Aufführung Aufführung: Wolkenheim in Quedlinburg
Quedlinburg - Doch worüber sich das Volk im Kino letztlich erheitern durfte, legte noch immer der Staat fest. "Hände hoch oder ich schieße" war solch ein Ergebnis aus den Babelsberger Studios, welches den Bürgern Mitte der 60er Jahre vorenthalten wurde und erst im Juni diesen Jahres seine Premiere erlebte. Die Ablehnung so richtig verstehen konnten die wenigsten unter den weit über 500 Besuchern der zwei Vorstellungen im Palais Salfeldt, welche der Quedlinburger Verein qARTus im Rahmen des Projektes "Filmstadt Quedlinburg" organisiert hatte.
Das Anliegen, Quedlinburg als Filmkulisse zu zeigen, wird gleich zu Beginn erfüllt. Während der Erklärung des fiktiven Ortes Wolkenheim als "verschlafenes kleines Städtchen" schwenkt die Kamera lange über die Altstadt, zeigt das Schloss und den Ständerbau, auch wenn die Filmhandlung vorwiegend in Naumburg, Leipzig und Stolberg gedreht wurde. "Der Protest gegen den Film kam vom Ministerium des Inneren, welche die Darstellung der Polizei beanstandete", versuchte Helmut Morsbach vom Vorstand der Defa-Stiftung und Partner des Quedlinburger Filmstadtprojekts die verhinderte Ausstrahlung zu erklären. Vermutlich kratzte die Vorstellung, dass Kriminalisten wie Leutnant Holms (Rolf Herricht) wegen der guten sozialistischen Moral und ausbleibender Delikte arbeitslos werden könnten und deshalb einen Psychiater (Gerd E. Schäfer) benötigen, am Image der Polizei. Die gewaltige Übertreibung der von Hans-Joachim Kasprzik mit leichter Hand inszenierten Komödie, in der sogar die Gauner noch dümmer sind als die Polizei erlaubt, dürfte aber schon damals kaum eine solche Wirkung erzielt haben.
"44 Jahre zwischen Produktion und Premiere - das gehört ins Guinness-Buch der Rekorde", forderte Darsteller Herbert Köfer in einem Gespräch nach der Vorstellung und dachte zugleich "an die vielen verstorbenen Darsteller, welche durch die fehlende Resonanz des Publikums um den Lohn ihrer Arbeit gebracht wurden." Als Gangster Heuschnupf füllte er sich während der Dreharbeiten beständig die Wangen voller Watte, "Essen ging deshalb ganz schlecht", erinnerte er sich an sein völlig anderes Aussehen. Frank Schäfer, Sohn von Gerd E. Schäfer und Frisör in Berlin, wollte in dessen Rolle von Psychiater Dr. Irrwitz sogar den wahren Charakter seines Vaters erkannt haben - streng, gewissenhaft und pedantisch.
Für Kinderdarsteller Stephan Meyer indes war es ein Riesenerlebnis, während der Dreharbeiten mit den DDR-Humorstars wie Eberhard Cohrs, Manfred Uhlig, Hans-Joachim Preil und Rolf Herricht "ganz normal als Kollegen zu arbeiten". Eine Filmkarriere wurde nicht daraus, er betreibt heute einen Schlüsseldienst. Als Theaterschauspielerin ist Evelyn Cron, im Film Holms heimliche Liebe Lucie, bis heute ebenso auf den Brettern der Welt zu Hause wie Herbert Köfer, der nächstes Jahr sein 70-jähriges Bühnenjubiläum begeht.
Doch Kino wird bei q-ARTus auch dank der Sponsoren zu einem Erlebnis gemacht. Zur Aufführung wurden die Besucher in einem kriminellen Umfeld empfangen - mit Gangstern und Ordnungshütern. Polizist (Dietmar Quasthoff) und Kommissar (Ronny Große) geleiteten Hans-Jürgen Furcht in Handschellen auf die Bühne, auf der er seine Mitstreiter fast wie bei einer Gegenüberstellung präsentierte. Steffen Klaus vom Ascherslebener Kriminalpanoptikum zeigte Ausstellungsstücke der Sammlung, während die Zuschauer mit Fahndungsfotos und Fingerabdrücken erkennungsdienstlich erfasst und manche sogar in ein Gefängnis eingesperrt wurden. Aus den alten Kulissen fand sogar die Figur des Herzogs Nepomuk, im Film Ziel und Last der Gangsterbande und zugleich Holms erster echter Fall, den Weg ins Foyer. "Auch diese hatte einen langen Leidensweg", erklärte Morsbach, "nicht nur der Film."