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Harz Harz: Mit detektivischem Spürsinn Lebenswege nachgezeichnet

Von RITA KUNZE 28.04.2011, 17:51

BALLENSTEDT/MZ. - Das Schicksal von Carin Denstorff ist aufgeklärt. Die Ballenstedter Jüdin wurde im Dritten Reich deportiert - wie andere Einwohner der Kleinstadt auch, an die so genannte "Stolpersteine" erinnern. Dass die Erinnerung an sie wach gehalten wird, ist nicht zuletzt zwei jungen Frauen zu verdanken. Johanna Krampitz und Maria Mendel, Schülerinnen des Wolterstorff-Gymnasiums, haben ein anfängliches Schulprojekt von sich aus weitergeführt. Mit Ausdauer und geradezu detektivischem Spürsinn beschäftigten sie sich mit der Geschichte der Juden in ihrer Heimatstadt. Nun konnten sie die bislang detaillierteste Dokumentation vorlegen, die es zu diesem Thema in Ballenstedt gibt.

Spärliche Hinweise

"Carin Denstorff war unser Sorgenkind", sagt Johanna Krampitz und beschreibt damit die wenigen Informationen, die es anfangs über die Frau gab, und die Schwierigkeiten, mehr über sie herauszufinden: "Wir nehmen sehr stark an, dass sie Jüdin gewesen ist, obwohl sie überall als evangelisch eingetragen war."

In Bibliotheken und im Internet, in alten Standesamtunterlagen, in Kirchenbüchern und Straßenverzeichnissen haben die Schülerinnen recherchiert. Hilfe bei ihren Nachforschungen bekamen sie auch vom Historiker Bernd Ulbrich, vom Landeshaupt- und dem Bundesarchiv. Der entscheidende Hinweis im Fall Denstorff kam jedoch aus ganz anderer Richtung: "Eines Tages haben wir übers Internet-Telefonbuch den Nachnamen eingegeben. Wir wollten alle anrufen, die Denstorff heißen. Gleich beim ersten Versuch hatten wir Glück", erzählt Johanna.

Am anderen Ende der Leitung habe sich ein Herr gemeldet, der ihnen schließlich einen Stammbaum schickte. "Das war so eine Rolle", sagt Johanna und breitet die Arme nach beiden Seiten aus. "An einem Ende stand tatsächlich Carin Denstorff." Und die sei wenige Tage vor ihrer Hochzeit, am 24. April 1909, getauft worden.

Zwei Irrtümer

Im Ergebnis der Nachforschungen der beiden Schülerinnen müssen nun auch zwei "Stolpersteine" korrigiert werden. So habe sich unter anderem herausgestellt, dass Ernst Schäfer aus der Wasserstraße 2 kein Jude war und nicht deportiert worden ist. "Er ist im Standesamt und im Gemeindebuch der Nicolaigemeinde als evangelisch eingetragen", sagt Maria Mendel. Dass ihm ein Stolperstein gewidmet wurde, liegt wohl an einer Verwechslung, vermutet die Schülerin: "In der Wasserstraße 2 stand das Wohnhaus des Rabbiners. Dort befand sich auch der Durchgang zur Synagoge."

Ein anderer Gedenkstein ist Arthur und Hedwig Israel gewidmet. Doch Hedwig, die Mutter von Arthur Israel, sei bereits 1935 und damit vor den Deportationen von 1942 gestorben. Bettina Fügemann vom Verein "Akzente", die die Aktion "Stolpersteine" in Ballenstedt initiiert hat, ist für diese neuen Erkenntnisse dankbar: "Es wäre fatal, hier eine falsche Orientierung zu geben", sagt sie. Als der Verein vor rund zehn Jahren die Recherchen aufnahm, habe das zur Verfügung stehende Material nicht mehr hergegeben. Der Stein in der Wasserstraße 2 soll allerdings nicht entfernt, sondern mit einer neuen Aufschrift versehen werden. Dann ist nachzulesen, dass sich dort das Wohnhaus des Rabbiners von Ballenstedt befand. Korrigiert werden soll auch die Aufschrift auf dem Gedenkstein für Arthur und Hedwig Israel in der Breiten Straße 2.