1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Die Geschichte vom "Schierker Feuerstein": Die Geschichte vom "Schierker Feuerstein": Magenbitter aus der Apotheke

Die Geschichte vom "Schierker Feuerstein" Die Geschichte vom "Schierker Feuerstein": Magenbitter aus der Apotheke

Von Andreas Bürkner 16.10.2014, 17:07
In der Apotheke von Willy Drube, begann vor über 100 Jahren die Geschichte des Schierker Feuersteins.
In der Apotheke von Willy Drube, begann vor über 100 Jahren die Geschichte des Schierker Feuersteins. Chris Wohlfeld Lizenz

Schierke - „In dieser Erdengrube ruht Apotheker Drube. Oh Wanderer, eile fort von hier, sonst kommt er raus und trinkt mit Dir!“ Mit diesem Spruch in goldener Schrift hat sich der Erfinder des Schierker Feuersteins auf dem Friedhof des Ortes verewigen lassen. Schon Anfang der 1930er Jahre wählte ihn der humorvolle Apotheker Willy Drube als Grab-Inschrift selbst bei einem Preisausschreiben aus.

Was er zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht ahnen konnte: Die Entwicklung seines 1924 patentierten Kräuter-Halbbitters erlebte in den folgenden zwei Jahrzehnten einige Wendungen. Sie machte den Schierker Feuerstein sogar zu einem deutsch-deutschen Produkt. Erst nach dem Mauerfall gab es auch in der Firma eine „Wiedervereinigung“.

Gegen Verdauungsprobleme

Begonnen hatte die Geschichte 1908, als der 28-jährige Willy Drube die Konzession für die Apotheke „Zum roten Fingerhut“ in Schierke erhielt, in einem mit Ornamenten und goldener Schrift reich verzierten Fachwerkhaus von 1895. Neben allerlei Tinkturen und Arzneien mischte Willy Drube auch ein besonderes Elixier. „Immer wieder musste er nachts wegen Verdauungsproblemen der Kurgäste nach allzu fetten Mahlzeiten raus“, erzählt die Urenkelin des Gründers und heutige Chefin, Britta Möller. „Statt mit Pülverchen die Symptome zu lindern, bekämpfte er mit der flüssigen Mixtur die Ursachen.“ So wurde der „Schierker Feuerstein“ geboren, dessen Geschichte in der alten Apotheke in Schierke bei Führungen nachvollzogen werden kann.

Produktion in größeren Mengen ab 1924

Mit dem Erwerb des Patents 1924 konnte die Produktion in größeren Mengen beginnen. Den Namen verdankte das Getränk der rötlichen Farbe vom Granit der „Feuersteinklippen“ bei Schierke. Noch heute ist die Felsformation die goldene Verzierung des roten Etiketts auf den Flaschen mit dem unverwechselbaren Inhalt. „Die rote Farbe der Verpackung wurde erst Anfang der 1970er Jahre eingeführt“, weiß Walter Möller, der Gatte und Mitgeschäftsführer der Urenkelin.

Schnell wurde die „Medizin aus der Flasche“ zum Renner. Zur Hochzeit einer seiner zwei Töchter ließ Willy Drube sogar einen Brunnen vor der Apotheke aufstellen, aus dem am Hochzeitstag nur der dunkelrote Saft nach dem Originalrezept floss.

Mehr zum Thema lesen Sie auf der folgenden Seite.

Während des Zweiten Weltkrieges kam die Produktion weitgehend zum Erliegen, wurde aber danach wieder aufgenommen. Als sich in der jungen DDR 1952 eine Abschottung gegenüber dem Westen abzeichnete, verließ Drubes Tochter Margrit mit ihrem Ehemann Ernst Geyer und dem Originalrezept ihres Vaters Schierke in Richtung Bad Lauterberg. Fortan wurde der „echte“ Kräuter-Halbbitter im Westharz produziert. Noch im gleichen Jahr starb Willy Drube und fand seine letzte Ruhe auf dem Schierker Friedhof.

Am Fuße des Brockens wurde unter Leitung von Ingeburg Dobberkau, der Enkelin von Drube und Tochter von Erika Dobberkau, nach einer abgespeckten „Kriegsrezeptur“ des Erfinders gearbeitet. Im Krieg blieben Zutaten aus Übersee ebenso aus wie in der DDR. „Im Osten schmeckte er wegen des größeren Zuckeranteils deutlich süßer“, erläutert Möller den Unterschied. Trotzdem blieb der Schierker Feuerstein äußerst begehrt und diente auch als „Tauscheinsatz“ für andere Mangelwaren.

1972 verstaatlichte die Republik die Firma im Ostharz zum VEB Schierker Feuerstein, als Teil des Getränkekombinates Magdeburg. Das grünlich-braune Etikett blieb ebenso wie der Einfluss der Familie im Betrieb mit Ingeburg Dobberkau bis zur ihrem Renteneintritt erhalten.

Erst nach der „Wende“ 1990 kehrte die Firma dank der Bemühungen von Dieter Geyer, dem Enkel Willy Drubes, nun als Schierker Feuerstein KG an den Ursprung zurück. Das Stammhaus wurde aufwendig renoviert und modernisiert. Alle Mitarbeiter aus Schierke wurden übernommen und stellten fortan nur noch Schierker Feuerstein nach dem Original-Rezept von Willy Drube her - bis heute.

Als Basis werden seit über 100 Jahren die Geschmacksstoffe der edlen Kräuter und Wurzeln in einem Tank mit reinem Weingeist schonend extrahiert. Die Kräuteraufbereitung nach der geheimen Rezeptur findet in Schierke statt. Das Ergebnis, „Mazerat“ genannt, lagert bis zu zwei Jahre in Tanks, wird dann gefiltert und mit Alkohol sowie Wasser vermischt, bevor es in den Flaschen landet.

Das Abfüllen erfolgt auf den modernen Anlagen im Bad Lauterberger Betrieb. „In einer Stunde können sieben- bis elftausend 0,7-Liter-Flaschen gefüllt werden, bei Miniaturflaschen sind es sogar zwölf- bis zwanzigtausend in 60 Minuten“, weiß Walter Möller, der als gelernter Destillateur- und Brennmeister in das Familienunternehmen mit derzeit 28 Mitarbeitern einheiratete. Ab 2007 übernahmen er und Willy Drubes Urenkelin Britta Möller von Dieter Geyer die Leitung der Firmen, die im selben Jahr zur GmbH & Co. KG vereinigt wurden. Über eigene Außendienstmitarbeiter und Handelsvertretungen wird der Likör, der dank der Kräfte der Kräuter für das Wohlbefinden vom Magen her sorgen soll, millionenfach in Deutschland verkauft. Und die fünfte Generation der Familie, Britta und Walter Möllers Söhne Florian (17) und Justus (15), könnten diese Tradition einmal fortsetzen. „Dazu zwingen werden wir sie allerdings nicht“, sind sich die Eltern einig. (mz)

Willy Drube
Willy Drube
Chris Wohlfeld Lizenz
Schierker Feuerstein
Schierker Feuerstein
Chris Wohlfeld Lizenz
Mitarbeiterin Christa Mehner zeigt die „Typisch Harz“-Urkunde.
Mitarbeiterin Christa Mehner zeigt die „Typisch Harz“-Urkunde.
Chris Wohlfeld Lizenz