Historienspiele in Quedlinburg Historienspiele in Quedlinburg: Bei Kaiserwetter

Quedlinburg/MZ - Gemessenen Schrittes bewegt sich der Kaiserzug vom Schlossberg bis zum Markt durch das sonnendurchflutete Quedlinburg. Ein Mönch (Martin Orth) hält die Bibel fest in der Hand und spricht ein Gebet, Herold Hans-Georg Wagenknecht, der künstlerische Kopf des Ensembles, lädt die Gäste der Stadt im Herold-Kostüm auf den Schlossberg ein. Dort spielen seine 15 Mitstreiter diesmal nicht die Ankunft der Ungarn zum Hoftag, sondern drei „Gerichtbarkeitsstücke“. So streiten zwei Mönche darüber, ob „das Weib eine Seele hat“. Außerdem dreht es sich um die Verführung einer Stiftsdame und um einen Gerichtsstreit zwischen dem Grafen Popo von Schlanstedt gegen den Bauer Lindemann. Der Höhepunkt des Wochenendes ist jedoch die Kaiser-Tafel auf dem Unteren Schlossberg am Sonntag.
"Alle Ottonen-Herrscher auf einen Blick"
Auch in diesem Jahr entpuppt sich Äbtissin Mathilde wieder als gute Gastgeberin in Quedlinburg. Die Besucher des Kaiserfrühlings „erleben dabei alle Ottonen-Herrscher auf einen Blick“, wie Hans-Georg Wagenknecht herausstellt. Vor ihnen verbeugen sich so manches Akteure wie die fünf Thüringer, die für drei Tage im Räuberlager Quartier nahmen. Johann der Wanderer macht seinem Namen alle ehre. Wanderte er 2013 allein in die historisch bedeutende Stadt Quedlinburg, brachte er aus Eisenach vom Fuße der Wartburg in diesem Jahr auch Zwerg, Till Maximilian Möhreson von der Mühle sowie Valeria zum Historienspektakel mit. Alle fünf loben die prima Atmosphäre vor Ort auf dem Schlossberg.
In die prunkvollen Kostüme des Kaiserfrühlings schlüpfen geschichtsbegeisterte Quedlinburger, aber auch Mitstreiter aus der weiteren Umgebung. Schon 14 Jahre füllt Horst Otto die Rolle von Kaiser Otto I. aus. Dagegen hat die Quedlinburgerin Jana Schiffner als Pröbstin in diesem Jahr ihr „Rollendebüt“. Die Macher des Kaiserfrühlings verweisen darauf, dass viele historische Figuren immer wieder neu besetzt werden müssten, weil durch berufliche Wechsel oder der Gang zum Studium besonders junge Leute dem Verein „abhanden kommen“.
Madeline Müller stieg erst vor zwei Monaten als Theophanu in den Kaiserzug ein, während Jessica Dietz schon auf anderthalb Jahre Herrschaft in den Kleidern von Äbtissin Mathilde zurückblicken kann. Gerade die Zeit von März bis Juni sei sehr probenintensiv. Wird doch bisher zu Ostern mit einem kleineren Auftritt das Interesse für den Kaiserfrühling zu Pfingsten geweckt. Adelheid von Burgund alias Andrea Naunapper aus Magdeburg, die als Schatzmeister des Vereins wirkt, verweist auf weitere Auftritte des Kaiserzuges. „Wir werden Mitte Juli beim großen Umzug zum Sachsen-Anhalt-Tag in Wernigerode dabei sein. Zuvor folgen wir an den beiden kommenden Wochenenden Einladungen zum 1040-jährige Ortsjubiläum in Ditfurt und zur 1050-Jahr-Feier in Winningen.“
Trotz des hochsommerlichen Wetters mit Temperaturen über 30 Grad besuchten viele Gäste den Kaiserfrühling rund um die Stiftskirche. „Wir haben davon in der MZ gelesen“, erzählt Familie Mohr. „Wir kommen aus dem Speckgürtel von Düsseldorf und machen im Südharz Urlaub. Da bot es sich förmlich an, mal nach Quedlinburg rüberzufahren. Das Fest ist gelungen und die Altstadt einfach sehenswert. Wir werden nicht enttäuscht.“
Eine kürzere Anreise hatten die Darsteller von „Tempus Saltus„ aus Sangerhausen. Sie unterhielten das Publikum mit „Das Schaf als Missetäter – eine (un)mögliche Geschichte“. Aber auch Stammgäste wie „Scherbelhaufen“ mit alten Liedern und „La Marotte“ sorgten für gute Stimmung. So manches „Ah“ und „Oh“ hörte das Duo „Feurioso“ bei ihrem Heimspiel. Die Fakir-Gaukler wiesen ihre Zuschauer immer wieder darauf hin, dass ihre Nummern nicht zum Nachmachen geeignet sind. Welche Frau lässt auch auf ihrem Bauch eine Betonplatte per Hammer zertrümmern oder legt sich freiwillig auf einen Haufen Glasscherben.
Dass „Feurioso“ das beherrscht, beweist das Paar auf vielen Mittelaltermärkte oder zum „Advent in den Höfen“. der kleine Bela, der Sohn der mittelalterlichen Lederhändlerin aus Chemnitz, der kurz auf dem Fakir-Brett stand, war jedenfalls von den Kunststücken völlig fasziniert.
