Harz: Verwüstung im Wald Jagdgegner zerstören Dutzende Hochsitze
Zertreten und umgekippt: Jagdgegner richten Tausende Euro Schaden an. Warum ihr vermeintlicher Einsatz für die Natur dem Wald gefährlich werden kann.

Rübeland/MZ. - Im Oberharz rebellieren Jagdgegner. Dutzende Hochsitze – sogenannte Drückjagdböcke und Kanzeln – haben sie in den zurückliegenden Monaten mindestens beschädigt, oft ganz zerstört. Ihre Attacken trafen in erster Linie das Forstrevier Rübeland, teils auch die angrenzenden Bereiche. Menschen wurden bisher glücklicherweise nicht verletzt. Aber die entstandenen Schäden sind enorm: Material- und Reparaturkosten summieren sich mittlerweile auf einen niedrigen fünfstelligen Betrag. Und: Es geht auch um den Wald der Zukunft. „Den können wir vergessen, wenn wir keinen Bewegungsjagden mehr machen können. Darauf zielt die Zerstörung ja ab“, sagt Eberhard Reckleben. Leiter des Forstbetriebs Oberharz.
Anzeige erstattet
Angefangen hat es im Oktober vergangenen Jahres. Unmittelbar vor der ersten Stöberjagd. Es war eine gezielte Störung: Von 60 Hochsitzen wurden damals die Sitzbretter gestohlen. Und seitdem kam es immer wieder zu Zerstörungen – in einem bisher so nie da gewesenen Ausmaß. „Die Einrichtungen werden systematisch kaputt getreten und umgeworfen. Die Drückjagdböcke sind mit Profilen im Boden gesichert, die werden rausgerissen. Das schafft man nicht allein, da muss man sich zusammentun, und man braucht Kraft“, sagt der zuständige Förster, Ansgar Schüller. Die Sachbeschädigungen in seinem Revier hat er bei der Polizei angezeigt. Gebracht hat das bisher aber nichts.
Täter mit Ortskenntnissen
Im Forstbetrieb geht man davon aus, dass sich die Täter bestens auskennen. „Man sieht sie nicht, man hört sie nicht“, und das obwohl ja durchaus Betrieb im Wald sei, „das spricht dafür, dass sie genau wissen, was hier wo passiert“, sagt Reckleben.
Mit Blick auf die im Herbst wieder anstehenden Stöberjagden (siehe „Bis ins Detail geplant“), macht sich auch eine gewisse Beunruhigung breit. Sie sollen schließlich störungsfrei über den Bühne gehen. 20 dieser Jagden mit bis zu 120 Teilnehmern würden im Oberharz zurzeit organisiert, zwei beziehungsweise drei pro Revier, erklärt der Berufsjäger im Betrieb, Manfred Gebauer. „Wir haben bei den Bestockungsverhältnissen auf der Einzeljagd zunehmend weniger Erfolg. Stöberjagden werden immer wichtiger“, sagt Reckleben, „ohne die behalten wir das Rotwild nicht im Griff“. Mehr als die Hälfte des erlegten Wildes wird ihm zufolge in diesen wenigen Tagen zur Strecke gebracht. Nichtsdestotrotz „sind wir weit davon entfernt, das Wild spürbar zu reduzieren“.
Wieder mehr Abschüsse
In den zurückliegenden Jahren war es zu einem Einbruch der Abschüsse gekommen. Das war auch den pandemiebedingten Einschränkungen geschuldet; vor allem aber lag es an der durch Sturm, Trockenheit und Käfer verursachten Katastrophe. Allein in den Oberharzer Revieren entstanden 16.000 Hektar Kahlflächen. Das große Aufräumen band sämtliche Kräfte. Bedeutet im Umkehrschluss: Das Wild konnte sich in der Zeit vermehren. Und ist jetzt da. Wenngleich sich die Abschusszahlen im Summe wieder auf dem Vor-Katastrophen-Niveau bewegten, wie Reckleben sagt.
Wild macht Schäden
Und gerade Rübeland hat ein Rotwildproblem: „Das Wild, das vorher auf der Fläche verteilt war, hat sich jetzt dort massiv konzentriert“, sagt er. Und richtet richtig Schaden an, in dem es Knospen und Triebe der jungen Bäume abäst. Das kann bis hin zum Absterben führen. Und der Verbiss ist nur das eine: „Sobald ein Baum genug Widerstand bietet, schält es die Rinde ab.“ Dann wird der Forstbetriebsleiter noch deutlicher: „Das Rotwild hat hier das Potenzial, die Wiederbewaldung weitgehend zu verhindern, wenn man es laufen lässt. Aber diese einfachen Zusammenhänge gehen offensichtlich nicht in jedes Hirn rein.“
„Wir wollen ja Wild haben. Aber bei den hohen Wildbeständen muss man jagen – es geht nicht anders“, sagt Schüller. Nur so könne man Waldbestände etablieren. „Wenn wir keinen Wald haben, dann haben wir auch kein Wild mehr“, so der Förster.
Umstellung auf Lappjagd?
„Was sich die Täter nicht klarmachen, ist, dass wir reagieren müssen“, sagt Reckleben, „und wenn das auf herkömmlichem Weg, mit Stöberjagden nicht geht, werden wir umstellen – auf Lappjagd.“ Heißt: Ein bestimmtes Gebiet wird mit Lappen eingegrenzt, das Rotwild so am Ausbrechen gehindert. Und dann wird alles erlegt. Dafür, so Reckleben, brauche es keine Hochsitze, dürfte „in den Augen der Tierschützer aber noch fünfmal schlimmer sein“.
In den Revieren im Forstbetrieb Ostharz gibt es dergleichen Probleme nicht – nicht in der Größenordnung. Nur vereinzelt sei es es in der Vergangenheit schon mal zu Beschädigungen gekommen, so dessen Leiter Hans Schattenberg.