrer Schwartz war seit Mai 2011 Vorsteher und Vorsitzender des Vorstandes der Neinstedter Anstalten. Nach Unstimmigkeiten im Verhältnis zum Kuratorium wurde er per Beschluss vom 17. Dezember 2011 zum Jahresende abberufen. In der Folge fanden Fürbitte-Andachten in der Lindenhofskirche statt, an denen sich viele Mitarbeiter, aber auch Menschen aus dem Ort beteiligten. Es wurden Unterschriften gesammelt, mit denen für einen Verbleib des Pfarrers in seinem Amt votiert wurde.

Das Kuratorium reagierte und revidierte seine Entscheidung am 13. Januar 2012. Der Vorsteher wurde wieder ins Amt eingesetzt und übernahm im Juli 2012 zudem kommissarisch die verwaiste Funktion der pädagogischen Leitung in der Stiftung. Dass sich trotzdem nicht alle Probleme im belasteten Vertrauensverhältnis zwischen dem Kuratorium und dem Pfarrer lösen ließen, zeigte sich im Juli diesen Jahres. Das Kuratorium und Schwartz einigten sich auf eine Auszeit des Vorstehers bis zum 30. September. Vier Tage vor Ablauf der Frist entschied sich das oberste Gremium der Stiftung jedoch, sich umgehend von Jürgen Schwartz zu trennen.

„Für uns geht es dabei um den guten Ruf der Neinstedter Anstalten und vor allem um den Schutz und das Wohl der Bewohner und Mitarbeiter“, erklärte Rosemarie Kaatz auf Nachfrage der MZ. „Pfarrer Schwartz hat viele kreative Ideen gehabt, um die Einrichtung den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Über die Wege zur Umsetzung herrschten allerdings oft verschiedene Ansichten.“

Nach eigenen Angaben wollte Schwartz die einzelnen Bereiche, wie Wohnen, Arbeit und Freizeit, besser miteinander vernetzen. „Nicht das Wissen und die Einflussnahme der Betreuer, sondern der individuelle Bedarf der Behinderten mit ihren jeweiligen Möglichkeiten und Ressourcen muss im Mittelpunkt stehen“, ist er überzeugt. Der Theologe bekennt, froh und dankbar über die Erfahrungen in Neinstedt zu sein. „Ich habe sehr viel über die Arbeit mit Behinderten gelernt.“ Zu seinen Erfolgen zählt er die Sanierung der Lindenhofskirche, die Übernahme des ehemaligen Krankenhauses Blankenburg für den Neubau von behindertengerechten Wohnbereichen oder die stärkere Öffnung nach außen. „Es wäre schön, wenn diese Ansätze auch ohne mich kontinuierlich fortgesetzt werden“, will sich Schwartz nach seinem Abgang dem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber loyal verhalten. „Nichts darf den guten Ruf der Neinstedter Anstalten durch den Wechsel beschädigen.“ Wie es mit ihm weitergehe, könne er so kurz nach dem Ende der Tätigkeit noch nicht sagen.

Für die Zukunft ohne den Vorsteher, in welcher die Entwicklung unter dem Arbeitstitel „Zukunftsprozess Neinstedt 2020“ vorangetrieben werden soll, hat das Kuratorium den Vorstand umgebildet.

An der Spitze steht nun Dietrich Bredthauer, der seit den ersten Differenzen Ende 2011 als Berater und später Vorstandsmitglied bei der gemeinsamen Gestaltung des „Zukunftsprozesses Neinstedt 2020“ mitgewirkt hat. Er wurde in der jüngsten Sitzung durch das Kuratorium zum Vorsitzenden des Vorstandes bestimmt. Damit übernimmt nach ewigen Zeiten erstmals ein Jurist und kein Theologe die Leitung der Neinstedter Einrichtung. „Das wird gemäß der Satzung zwar gewünscht, gilt aber nicht als Bedingung“, erklärt Rosemarie Kraatz den Hintergrund.

Zudem hat das Kuratorium den bisherigen Diakon Hans Jaekel mit sofortiger Wirkung in den Vorstand berufen. Er wird im pädagogisch–diakonischen Bereich unter anderem die Aufgaben übernehmen, welche vorübergehend Teil von Schwartz’ Arbeit waren.

„Zunächst muss ich erst einmal alle Unterlagen studieren und den Stand der verschiedenen Projekte ermitteln“, sagt Jaekel am ersten Arbeitstag. „Was sich daraus auch unter wirtschaftlichen Aspekten entwickelt, bleibt abzuwarten.“ Ihm schwebt zudem vor, die kirchliche Prägung der Diakonie weiterzuentwickeln und enger mit der Kirchgemeinde zu verknüpfen. Das Kuratorium wünscht dem neuen Vorstand einen guten Start und „Gottes Segen“.

Zugleich bittet es alle Mitarbeiter, Freunde und Partner der Neinstedter Anstalten darum, den Vorstand in dieser Phase tatkräftig zu unterstützen. „Es muss wieder Ruhe in die tägliche Arbeit einkehren“, fordert Rosemarie Kaatz. Sie betont ausdrücklich, dass Pfarrer Schwartz keine kriminellen Handlungen begangen habe. „Das Zwischenmenschliche hat einfach nicht funktioniert.“ Trotz unterschiedlicher Meinungen sei die Tür lange offen geblieben. „Wir haben ihm bis zum Ende immer wieder Brücken gebaut“, betonte Kaatz, „aber er wollte einfach nicht darüber gehen.“