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Gerangel um neue Kinderheimplätze

Von Frank Ruprecht 17.04.2008, 16:40

Gernrode - Mittlerweile ist auch eine Bürgerinitiative, die sich aus einigen betroffenen Anwohner gegründet hat, aktiv geworden und sammelte einige hundert Unterschriften gegen das Ansinnen der Stiftung Evangelischer Jugendhilfe St. Johannis mit Sitz in Bernburg, der dieses Objekt seit einigen Jahren gehört. Die will laut Bürgerinitiative ihr dortiges Tagungshaus zur "Außenwohngruppe für benachteiligte Jugendliche" umwandeln.

Demnach sollen dort 18 Jugendliche mit zwei Erziehern untergebracht werden. "Die Bürgerinitiative lehnt diese Umnutzung zu einem weiteren Kinder- und Jugendheim in Gernrode nachhaltig ab", heißt es in einem Schreiben der Bürgerinitiative.

Heim schon vorhanden

In Gernrode sei bereits ein "relativ großes" Heim in der Trägerschaft des Kinder- und Jugendhilfswerkes für "benachteiligte und auch straffällig gewordene Kinder und Jugendliche" vorhanden. Und im besagten Objekt in der Friedrich-Engels-Straße werde schon eine Tagesgruppe betreut. "In der Gernröder Grundschule, die unweit des Tagungshauses gelegen ist, sowie in der Sonderschule in der Nachbargemeinde Bad Suderode, werden bereits jetzt benachteiligte Kinder und Jugendliche aus dem DRK-Kinderheim Friedrichsbrunn, aus einer Einrichtung in Harzgerode, aus dem Heim in Gernrode und aus dem Kinder- und Jugendheim Ballenstedt unterrichtet, was leider - bei allem Verständnis für Probleme der Betroffenen - zu nicht unwesentlichen Beeinträchtigungen des Schulbetriebes führt", heißt es im Schreiben weiter.

Vandalismus-Straftaten

Dass allerdings sei nicht der alleinige Grund für eine Ablehnung des Vorhabens der Bernburger Stiftung. Zudem sei es in den vergangenen Jahren in Gernrode und im Umfeld "leider immer wieder zu zahlreichen Vandalismus-Straftaten, deren Verursacher wenigstens teilweise und nachweislich Jugendliche aus dem hiesigen Kinder- und Jugendheim waren", gekommen.

Deshalb werde bei einer Ausweitung der Kinder- und Jugendheimplätze, wie sie die Stiftung Bernburg anstrebe, leider befürchtet, dass das Vandalismus-Problem damit zunehmen würde. "Für den staatlich anerkannten Erholungsort und seine Bürger ist dies nicht tolerierbar", sagte Bürgermeister Werner Grundmann (FDP) vor den Stadträten, als er das Schreiben der Bürgerinitiative dort zur Kenntnisnahme verlas. "Aus den genannten Gründen sprechen wir uns nachhaltig gegen den Ausbau der Heimplätze aus." Und vor wenigen Tagen ist die initiierte Unterschriftensammlung unter anderem an Landrat Michael Ermrich (CDU) und an den Präsidenten der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Helge Klassohn, mit einer Begründung der Ablehnung geschickt worden, wie Grundmann bestätigte.

Als überzogen bezeichnet Birgit Haude, zuständige Bereichsleiterin der Stiftung in Bernburg, die Aktion der Bürgerinitiative. "Das ist alles völliger Unsinn und Quatsch", sagte sie. Im Antrag zur Umnutzung des Tagungshauses, der im Dezember 2007 an das Bau- und Planungsdezernat des Landkreises Harz gestellt wurde, sei die Rede von viel weniger Kindern.

"Es sind lediglich sechs Kinder, vier Erzieher und eine Gruppenmutti, wie es die gesetzlichen Richtlinien vorgeben. Das ist der normale Standard", sagte Frau Haude (43), staatlich anerkannte Erzieherin, systemische Familientherapeutin. Die Kinder seien im Alter zwischen Null und 14 Jahren, und "natürlich benachteiligte Kinder" - allerdings nicht im Sinne von "Kleinkriminellen". Es seien Kinder, die von Heilpädagogen therapeutisch betreut werden müssen, weil sie ihre eigene Probleme nicht selbst bewältigen können, verhaltensauffällig sind und dadurch zum Beispiel Lernschwächen haben.

Start nach Genehmigung

Die Stiftung aus dem Nachbarlandkreis hatte eigentlich geplant, mit Beginn des Jahres die Umnutzung zu realisieren. Doch nun steht erst nach Ende diesen Monats mit dem Ablauf der Frist für Stellungnahmen seitens der Stadt Gernrode eine Zu- oder Absage der Landkreisbehörde ins Haus. "Wenn wir die entsprechende Genehmigung haben, können wir sofort loslegen", erzählte Bereichsleiterin Birgit Haude. Und es stimme sie eigentlich auch nachdenklich, "wenn jemand Kindern die Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme derart verweigern will".