1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Aus Vaters Hand in Michelles Arme

Aus Vaters Hand in Michelles Arme

Von Harald Vopel und Detlef Valtink 09.06.2006, 15:44

Quedlinburg/MZ. - Michelle Hunziker hatte heiß begehrte Ware im Gepäck, als sie am späten Donnerstagabend im Hubschrauber über dem Quedlinburger Marktplatz schwebte und dann vor dem Rathaus landete. Dabei wurde sie von rund 1 000 Fußballfans erwartet, von denen die meisten noch kurz zuvor vor dem heimischen Fernseher gesessen hatten.

Im Rahmen der FIFA-WM Ticket-Show des ZDF hatten die Moderatoren Johannes B. Kerner und Thomas Gottschalk Michelle Hunziker gegen 20.20 Uhr auf die Reise zu einem zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Ort in Deutschland geschickt. Dabei hatte sie 50 Eintrittskarten für das Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Polen am 14. Juni in Dortmund. Den ersten Tipp auf das mögliche Ziel gab Hunziker um 20.40. Das Ziel läge 182 Kilometer Luftlinie vom Startort Berlin in südwestlicher Richtung, hieß es. Der entscheidende Hinweis folgte um 21.08 Uhr. Als von der Weltkulturerbe-Stadt und vom Autokennzeichen QLB die Rede war, wusste die Zuschauer, wohin die Reise ging. In Windeseile füllte sich der Quedlinburger Marktplatz mit Schaulustigen und mit Fußballfans, die ihr Glück bei der Vergabe der Eintrittskarten versuchen wollten. Wer eines der bunten Winklichter, die bei der Ankunft auf dem Marktplatz verteilt wurden, ergattert hatte, gehörte schon zur engeren Auswahl der Kandidaten. So wie Cathleen aus Reinstedt, die auch noch ihre Arbeitskollegin Karola aus Gatersleben informiert hatte. Yves Metzing aus Aschersleben hatte die Fahne seiner Lieblingsmannschaft aus Angola dabei. Ansonsten drücke aber auch er der deutschen Mannschaft die Daumen, sagte der Ascherslebener.

Schließlich war es der fünfjährige Quedlinburger Valentin Werny, den Moderatorin Michelle Hunziker spontan an die Hand genommen hatte, der darüber entschied, wer in Dortmund auf der Tribüne sitzen wird. Er entzündete eine der Feuerstelen, die vor der Rathaustür aufgebaut waren. Das Feuer leuchtete gelb auf und entschied damit, dass alle diejenigen, die ein gelbes Winklicht besaßen, jubeln konnten. Unter ihnen war auch Karola aus Gatersleben, die im Quedlinburger Kleerskindergarten arbeitet. Übrigens besucht auch Glücksbringer Valentin diese Kindereinrichtung.

Aber auch die, die keine Karte ergattert hatten, sorgten lautstark und begeistert für gute Stimmung. Schließlich wurden die Fans von den Mitarbeitern eines Cafés mit Getränken versorgt, die die unvorhergesehene Situation schnell erkannt hatten. Kellnerin Sandra Kälin bot in Mitten der Menge sogar in Eile zubereitete Gehacktesbrötchen an. Da war es bestimmt auch zu verschmerzen, dass beim Landeanflug des Hubschraubers einige Gläser von den Café-Tischen geweht wurden und zu Bruch gingen.

Bei den zwei Landungen gab es ungewollter Weise auch einen schönen Nebeneffekt. Die durch die Hubschrauber-Rotoren ausgelösten starken Winde fegten den Marktplatz sauber. Selbst aus der kleinsten Ritze wurde der Dreck regelrecht davongefegt. Befürchtungen, wonach auch zahlreiche Dachziegel oder gar Fenster zu Bruch gehen könnten, erwiesen sich als grundlos. Dafür waren die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Quedlinburg und auch der Großteil von Polizei und Rettungsdienst ziemlich erschrocken, nachdem der Hubschrauber bei seinem ersten Anflug wackelte, wie ein zu weich gekochtes Frühstücksei. Doch der Pilot zeigte sich routiniert und sicher und brachte den Fernseh-Star sicher auf die Erde.

Wie locker Michelle Hunziker mit ihrem Auftritt umging, erstaunte selbst die gestandenen Fernseh-Profis der ZDF-Crew und trieb ihrem Sicherheitsmann die Schweißperlen auf die Stirn. Ein Foto mit einem Fan da, dort schnell ein Autogramm - zwischen den Live-Schaltungen hatte die Blondine die Dreh-Crew und das Publikum voll im Griff. Der wohl glücklichste Quedlinburger an diesem Abend war aber der fünfjährige Valentin Werny. Nicht nur, dass er sich einfach von seinen Eltern in Richtung Michelle Hunziker verabschiedete - nur weil er der aus dem Fernsehen bekannte Moderatorin "Guten Tag" sagen wollte -, sondern weil er der großen Frau eigentlich nur sagen wollte, dass es auch eine Michelle in seiner Kindergartengruppe gibt. "Die finde ich auch toll", legte sich Valentin fest. Und so wollte der Fernsehstar nicht mehr auf die Dienste ihres, wie sie sagte "süßen Glücksbringer" verzichten. Valentin wurde der Star des Abends, bekam Küsschen von der großen Michelle, durfte 100 Quedlinburger mit ihren gelben Leuchtstäben auf die Reise nach Dortmund schicken und ergatterte so nebenbei selbst zwei Tickets für das Spiel Deutschland gegen Polen.

Mit stolz geschwellter Brust, trotzdem aufgeregt und dann wieder total zufrieden, beobachtete dann auch Valentins Vater, Thomas Werny, das Szenario. Der Fußballer des Quedlinburger SV, der jahrelang "eine Bank" zwischen den Pfosten für die erste Mannschaft der Kreisstädter war, hatte dann, gemeinsam mit seiner Frau, auch nur noch eine Sorge. Valentin zeigte große Ermüdungserscheinungen. "Eigentlich müsste er schon seit zwei Stunden im Bett sein", gestand das QSV-Urgestein.

Ins Bett wollte dagegen Fußball-Schiedsrichter Christian Kliefoth nicht. Auch er gehörte zu den Gewinnern und ließ sich auch nicht davon beeindrucken, dass sich sein Terrier "Buddy" doch ein wenig vor der Menschenmasse fürchtete. Auf dem Arm von Herrchen war er zwar sicher, konnte nur nicht mit in die Gesänge "Finale - oho" mit einstimmen.