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Baugeschichte in Ermsleben Baugeschichte in Ermsleben: Alt älter St. Sixtus

Von Petra Korn 15.06.2015, 16:55
Gut zu sehen: die Jahresringe im Eichenbalken, der in der St. Sixtus Kirche verbaut ist. Die Eiche wurde vermutlich im 11. Jahrhundert gefällt.
Gut zu sehen: die Jahresringe im Eichenbalken, der in der St. Sixtus Kirche verbaut ist. Die Eiche wurde vermutlich im 11. Jahrhundert gefällt. Chris Wohlfeld Lizenz

Ermsleben - St. Sixtus ist eine alte Kirche. Untersuchungen nach Sicherungsarbeiten im südlichen Querarm des Turmbaus haben nun aber gezeigt, dass die Stadtkirche von Ermsleben noch älter ist als bislang gedacht: Sie wurde im Kern nicht erst um 1170 gebaut, sondern schon rund 100 Jahre früher. „Sie ist damit derzeit die älteste rechtssicher datierte Stadtkirche in Sachsen-Anhalt“, sagt Reinhard Schmitt. Der Sachgebietsleiter für Bauforschung beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie hat die Sanierungsarbeiten in der Kirche seit Jahren begleitet, um deren Baugeschichte weiter auf die Spur zu kommen; er hat das Buch „Die Stadtkirche St. Sixtus zu Ermsleben. Neue Forschungen zur Bau- und Ausstattungsgeschichte“ verfasst und auch die Untersuchungen jenes Holzbalkens veranlasst, in deren Ergebnis St. Sixtus nun 100 Jahre älter geworden ist. „100 Jahre älter zu werden, ist für die Bedeutung des Bauwerkes nicht unwesentlich“, sagt Architekt Gerd Srocke. Es sollte, findet Frank Rank, Mitglied des Gemeindekirchenrates, als älteste rechtssicher datierte Stadtkirche Sachsen-Anhalts noch stärker in die Öffentlichkeit gebracht werden.

Rückblick: Im Jahr 2006 wurden Proben der Reste eines Holzbalkens untersucht, der in der Westwand des südlichen Querarms des Turmbaus gefunden wurde. Eine dendrochronologische Untersuchung, bei der die Baum-Jahresringe anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten Wachstumszeit zugeordnet wurden, ergab kein sicheres Ergebnis, aber eine mögliche Bauzeit um 1166. Parallel wurde auch eine sogenannte C 14-Untersuchung durchgeführt. Bei dieser wird das Alter einer Probe anhand der Menge des noch gebundenen radioaktiven Kohlenstoffisotops C14, das in abgestorbene Organismen zerfällt, bestimmt. Diese Untersuchung brachte ein abweichendes Ergebnis eines früheren Einbaus; die Probe war wissenschaftlich nicht auswertbar. Eine weitere dendrochronologische Untersuchung verwies wieder auf die Zeit um 1170.

Verbaute Eiche wurde vermutlich im 11. Jahrhundert gefällt

Im Herbst vergangenen Jahres erfolgten Sicherungsarbeiten in der Ostwand des südlichen Querarms des Turmbaus. Dabei wurde ein weiterer Holzbalken gefunden. „Das sind Mauerwerksanker. Sie wurden in das Mauerwerk eingebaut, um dieses stabil zu halten“, erläutert Reinhard Schmitt. „Dass das Holz in so gutem Zustand ist wie hier, ist nach meinem Erfahrungsstand in Mitteldeutschland die Ausnahme. In der Regel ist es nur noch Pulver.“

Reinhard Schmitt, der von Architekt Gerd Srocke über den neuen Fund informiert worden war, veranlasste die Untersuchung von Holzproben des Balkens; die Kosten dafür trug das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie.

In der St.-Sixtus-Kirche Ermsleben, die 1296 erstmals erwähnt wurde, sind in den vergangenen Jahren bereits umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt worden. Dazu gehören zum Beispiel die Neueindeckung des Daches sowie die Erneuerung von Glockenstube und Geläut.

Weitere Maßnahmen sind erforderlich. Dazu gehören unter anderem Arbeiten am Fundament, der Einbau von Versteifungen in den Seitennischen, um die Turmsanierung abzuschließen zu können, sowie die Restaurierung von Altar und Epitaph. (pek)

Eine dendrochronologische Untersuchung ergab, dass die Eiche, aus welcher der Balken gefertigt wurde, frühestens um 1064 - einschließlich des bei solchen Untersuchungen eingeschlossenen üblichen Zeitrahmens von plus zehn bis minus sieben Jahren - gefällt wurde. Das bestätigte auch eine C 14-Untersuchung. „Das heißt, der Baum muss Ende des 11. Jahrhunderts gefällt worden sein, und Eiche wurde relativ schnell verbaut“, erläutert Reinhard Schmitt, für den das neue Datum Fragen aufwarf. Eine zweite dendrochronologische Untersuchung durch ein anderes Labor ergab ebenfalls ein Fälldatum um bzw. nach 1073. „Das heißt, wir sind in diesem Bereich bei einer Bauzeit im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts.

Beleg für kirchliche Besiedlung

Die Kirche ist älter geworden“, sagt Schmitt. Älteste dendrochronologisch datierte Stadtkirche Sachsen-Anhalts zu sein, bedeute nicht, die älteste Kirche zu sein; nicht alle Bauwerke würden untersucht. „Aber es ist ein Beleg für die frühe und nun noch frühere kirchliche Besiedlung dieses Gebietes. Zu jener Zeit hat die Konradsburg existiert; ob deren Herren an dem Bau der Kirche beteiligt waren, ist nicht bekannt. Aber man sollte es auch künftig weiterhin im Kontext betrachten.“

Dass St. Sixtus die älteste dendrochronologisch datierte Stadtkirche Sachsen-Anhalts ist, ist für Bürgermeister Klaus Wycisk „ein schönes Ergebnis, das uns inspiriert und aufmuntert, an diesem Projekt weiterzuarbeiten“. Gibt es doch gerade im Turmbereich noch viel zu tun. Frank Rank blickt schon einmal voraus: Nach Abschluss der Turmsanierung könnte ein Stück des im vergangenen Jahr geborgenen Holzbalkens, der zu den neuen Erkenntnissen zur Baugeschichte führte, in einem Schaukasten gezeigt werden. (mz)

Reinhard Schmitt vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie erläutert die Ergebnisse der Untersuchung eines Eichenbalkens aus der St.-Sixtus-Kirche Ermsleben.
Reinhard Schmitt vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie erläutert die Ergebnisse der Untersuchung eines Eichenbalkens aus der St.-Sixtus-Kirche Ermsleben.
chris wohlfeld Lizenz