Lernbedingungen an Ludwig-Gleim-Schule Lehrer auf dem Baugerüst - damit wollen sie ein Zeichen setzen
In den Ferien haben Lehrer in Ermsleben einen Teil der 50 Jahre alten Fassade weiß gestrichen. Schulleiter: Wir wollen nicht nur schimpfen, sondern selbst aktiv werden. Jetzt sind sie zuversichtlich.

Ermsleben/MZ - Das Gerüst ist montiert, sie haben sich Papierhüte gefaltet und stehen nun mit Eimern und Farbrollern bereit: Lehrer der Sekundarschule „Ludwig Gleim“ in Ermsleben verpassen dem 50 Jahre alten Putz auf der Rückseite des Gebäudes einen frischen Anstrich.
Das strahlende Weiß macht deutlich, worum es ihnen geht: Sie wollen ein Zeichen setzen, sagt Schulleiter Siegfried Göschel: „Nicht immer nur schimpfen, sondern selbst tätig werden.“ Die Schule ist sanierungsbedürftig, die Fenster auf der Rückseite sind 50 Jahre alt, so wie das Schulgebäude, das 1972 eröffnet wurde.
Im vergangenen Jahr haben Lehrer, Eltern und Schüler das Jubiläum gefeiert, aber die Rückseite mit dem original Kellen- oder Schlepp-Putz wurde bewusst nicht präsentiert, sagt Siegfried Göschel. „Lehrer hatten damals, 1972, am Vorabend der Eröffnung Blumen gepflanzt“, erzählt er. Der ehemalige Schulleiter Hans Dittrich habe von einer regelrechten Aufbruchsstimmung gesprochen, „es kamen viele, die helfen wollten. Vieles gelang nur durch die ehrenamtliche Arbeit von Eltern, Pädagogen und Schülern.“
„Aus eigener Kraft was tun“
Inspiriert davon und „durch den Film von Herrn Lafeld, in dem diese Hilfsbereitschaft nochmal sehr deutlich wurde, haben wir versucht, Ähnliches auf die Beine zu stellen“, sagt er weiter. „Auch die ernüchternde Aussage vom Landrat bei seinem Vor-Ort-Termin am 5. August 2022, dass der große Wurf wohl in absehbarer Zeit nicht gelingen wird, hat uns auf die Idee gebracht, aus eigener Kraft was zu tun.“
Wobei sich innerhalb der Schule seit dem Besuch von Landrat Thomas Balcerowski (CDU) einiges getan habe, betont der Schulleiter: „Ein Raum ist komplett saniert, hat auch Schallschutz, die Renovierung von zwei Unterrichtsräumen ist avisiert, auch IT-mäßig ist einiges passiert.“
Sie sind da beispielgebend, bitte machen Sie weiter so.
Thomas Balcerowski, Landrat
Darüber hinaus gebe es nach einem weiteren Besuch des Bauamtsleiters des Landkreises „Signale, die mich ermutigt haben, aus eigenen Kräften zumindest einige optische Verschönerungen vorzunehmen“, erklärt Göschel. „Meine Kolleginnen und Kollegen standen und stehen der Sache sehr aufgeschlossen gegenüber. Vor allen Dingen konnte ich den Hausmeister und seine Vertretung von der Idee begeistern“, sagt er und freut sich, dass nun am zweiten Ferientag gemeinsam ein Stück der Fassade gestrichen werden kann.
Unterstützung bekam das Team von einem ehemaligen Schüler, der mit Hilfe der Falkensteiner Gerüstbau GmbH dafür sorgte, dass die Lehrer die Fassade bis zu einer gewissen Höhe streichen können. Eine der Lehrerinnen überwindet sogar ihre Höhenangst: „Das macht das Mannschaftsgefühl“, sagt sie lachend. Und außerdem: „Man will ja auch ein schönes Umfeld haben.“
Auch der Landrat kommt vorbei, löst ein Versprechen ein und bringt frische Brötchen fürs Frühstück mit. Die Wünsche der Schulen sind teilweise berechtigt, sagt er, aber die Finanzen des Landkreises zu knapp, um alle Wünsche erfüllen zu können. Deswegen sei er dankbar für solche Projekte wie in Ermsleben.
Förderschule steht ganz oben auf der Prioritätenliste
Dennoch: Im Kreis gibt es Schulen, bei denen Baumaßnahmen noch dringender sind. Balcerowski berichtet von der Reinhard-Lakomy-Schule in Halberstadt; die Förderschule für Schüler mit geistiger Behinderung braucht dringend einen Ergänzungsbau, „um überhaupt vernünftige Lernbedingungen schaffen zu können“, sagt der Landrat.
Auch die Sekundarschule in Blankenburg rangiert auf der Prioritätenliste noch vor Ermsleben. Die aber vielleicht eher zum Zuge kommen könnte, wenn man das Projekt in mehreren Abschnitten angeht. Was Göschel und sein Team besonders freut: Der Einbau neuer Fenster sei vielleicht im Rahmen der Haushaltsführung möglich. Dass sie dringend nötig sind, zeigt sich nach dem Fassadenanstrich der Lehrer im Kontrast zur weißen Farbe deutlich. Zudem bröckelt es am Nordgiebel; einige der Schmuckelemente aus den 70ern sind schon abgefallen. Eine Absperrung soll Schlimmeres verhindern.
Rund 2,5 Millionen Euro wären nötig, um die Sekundarschule zu sanieren. Dem Landkreis stehen nach Worten des Landrates jedoch nur 5,5 Millionen Euro Investitionshilfe zur Verfügung, mit denen beispielsweise auch Baumaßnahmen an Straßen oder Radwegen finanziert werden müssen. „Da kann man keine großen Sprünge machen“, sagt Balcerowski in der Frühstücksrunde mit den Lehrern. „Aber ich bin hier und will das Engagement honorieren. Sie sind da beispielgebend, bitte machen Sie weiter so.“