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Hochschule Harz Hochschule Harz: Das erste Fahrrad ohne Kette

Von ingo kugenbuch 13.04.2013, 17:34
Das ist der funktionstüchtige Prototyp des "X-Pesa".
Das ist der funktionstüchtige Prototyp des "X-Pesa". IA Lizenz

wernigerode/MZ - Zu einem Fahrrad gehören zwei Räder, Lenker, Sattel, Rahmen, Pedale und natürlich die Kette. Falsch. Die Kette, die immer dann abspringt, wenn man garantiert keine schmutzigen Finger braucht, ist beim „X-Pesa“ (Werbeslogan: „Lassen Sie Ihr Fahrrad von der Kette“) überflüssig. Das E-Bike, das ein Konsortium aus dem Sangerhäuser Fahrradhersteller Mifa, der Hochschule Harz und dem Wernigeröder Institut für Automatisierung und Informatik (IAI) entwickelt hat, sorgte bis gestern auf der Hannover Messe für Furore. Immerhin ist es nach Angaben seiner Erfinder das erste Fahrrad der Welt, das vollständig auf die klassische mechanische Kraftübertragung verzichtet. Der Bund hat die Entwicklung mit rund 300 000 Euro gefördert.

Das Prinzip ist simpel: Der Radfahrer tritt ganz normal in die Pedale und erzeugt damit durch einen Generator, der dort sitzt, wo sich bei normalen Rädern ein Tretlager befindet, elektrische Energie. Diese wird sodann per Kabel zum Elektromotor in der Nabe des Hinterrads geleitet. Der Clou: Der „X-Pesa“-Pilot kann per Smartphone wählen, wie viel Elektropower der im Rahmen versteckte Lithium-Ionen-Akku dazupumpen soll.

„Sie fahren ganz einfach aus dem Stand los. Das Pedalgefühl unterscheidet sich nicht vom normalen Rad“, sagt IAI-Projektleiter Steffen Braune im MZ-Gespräch. Damit man beim Aufsteigen nicht ins Leere tritt, erzeugt der Generator ein Gegenmoment im Pedal. Gleichzeitig liefert der Akku aber genügend Power, um sofort mit dem immerhin 28 Kilogramm schweren Prototypen loszudüsen. „In Hannover waren selbst 100-Kilo-Männer von der Beschleunigung begeistert“, sagt Braune. Das Rad beschleunigt bis Tempo 25, danach wird es elektronisch abgeregelt. Damit ist es versicherungs- und zulassungsfrei. Außerdem darf es nur fahren, wenn der Fahrer auch tritt, und eine maximale Leistung von 250 Watt haben. All das erfüllt das „X-Pesa“.

„Wir planen schon an einem Nachfolgemodell“, sagt Klaus-Dietrich Kramer, Professor an der Hochschule Harz und Chef des IAI. „Dieses Speedbike soll maximal 25 Kilogramm wiegen und bis zu 45 Kilometer in der Stunde schaffen.“ Es braucht dann allerdings Zulassung und Versicherung.

Zunächst aber will Mifa 2014 das „X-Pesa“ unter dem Markennamen „Grace“ auf den Markt bringen, berichtet Kramer. Der Preis soll bei 3 000 bis 4 000 Euro liegen. Zuvor soll noch die Elektronik, die derzeit in einer recht großen schwarzen Box am Rahmen befestigt ist, auf die Hälfte schrumpfen und das Design gefälliger werden.

Was bringt das „X-Pesa“ seinem Käufer noch, außer dass er nie die Kette ölen, wechseln oder neu auflegen muss? „Wir können eine Automatikschaltung generieren“, sagt Kramer. Das bedeutet: Nach dem per Smartphone-App-Steuerung eingestellten Fahrstil - von gemütlich bis sportlich - steuert die Elektronik das Zusammenspiel von Generator, Akku und Elektromotor. Wer möchte, kann richtig Gas geben und schnell fahren. Andererseits verlieren mit dem „X-Pesa“ aber auch Berge und Gegenwind ihren Schrecken. Beim Bremsen wird sogar wieder Energie in den Akku gespeist. „Ins Büro ohne Schweiß“ - das soll ein zentrales Verkaufsargument werden.

Gibt es denn - außer dem hohen Preis - keinen Nachteil? Doch: Der Wirkungsgrad der profanen Fahrradkette ist nicht zu schlagen, räumt Kramer ein. Der liege bei 95 bis 98 Prozent. „Wir sind stolz darauf, dass wir mit dem Generator 70 Prozent schaffen“, sagt Kramer. Viel mehr sei auch in Zukunft aus physikalischen Gründen nicht drin. Dafür sind die Betriebskosten des „X-Pesa“ kaum zu übertreffen : Der Akku hat eine durchschnittliche Reichweite von 60 Kilometern - eine komplette Ladung dafür kostet zehn Cent.