Schicksal Johanna Thunack aus Gernrode: Wie eine Elfjährige mit ihrer Tumorerkrankung umgeht

Gernrode - Die langen blonden Haare zu einem sportlichen Pferdeschwanz gebunden, auf den Fingernägeln glitzert ein modischer Nagellack: Auf den ersten Blick würde man Johanna Thunack für ein ganz normales elfjähriges Mädchen halten.
Und doch ist für Hanni - wie sie von ihren Freunden genannt wird, jeder Tag gerade etwas ganz Besonderes. Und auch wenn sie ihre Freizeit an diesem Tag nur mit dem Basteln einer Collage mit Schnappschüssen ihrer Freunde verbringt, ist das für sie das Schönste, was sie sich im Moment vorstellen kann.
Diagnose: Tumor an der Halswirbelsäule
Denn noch bis vor kurzem stand nicht einmal genau fest, ob sie sich je wieder normal bewegen kann: „Im Mai wurde bei mir ein Tumor an der Halswirbelsäule festgestellt, weshalb ich eine ganze Weile weg war“, erzählt Johanna.
Es begann Unwohlsein, Kopf- und Rückenschmerzen
Es hatte im Oktober des vergangenen Jahres angefangen, Johanna immer schlechter zu gehen, wie sich ihre Mutter Kirstin Thunack erinnert: „Das ging damit los, dass Hanni immer ausgebrannter wirkte und sich immer öfter zurückzog“, erzählt die 38-Jährige.
Auch habe ihre Tochter in dieser Zeit immer wieder über Schmerzen im Kopf- und Rückenbereich geklagt, weswegen man erst von einer harmlosen Verspannung ausgegangen war. Dass die Beschwerden aber eine weitaus ernstere Ursache haben könnten, wurde der Mutter beim Volleyball-Spiel mit Johanna bewusst:
„Sie konnte die rechte Hand nicht mehr öffnen"
„Sie konnte auf einmal die rechte Hand nicht mehr öffnen, um den Ball von oben anzunehmen. Das hat uns so geschockt, dass wir schnellstmöglich die Hilfe von Spezialisten in Anspruch nehmen wollten.“
Es erfolgte die Aufnahme im Krukenberg-Krebs-Zentrum des Universitätsklinikums in Halle, wo man in zwei mehrstündigen Operationen den am Halswirbel gelegenen Tumor erfolgreich entfernen konnte. „Ich erinnere mich, dass ich nach der ersten OP mein rechtes Bein nicht mehr gespürt habe, da hatte ich echt Angst“, erzählt Johanna.
„Hanni war die ganze Zeit über so tapfer"
Doch die anfängliche Panik legte sich, nachdem die Ärzte ihr den Verlauf der Behandlung erklärt hatten. „Hanni war die ganze Zeit über so tapfer und positiv, das war für uns sehr beeindruckend“, sagt Kirstin Thunack, die sich bei den Klinikbesuchen mit ihrem Mann Hendrik abgewechselt hat, damit Johannas achtjähriger Bruder Oskar nicht allein zu Hause bleiben muss.
Direkt im Anschluss an die Klinik ging es für sie zu einer Reha in die Helios-Klinik Hohenstücken in Brandenburg an der Havel. Während des sechswöchigen Aufenthaltes, bei dem sich Johanna von den beiden operativen Eingriffen erholen und wieder Muskeln und Bewegungsabläufe aufbauen sollte.
Rehabilitation in einer Klinik in Brandenburg
Dafür standen täglich Kraftübungen auf den Plan sowie zweimal pro Woche Physiotherapie. „Das war schon ungewohnt, einen so durchstrukturierten Tag zu haben“, sagt sie. Doch nicht nur die Bewegung, sondern auch der Austausch mit anderen Kindern tat ihr gut und ließ sie über ihre Zukunft nachdenken:
„Da war zum Beispiel ein 15-jähriges Mädchen, die ab dem Hals ab gelähmt war und darüber noch sehr traurig war - das hat mich dann auch sehr bewegt“, erzählt Johanna. Sie fügt hinzu: „Ich habe darüber nachgedacht, wie viel Glück ich bei der Sache gehabt habe und wie toll es ist, bald wieder bei meiner Familie sein zu können, während andere das nicht können.“
Sie ist froh, dass sie sich in dieser Zeit immer auf ihre Familie verlassen konnte - auch wenn sie dafür manchmal sogar „entführt“ werden musste. So wie Anfang August, als Johanna an einem Wochenende aus fadenscheinigen Gründen von ihrer Mutter zu ihren Großeltern nach Könnern gefahren wurde und sich kurze Zeit später auf dem Fußball-Platz des Sportvereins Blau-Weiß in Könnern wiederfand.
Großer Auftritt auf Sportfest
Um die Gernröderin in dieser schweren Zeit aufzumuntern, hatte ihr Onkel Sebastian Herrmann gemeinsam mit anderen Unterstützern ein besonderes Erlebnis für seine Nichte organisiert: So sollte sie beim Sportfest des Vereins die beiden Mannschaften symbolisch auf den Platz führen, die an diesen Tag für den guten Zweck kickten. Bei Hannis Ankunft hatte er ihr nur grinsend ein Trikot mit der Rückennummer 23 in die Hand gedrückt - die Nummer ihres Lieblingsspielers Julian Draxler bei Paris Saint-Germain. „Ich war erst etwas irritiert, habe dann aber verstanden, dass ich die Mannschaften auf den Platz führen soll, das war schon sehr cool“, erzählt Hanni. Insgesamt konnten am Ende rund 650 Euro gesammelt werden, die der Arbeit des Krukenberg-Krebs-Zentrums in Halle unterstützen sollen.
Für die Zukunft wünscht sich die Familie nicht viel, nur dass es weiter bergauf geht: „Hanni muss erst mal vollständig gesund werden, das steht jetzt an vorderster Stelle“, sagt ihre Mutter. Und Hanni will nicht nur selbst gesund werden, sondern auch später einmal denjenigen helfen, die vielleicht nicht so viel Glück hatten, wie sie: „Ich könnte mir sehr gut vorstellen, später mit behinderten Menschen zu arbeiten“, sagt Hanni. Ihre Mutter ist stolz: „Hanni will eben nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere stark sein.“
(mz)