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Hallen des Anstoßes Hallen des Anstoßes: Wurde die Stadt von Sun5 gelinkt?

Von Ingo Kugenbuch 17.02.2020, 08:55
Das machte manchen stutzig: Auf der Luftaufnahme von September 2015 stehen zwar die Solarmodule, die Hallen sind aber nur durch eine Art Trampelpfad erreichbar - nicht gerade Zeichen einer intensiven Produktion.
Das machte manchen stutzig: Auf der Luftaufnahme von September 2015 stehen zwar die Solarmodule, die Hallen sind aber nur durch eine Art Trampelpfad erreichbar - nicht gerade Zeichen einer intensiven Produktion. Redaktion

Wernigerode - Matthias Winkelmann nimmt kein Blatt vor den Mund. „Man hat die Stadt Wernigerode reingelegt“, sagt der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion der MZ. Was ihn so auf die Palme bringt, ist eine Anzeige auf dem Portal „eBay Kleinanzeigen“: „6.235 qm Gewerbefläche im Industriegebiet Wernigerode zu vermieten“, heißt es dort.

Die Halle im Industrie- und Gewerbegebiet „Am Smatvelde“ und die zweite baugleiche daneben beschäftigen Winkelmann schon seit Jahren. Er geht davon aus, dass der Erbauer und Betreiber der beiden von der Autobahn 36 aus gut sichtbaren Gebäude, die Firma „Sun5“, die günstigen Ansiedlungsbedingungen sowie Fördergeld genutzt hat, ohne hier entsprechende Produktionsanlagen aufzubauen. Sein Verdacht: Die Hallen stehen leer und erzeugen durch die auf den Dächern montierten Photovoltaikanlagen Strom - und Geld.

„Im Endeffekt ist das eine Fläche, auf der einfach nur eine Solaranlage steht“, sagt Winkelmann. „Es ist Steuergeld, was hier verpulvert wird.“

Schon im Jahr 2016 Kritik am im Fachausschuss geäußert

Deswegen hat der CDU-Politiker das Thema in der jüngsten Sitzung von Haupt- und Finanzausschuss aufs Tapet gebracht. Und nicht nur dort: Bereits als der Wirtschaftsausschuss die Firma „Sun5“ im Oktober 2016 besichtigte - Ausschussvorsitzender war damals übrigens der heutige Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) -, gefiel ihm gar nicht, was er sah: „Herr Winkelmann (Fraktion CDU/HundG) äußert Kritik an der Unternehmensvorstellung der Firma Sun5 GmbH“, heißt es im Protokoll der damaligen Wirtschaftsausschuss-Sitzung.

„Laut Handelsregisterauszug müsste dort eine Holzfertigungsstrecke vorhanden sein. Diese existiere jedoch nicht. Tatsächlich erfolge die Fertigung von Photovoltaikanlagen und das in sehr geringem Umfang. Herr Winkelmann fühlt sich und den Stadtrat getäuscht.“

Rund 6,8 Millionen Euro an Fördermitteln geflossen

In der Tat sind für das neueste, 70 Hektar große Wernigeröder Gewerbe- und Industriegebiet laut Wirtschaftsministerium in Magdeburg rund 6,8 Millionen Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) an die Stadt geflossen. „Sun5“ hat sein Grundstück für günstige 6 Euro pro Quadratmeter gekauft. Das ist laut Stadtverwaltung ein „Fördervorteil“ von knapp 13 Euro.

Da bei archäologischen Untersuchungen auf dem Gelände des Unternehmens jedoch „archäologische Funde in Größenordnungen“ aufgetreten seien, habe sich der 13-Euro-Vorteil „erheblich reduziert“, da für die Ausgrabungen die Firma aufkommen muss.

Unternehmen war verpflichtet, alle Auflagen zu erfüllen

Weitere 1,3 Millionen Euro wurden 2013 aus dem GRW-Programm direkt für die Firma bewilligt und laut Ministerium „nach Vorlage der bezahlten Rechnungen ausgezahlt“. Nach Abschluss der Investition sei die „Verwendungsnachweisprüfung“ durch die Investitionsbank ohne Beanstandungen verlaufen.

Von Oktober 2014 bis September 2019, so das Wirtschaftsministerium, war „das Unternehmen verpflichtet, alle Auflagen aus dem Förderbescheid (wie etwa die Aufrechterhaltung der Produktion sowie die Schaffung und dauerhafte Besetzung von Arbeitsplätzen) zu erfüllen.“ Und dies sei augenscheinlich auch geschehen. Das bestätigt auch die Stadtverwaltung: „Sun5“ habe die Einhaltung der Förderrichtlinien gegenüber der Investitionsbank und dem Steuerberater des Unternehmens nachgewiesen. Zudem sei ein Umsatznachweis beim Finanzamt erfolgt.

„Wir haben immer versucht, alles strikt einzuhalten“, sagt Hartmut Kryszon

Hartmut Kryszon, Geschäftsführer der Firma „Sun5“, will die ganze Aufregung nicht verstehen. Er habe die Förderauflagen stets eingehalten: die Beschäftigung von mindestens sieben Mitarbeitern sowie die Ausbildung von Lehrlingen. Bei „Sun5“ arbeiteten im Schnitt zehn Personen - was wiederum von der Wernigeröder Stadtverwaltung bestätigt wird.

„Wir haben immer versucht, alles strikt einzuhalten“, sagt Kryszon. „Wir wollten auf keinen Fall etwas falsch machen.“ Was die Sonnenstromproduktion betrifft, sagt er: „Es wäre Quatsch, zwei Hallen zu bauen und zu pflastern, nur um auf dem Dach Strom zu erzeugen.“ Allein die Pflasterung der Hallenböden habe etwa eine Million Euro gekostet. Daher sei die Photovoltaik nur ein Nebengeschäft.

Absatz von Balkonkraftwerken hat sich nicht entwickelt

In einer der Hallen würden Holzkonstruktionen und kleine Photovoltaikanlagen produziert, in der anderen sollten die dafür nötigen Solarpaneele gelagert werden, so Kryszon. Mit den so genannten Balkonkraftwerken ist es möglich, auf dem Balkon, dem Gartenhäuschen oder der Terrasse seine eigene Energie zu erzeugen und damit die Stromrechnung zu drücken.

Doch die gesetzlichen und bürokratischen Hürden seien hoch - und so habe sich der Absatz nicht so entwickelt, wie Kryszon, der nach eigenen Angaben zahlreiche Photovoltaik- und Immobilienfirmen betreibt, es sich erhofft hatte. Deshalb wolle er nun auch die leerstehende Halle vermieten.

Er habe zunächst erwogen, in der Halle auf mehreren Stockwerken Salatköpfe in einer Nährlösung wachsen zu lassen, fürchte aber, nicht die dafür nötigen Arbeitskräfte zu finden, sagt Kryszon. In einem sei er sich aber sicher: „Ich nehme nie wieder Fördergeld in Anspruch.“ (mz)

Eine der Hallen steht bei „eBay Kleinanzeigen“ zur Vermietung.
Eine der Hallen steht bei „eBay Kleinanzeigen“ zur Vermietung.
Kugenbuch