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Harzkreis Harzkreis: Blaue Flügelmarke wird Rotmilan zum Verhängnis

Von FRANK RUPRECHT 20.08.2010, 14:46

HEDERSLEBEN/MZ. - Robin Schmidt (24) traute seinen Augen nicht: Er konnte kaum glauben, was er da am 10. August sah. In einer toten Pappel im Hakel (europäisches Vogelschutzgebiet) am Feldweg zwischen Heteborn und Hedersleben hing ein ausgewachsener Rotmilan unbekannten Alters fest. "Eigentlich hat ihn mein Arbeitskollege aus der Agrargenossenschaft Hedersleben entdeckt", sagte er.

Was genau der Grund für diese missliche Lage des Greifvogels in luftiger Höhe war, entdeckten sie kurz darauf. Eine der beiden blauen Flügelmarken, etwa zehn bis zwölf Zentimeter lang und fünf Zentimeter breit und aus einem Wachstuch ähnlichem Material, wurde dem Milan zum Verhängnis. Schmidt vermutet, dass die breite Lasche der Marke mit der Nummer 379 bei Flügelschlägen des Tieres über einen Ast gerutscht ist und somit kein Entkommen mehr möglich war. "Diese Flügelmarken werden von Ornithologen wahrscheinlich zu Forschungszwecken angebracht", mutmaßt der Naturfreund. Für ihn ist aber die Praxis mit den Flügelmarken nicht mehr zeitgemäß. "Gibt es nicht modernere Varianten der Bemarkung, so dass die Vögel nicht aussehen wie ein Papagei?", stellt er die Frage. Das sei vielleicht auch mit Chips möglich, wenn es schon der Forschung dienen solle, denkt er.

Dann die spektakuläre Befreiungsaktion: Vorsichtig wurde das marode Totgehölz erklettert. Als der Vogel dann schließlich befreit war, mussten die Retter mit Entsetzen feststellen, "dass der Milan schon fast tot war." Keiner weiß genau, wie lange das arme Tier dort schon im Geäst gefangen war. Inzwischen waren der Thalenser Tierarzt Thomas Kühne und der Revierleiter Forst Hakel, Falko Friedel, benachrichtigt worden und herbeigeeilt. Laut Schmidt habe dann Tierarzt Kühne die beiden Marken von den Flügeln entfernt mit der Begründung, dass solch "vorsintflutliche Sachen" nichts an einem Vogel zu suchen haben. Dann wurde das völlig erschöpfte Tier nach der Erstversorgung mit Wasser in den Thalenser Tierpark gebracht.

Tierparkchef Uwe Köhler kann nun Gutes über den Zustand des Milans berichten, obwohl er ihn nicht von Anfang an betreut hat. Die Erstversorgung im Tierpark hatte Eckhard Kartheuser, Tierpfleger und Naturschützer, übernommen. "Ihm geht es jetzt deutlich besser, er frisst und sitzt wieder, hat wieder ein normales Verhalten", sagte er gegenüber der MZ. Normales Verhalten? "Er stellt sich tot, wenn man in sein Revier eindringt", erzählt Köhler über das Verhalten des Tieres. Die ärztliche Versorgung seit der Einlieferung beschränkte sich auf das Nähen der Flughaut und auf die Medikation. "Wenn wir in zehn bis 14 Tagen feststellen, dass die Flughaut wieder belastbar ist, kommt er ins Fluggehege und kann dann auch bald wieder frei gelassen werden", meinte der Experte, anfangs noch optimistisch. Doch nach der Untersuchung am Freitag von Tierarzt Thomas Kühne kam die Ernüchterung und Hiobsbotschaft. "Zu 75 Prozent kann der Milan nicht mehr fliegen, weil die Flughaut so schlimm verletzt wurde", meint auch Köhler. "Es war Glück und Zufall, dass es am Feldweg passierte und der Baum keine Blätter mehr hatte. Sonst wäre der Milan verendet", beschreibt Robin Schmidt im Nachhinein die missliche Situation des Vogels und seine Rettung. Für ihn steht aber auch die Frage, ob es bisher der einzige Milan war, der wegen solcher Flügelmarken in solch eine unglückliche Situation geraten ist oder ob Tiere deswegen schon verendet sind. Eine Dunkelziffer, die wohl niemand kenne.