Nachwuchsspielmannzüge aus Sachsen-Anhalt Nachwuchsspielmannzüge aus Sachsen-Anhalt: Alle Augen auf dem Küs

Quedlinburg - Leonhard Köhler ist begeistert. Er steht mit dem Rücken zum Publikum, vor sich sieht er das jungfernrebenberankte Quedlinburger Rathaus. Und davor stehen 120 junge Spielleute, halten Querflöten, Becken, Glockenspiele oder die Schlägel ihrer Marschtrommeln in den Händen und warten auf Köhlers Kommando. Dann hebt der junge Bernburger, der selbst noch zum Nachwuchs des Spielmannszugs seiner Stadt gehört, den Küs.
Sofort und wie in einer einzigen Bewegung führen die jungen Spielleute ihre Instrumente zum Mund oder machen sich zum Schlagen bereit. Mit der nächsten Bewegung des Küs, des Stabs in Köhlers Hand, fangen sie zu spielen an - und er ist dafür verantwortlich, dass sie im Rhythmus bleiben.
Nachwuchsspielmannzüge aus Sachsen-Anhalt: Ein Tambourmajor mit Hingabe
„Das ist schon toll, wenn man zu so vielen Leuten auf einmal sagen kann: So wird es gemacht“, schildert Köhler, warum es ihm so viel Spaß macht, Tambourmajor zu sein. Er hat sich dem Spielmannszug Bernburg vor ein paar Jahren angeschlossen und diese Rolle für sich entdeckt.
Die Bernburger Spielleute sind auf dem Marktplatz aber nicht allein: Gemeinsam mit sechs weiteren Nachwuchsspielmannzügen aus Sachsen-Anhalt musizieren sie am Sonnabend vor 200 Zuhörern.
Auch aus Aschersleben, Elbingerode, Hettstedt, Neuwerk, Stapelburg und Ziegelrode haben die jungen Musiker den Weg in die Welterbestadt gefunden. Das rund 45-minütige Konzert ist für sie der Höhepunkt des Trainingslagers, das sie von Donnerstag bis Sonntag in der Jugendherberge „Harz-Park“ in Güntersberge absolvieren.
Alle zwei Jahre, erklärt Andreas Werner, richtet der Landesverband der Spielmannzüge ein solches gemeinschaftliches Lager aus. Werner führt als Moderator durch das Konzert, bei dem die jungen Spielleute Gelegenheit bekommen, den Quedlinburgern und Gästen zu zeigen, was sie schon alles draufhaben.
Nachwuchsspielmannzüge aus Sachsen-Anhalt: Titel, die als Pflichtstücke vorgetragen werden müssen
Zum Repertoire gehören Titel, die einige der Nachwuchsspielmänner und -frauen schon von Landesmeisterschaften kennen. „Dort müssen sie als Pflichttitel vorgetragen werden“, erläutert Andreas Werner, der selbst im Spielmannszug Bernburg aktiv ist.
Dass ihnen diese Pflicht aber keinesfalls lästig ist, stellen die 120 jungen Spielleute unter Beweis: Kraftvoll und lebhaft lassen sie Stücke wie „Leggiero“ und „Cherry Pink“, auch als „Gummi Mambo“ bekannt, zwischen Rathaus und Blasiistraße erklingen.
Hinzu kommen ein paar Lieder, die nicht zum Standardprogramm der Spielmannzüge gehören: „Eye Level“ zum Beispiel, die Titelmelodie der britischen Fernseh-Krimiserie „Van der Valk“ aus den 1970er Jahren. Einen Titel von Sir Paul McCartney haben die Nachwuchsmusiker gar erst am Donnerstag zum ersten Mal geprobt. Dennoch gelingt die Aufführung ohne Schwierigkeiten.
Nachwuchsspielmannzüge aus Sachsen-Anhalt: Marschmusik ohne Noten
Und ohne Notenblatt: Die Spielleute geben die Stücke schon in jungen Jahren auswendig wieder. Neben Pop- können sie auch Marschmusik: Am Samstag hören die Menschen am Markt etwa der „Tübinger Marsch“ und den „Fliegermarsch“. „Der hat mir am besten gefallen“, verrät der 14-jährige Jonas Tittel nach dem Konzert.
Seit bald drei Jahren ist er Mitglied des Hettstedter Spielmannszugs „Blau-Weiß“ und schlägt die Marschtrommel. Er sieht Trainingslager wie das in Güntersberge als schöne Möglichkeit, neue Leute, andere Vereine und ihre Musik kennenzulernen. „Es geht dabei auch um den Zusammenhalt“, sagt er.
Viel Applaus und gezückte Handykameras zeigten, wie gut die jungen Spielleute beim Quedlinburger Publikum ankamen. An dem Konzert hatten auch Stadt und Sparkasse ihren Anteil: Erstere verlangte kein Geld für die Spielzeit auf dem Marktplatz, letztere schloss eine Finanzierungslücke bei der Busfahrt, wie Andreas Werner hervorhob. (mz)
