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Berufsberatung in Quedlinburg Berufsberatung in Quedlinburg: Schockiert vom wahren Leben

Von uwe kraus 14.02.2014, 17:46

HALBERSTADT/QUEDLINBURG/MZ - Junge Leute haben nach der Schule die Qual der Wahl: Sie können zwischen 345 verschiedenen Berufen und 16.000 Studiengängen wählen, rechnet Marcella Lange, Teamleiterin Berufsberatung, Rehabilitation und Schwerbehinderte der Agentur für Arbeit Halberstadt, vor. Sie weiß, es ist eine Richtungsentscheidung, nicht unbedingt eine für das gesamte Berufsleben. „Das gibt es heute wohl nicht mehr. Aber unser Ziel ist es, den jungen Menschen den Start in den neuen Lebensabschnitt zu erleichtern.“

36 Prozent werfen das Handtuch

Freya Fuckert, Bereichsleiterin Operativ der Arbeitsagentur, machen eher die Fehlstarter zu schaffen. 2011 wurden insgesamt 12.411 Ausbildungsverträge abgeschlossen, 2012 nur noch 11.535 unterschrieben. Das spiegele die demografische Entwicklung wider. „Die Alarmglocken läuten aber, wenn im Harzkreis 2010 32,1 Prozent der Auszubildenden das Handtuch warfen und es 2011 sogar 36,2 Prozent waren.“

Damit liege die „Lösungsquote“ höher als der Durchschnitt der östlichen Bundesländer. Schwerpunkte dabei: Handwerk, Industrie, aber auch der Handel. Die Hälfte der Abbrecher ging im ersten Ausbildungsjahr, davon 57 Prozent noch in der Probezeit, die üblicherweise vier Monate dauert und in der beide Seiten ohne Angabe von Gründen das Ausbildungsverhältnis kündigen können. „Aber auch im dritten Ausbildungsjahr registrieren wir vermehrt Abbrüche, quasi auf der Ziellinie“, erläutert Marcella Lange. „Zumeist geht es da um Prüfungsängste. Aber aus unseren Erfahrungen weiß ich, wenn man sich rechtzeitig Hilfe holt, ist da noch was zu machen.“ Bevor das Kind in den Brunnen gefallen sei, sollte man den Dialog mit der Arbeitsagentur, der Handwerkskammer und der Schule suchen. Da bahnen sich oft schnell Lösungen an, die vor biografischen Brüchen bewahren. Manchmal wird nur in einen Ausbildungsbetrieb gewechselt, wo die Chemie besser stimmt.

Quedlinburg: Erzieher/in, Verwaltungsfachangestellte/r – Kommunalverwaltung, Steuerfachangestellte/r, Restaurantfachmann/-frau, Hotelfachleute, Koch/Köchin, Bankkaufleute, Anlagenmechaniker/in - Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Elektroniker/in - Energie- und Gebäudetechnik, Metallbauer/in - Konstruktionstechnik

Bad Suderode: Industriemechaniker/in

Thale: Hotelfachleute, Altenpfleger/in, Heilerziehungspfleger/in, Koch/Köchin

Harzgerode: Ergotherapeut/in, Koch/Köchin, Restaurantfachleute

Meisdorf: Hotelfachleute, Restaurantfachleute, Koch/Köchin

Ermsleben: Elektroniker/in - Geräte und Systeme

Ansprechpartner für alle Angebote in der Agentur für Arbeit unter

Telefon 03941/4 01 23

Rechtzeitig ist das Stichwort für Freya Fuckert. „Wir beginnen die projektbezogene Berufsberatung schon in der siebenten Klasse, ab der neunten Klasse setzen wir auf eine individuelle Betreuung.“ Marcella Lange sieht Praktika als ein hervorragendes Mittel, um Irrtümer bei der Berufswahl vorzubeugen. Immerhin verbringen die Schüler unabhängig vom darüber hinaus gehenden persönlichen Engagement allein in den letzten drei Schuljahren mindestens vier Wochen in der Berufspraxis. „Da sollte sich der Jugendliche aber auch etwas bewegen und gezielt im künftigen Wunschberuf oder wenigstens in der Branche arbeiten. Klar, mit Mutti oder Papi mitlaufen, oder in der Videothek jobben, das ist schön bequem. Und dann kommt im wirklichen Ausbildungsleben der Praxisschock“, weiß Freya Fuckert.

Keine hauptberuflichen Betreuer

Nicht jede Lösung des Ausbildungsvertrages sei negativ oder Schuld der Lehrlinge. Firmen-Insolvenzen, die plötzliche Studienplatzzusage - auch das falle in die Statistik. Weil die Arbeitsagentur ob der hohen Abbruchquoten aber in Sorge ist, suchen die Mitarbeiter der Berufsberatung intensiv nach Gründen. „Die liegen auf beiden Seiten. Betroffene sprechen von schlechtem Betriebsklima und Konflikten mit dem Ausbilder. Gerade im Handwerk muss das Unternehmen am Laufen gehalten werden, da gibt es keine hauptberuflichen Betreuer,“ erläutert Fuckert. Marcella Lange fügt an: „Immer wieder höre ich: Wir hatten völlig falsche Vorstellungen vom Job. Das finde ich in Anbetracht des Aufwandes, der von uns und den Schulen betrieben wird, traurig.“

Eine Lanze für die Schulen

Sie bricht für die Schulen eine Lanze. In Schulen wie in Ermsleben habe man gute Erfahrungen mit den Projekten gesammelt, was letztlich den Schülern zugute komme. „Jede der Schulen hat Programme, um die Jugendlichen auf die Berufswahl vorzubereiten. Das reicht von Brafo bis zum fast flächendeckenden Bop, was für Berufsauswahl Richtig Angehen Frühzeitig Orientieren und Förderung der Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten steht.“ Freya Fuckert wird noch deutlicher: „Die Eltern müssen dahinterstehen, ihre Kinder auch mal auf Praktika stoßen, nicht nur immer hätscheln, sondern auch etwas einfordern.“ Jeder könnte sich tiefgründig auf die Berufswahl vorbereiten.

Für Marcella Lange ist am Ende der 9. Klasse der entscheidende Moment gekommen. „Da sollten alle wissen, was sie wollen. Die Chancen auf eine Ausbildungsstelle waren in den letzten beiden Jahrzehnten nie so gut wie heute.“ So bleibe Zeit für Termine mit den Firmen und diverse Auswahlverfahren und Tests. „Wir haben gerade 6.500 Einladungen zum Tag der Berufe am 5. März verschickt. Dazu haben sich 40 regionale Unternehmen bereiterklärt, ihre Türen für Jugendliche und ihre Eltern zu öffnen, um ganz konkret vor Ort in den direkten Dialog mit potenziellen Lehrlingen treten zu können. Passen die Zensuren? Wie ist es mit der Berufsschule? Was bekomme ich an Geld? - alles wichtige Fragen“, findet Freya Fuckert.

Zudem biete die Arbeitsagentur mit dem Berufspsychologischen Dienst die Möglichkeit, eigene Stärken und Schwächen zu erkunden. Ein Berufswahltest zeigt zudem Alternativen auf. „Wir haben aber auch erlebt, dass junge Leute ganz unbefangen auf ihre zukünftigen Unternehmen zugehen und ihnen ihren Berufswahlpass zeigen. Darin sind ihre Praktika verzeichnet, die sie zielstrebig absolviert haben. Das signalisiert, hier kommt kein Schnellschuss, sondern ich habe mich auf den Berufseinstieg gut vorbereitet“, verweist Marcella Lange auf gute Beispiele.

Herzblut ist gefragt

Die Arbeitsagentur beobachtet, dass Meister und Personalchefs sich zunehmend auch für Jugendliche interessieren, die in der Theorie Defizite haben, aber mit Herzblut an die praktische Arbeit gehen. So seien die Vermittlungszahlen für Hauptschüler im Harzbereich stetig leicht gestiegen. Besonders stolz ist die Arbeitsagentur auf ihre Praktikumsbörse. „Keine Aktion von uns, sondern gemeinsam mit den Firmen. Dabei werden ganz genaue Praktikumsstandards festgelegt. Schließlich sollen die Mädchen und Jungen den Beruf kennen lernen und nicht permanent die Abwaschküche schrubben“, findet die Bereichsleiterin Operativ. Unterdessen seien an zehn Partner in der Hotel- und Gaststätten-Branche Qualitätssiegel verliehen worden. Dazu zählen das Parkhotel Meisdorf, das Jagdschloss in Halberstadt und der Hasseröder Ferienpark. Das sei nicht der einzige, aber ein effektiver Weg, um das Ende in einem beruflichen Holzweg zu vermeiden.