Christdemokraten befördern AfD-Vertreter zum stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden CDU reißt in Quedlinburg die Brandmauer zur AfD nieder
Martin Michaelis wird auf der konstituierenden Sitzung in Quedlinburg mit deutlicher Mehrheit und Stimmen aus anderen Fraktionen zum stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden bestimmt.

Quedlinburg/MZ. - Die AfD ist nicht nur mit neun Mandatsträgern in den neuen Quedlinburger Stadtrat eingezogen und damit bis auf ein Mandat an die CDU herangerückt. Sie stellt mit Martin Michaelis auch den stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums, der in geheimer Wahl mit einer deutlichen Mehrheit gewählt wurde. Und vielen Stimmen aus anderen Fraktionen – wohl vor allem aus der CDU, weil die dritte große Fraktion SPD/Linke/Grüne einen eigenen Kandidaten stellte. Dem Stadtrat gehören insgesamt 36 Mandatsträger sowie Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) an.
Sylvia Marschner (CDU) wird erneut Stadtratsvorsitzende
Zur Vorsitzenden wählte der Stadtrat erneut Sylvia Marschner (CDU). Sie war durch die CDU-Fraktion vorgeschlagen worden. Reinhard Fiedler, Vorsitzender der AfD-Fraktion – ihr gehören acht Stadträte an, ein AfD-Ratsmitglied ist fraktionslos – beantragte eine geheime Wahl. In dieser votierten 26 der 35 bei der Sitzung anwesenden Ratsmitglieder für Sylvia Marschner.
Die AfD-Fraktion schlug als ersten Stellvertreter Martin Michaelis vor. Die Fraktion SPD/Linke/Grüne, von deren acht Räten sieben anwesend waren, benannte Dave Sander (Grüne). In geheimer Abstimmung – von CDU-Fraktionschef Ulrich Thomas als „wie bei Personenwahlen üblich“ beantragt – votierten 23 Stadträte für Michaelis.
Ermittlungsverfahren der Kirche gegen parteilosen Pfarrer
Der Pfarrer hatte als Parteiloser auf der Liste der AfD kandidiert. Die evangelische Kirche in Mitteldeutschland hatte deshalb unter Verweis darauf, dass der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband als rechtsextrem eingestuft habe, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet; mit seiner Kandidatur, hieß es, unterstütze er mutmaßlich die Programmatik der Partei. Michaelis hatte das zurückgewiesen.
Oberbürgermeister Ruch verwies auf Anfrage auf die geheime Wahl. Und – auch mit Blick auf Reaktion in der Landes-SPD, die vom Einreißen einer Brandmauer sprach – auf Bauausschusssitzungen in Quedlinburg in der vergangenen Wahlperiode: „Wenn man auf eine Brandmauer schwört, dann darf man auch nicht in Ausschusssitzungen mit AfD-Mitgliedern gemeinsame Sache machen.“ Eine Brandmauer habe für ihn keinen Sinn; die „lässt absolut keine Kommunikation zu, und das halte ich für falsch“, so Ruch weiter.
„Wir werden sehr genau hinschauen, wie sich die erstarkte AfD-Faktion positioniert“
„Ich halte eine demokratische Schwelle für richtig“; solange „Personen im demokratischen Spektrum bleiben und nicht aus dem braunen Sumpf heraus agieren“, halte er Kommunikation für wichtig. „Wir werden sehr genau hinschauen, wie sich die erstarkte AfD-Faktion positioniert“, sagte Ruch – und ebenso, wie das „linke Lager“ sich artikuliere. „Wir müssen alle Fraktionen in den Aufgaben stellen, um den Bürgern zu zeigen, so stehen sie zu den konkreten Aufgaben und so erfüllen sie diese.“
Wie viele Räte in der geheimen Wahl für Dave Sander als ersten Stellvertreter votierten, wurde in der Sitzung nicht öffentlich bekannt gegeben; eine Nachfrage bei der Stadt blieb unbeantwortet. Erneut vorgeschlagen, wurde Sander dann zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Drei große und zwei kleine Fraktionen im Quedlinburger Stadtrat
Neben den großen Fraktionen der CDU mit dem Vorsitzenden Ulrich Thomas und Stellvertreter Sebastian Petrusch, der AfD unter Vorsitz von Reinhard Fiedler und Stellvertreter Andreas Marscheider sowie SPD/Linke/Grüne mit dem Vorsitzenden Christian Schickardt (SPD) und den Stellvertreterinnen Helga Poost (Linke) und Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) gibt es zwei kleinere Fraktionen: Zur Freien Fraktion haben sich die insgesamt vier Räte der FDP, der Freien Wähler, der Unabhängigen Wählergemeinschaft „Bürger für Gernrode“ und des Vereins der Gewerbetreibenden und Selbstständigen Bad Suderode/Harz zusammengeschlossen; Fraktionsvorsitzender ist Lars Kollmann (FDP), Stellvertreter Paul Zehnpfund (Freie Wähler). Eine Fraktion bilden auch das Bürgerforum Quedlinburg und Die Partei mit insgesamt vier Abgeordneten; Vorsitzender ist Steffen Kecke, Stellvertreter Christian Wendler (beide Bürgerforum).
Als fraktionslose Stadträte arbeiten Roman Zelas (PfQ) und Nico Grün (AfD) mit.