Deutsches Rotes Kreuz Deutsches Rotes Kreuz Quedlinburg: Abschiedsparty nach vielen Jahren Rettungsdienst

Quedlinburg - Es ist der 27. Dezember 2018. Um 18.30 Uhr geht eine Ära in Quedlinburg zu Ende. Notfallsanitäter Thomas Lucke rückt zum letzten Mal aus der DRK-Rettungswache in Quedlinburg aus.
„Ein kardiologisches Problem, medizinisch eine Herzgeschichte“, deutet er kurz an. Doch es geht an diesem Abend nicht nur um den Patienten, sondern um eine Herzenssache.
Der Älteste unter den Notfallsanitätern, von den jüngsten Mitstreitern beim Rettungsdienst in der Ballstraße als Praxisanleiter hoch geschätzt, setzt wohl nicht ganz zufällig den Schlusspunkt unter rund sieben Rettungs-Jahrzehnte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der Welterbestadt. Ab 19 Uhr an dem Abend übernimmt der Malteser Hilfsdienst die Aufgaben des Rettungsdienstes in Quedlinburg.
Rund 70 DRK-Angehörige kamen zusammen
Einen Abend später sitzt Lucke, der seit 1981 „an Bord“ ist, mit rund 70 Weggefährten an einem Tisch, im Hintergrund laufen Ausschnitte aus dem Film „Titanic“, Blaulichter blinken durch den Raum der Quedlinburger Feuerwehr-Zentrale.
Die Ditfurter Saurier-Disco spielt die passende Musik dazu. Hier treffen sich Retter; vom DRK, der Feuerwehr, Polizisten, Notärzte und vertraute Gesichter aus der Notaufnahme. Selbst in der liebevoll gepflegten Einsatzkleidung der Schnellen Medizinischen Hilfe vom Ende der DDR-Zeit erscheint ein einstiger Mitstreiter.
„Kein Mitarbeiter des Rettungsdienstes wird arbeitslos”
„Unsere Idee ist es, nochmal zusammenzukommen, uns bei denen zu bedanken, die unseren Weg begleitet haben und über alte Zeiten zu reden“, erklärt Thomas Lucke. Ihre Wege werden sich nun trennen.
„Nein, kein Mitarbeiter des Rettungsdienstes wird heutzutage arbeitslos, solch qualifiziertes Personal wünscht sich jeder. Aber man sollte schon mal auf die künftigen Arbeitsbedingungen schauen“, stellt er heraus. Auch die verbargen sich im sprichwörtlichen Eisblock, mit dem die DRK-Titanic kollidierte.
Lucke und seine Kollegen hatten sich auf ihre erst Anfang August für rund 600.000 Euro ausgebaute Rettungswache in der Ballstraße gefreut. Nun arbeitet ein Teil der Truppe bei den Maltesern, andere wechseln zum ASB oder wie Lucke in die Eilenstedter DRK-Rettungswache. Man will die Quedlinburger Kontakte weiter pflegen.
Beim Betrachten alter Fotos kommen Erinnerungen hoch
Für viele der Kollegen hat das DRK mehr als nur die Ausschreibung verloren. Die Titanic-Party wird schnell zur Geschichtsstunde. Liebevoll trugen die Rettungsdienst-Mitarbeiter Devotionalien aus 90 Jahren Historie zusammen:
Ein Foto des ersten Krankentransporters, mit dem die Städtische Feuerwehr bis 1937 unterwegs war, das alte Schild der Rettungswache, ein Notfallstimulator, das EKG-Gerät aus russischer Produktion, sogar ein Notfallamputationsset und den schweren Defibrillator.
Über Fotos gebeugt erinnert man sich an alte Gefährten; Thomas Luckes Vater, der bis 1961 dabei war, an Dieter Müller, der längst tot ist und an den geschätzten „Dr. Blaulicht“.
Notfallmediziner Klaus Schmidt erinnert an die Jahre des Aufbaus
Es ist zu spüren, hier läuft keine flotte Motto-Party, sondern Emotionen brechen sich Bahn. Dringende medizinische Hilfe, SMH, der Schritt vom Facharbeiter für Krankenpflege zum Rettungsassistenten und Notfallsanitäter, viele Erinnerungen kommen da auf.
„Hätte mir vor 30 Jahren jemand erzählt, wie 2018 unser Berufsbild aussieht, ich hätte nur den Kopf geschüttelt“, wirft Thomas Lucke ein, der einst über den Dienst als Rettungsschwimmer zum Roten Kreuz fand.
„Nur ein Atemstillstand hätte mich davon abhalten können, hier zu stehen“, gesteht der bekannte Notfallmediziner Klaus Schmidt. Er hat die Pionierzeiten des Aufbaus eines Rettungsdienstes in der Region Quedlinburg mitgestaltet. „Wir haben unsere Arbeit gut und auch gerne gemacht.“
Schmidt, Jahrgang 1963, zählt zu den „wenigen noch lebenden Notärzten, die als Zeitzeugen auftreten können“. In gewohnt satirischer Art, schließlich hat er einst im gerade abgewickelten Letterado-Verlag seine Erfahrungen aus der Notfallaufnahme publiziert, erzählt er von den „Harten Jungs vom Blaulicht-Taxi“.
So überreicht er jedem der anwesenden Weggefährten eine Sonderedition seines Werkes, das wie der Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Quedlinburg „zum Jahreswechsel aus den Buchhandlungen verschwindet“. (mz)
