«Arbeitslosigkeit zerrt gründlich an den Nerven»
QUEDLINBURG/MZ. - Einige in der Runde nicken und lächeln wissend. Auch Sonja Große aus Quedlinburg reicht es jetzt: "Die Arbeitslosigkeit zerrt an meinen Nerven, und mit 56 Jahren hoffe ich nicht mehr, dass noch was kommt".
Gemeinsam mit etwa 15 weiteren Leuten sind die beiden zum ersten Gründerstammtisch des ego.-Pilotennetzwerks gekommen, das Gründungswillige berät, Weiterbildungsmöglichkeiten kennt und vermittelt und sie vor groben Fehlern bewahren möchte. Eingeladen hatte Kristina Fischer-Gerloff, das VHS Bildungswerk im Quedlinburger Rambergsweg hat die Räume für die Veranstaltung zur Verfügung gestellt, die von nun ab etwa vier Mal im Jahr zu ganz bestimmten Themen Rat und Hilfe geben soll. Einige von denen, die der Einladung gefolgt sind, überlegen noch. Andere haben bereits eine kleine Firma gegründet oder sind kurz davor. Anfangs ist die Zurückhaltung noch groß. Man lässt lieber Kristina Fischer-Gerloff reden, die über typische Anfangsfehler spricht, über Marktanalysen, über Kostenberechnungen als Grundlage für einen Finanzplan und persönliche Eignung.
Schließlich ist es Peter Weikert aus Thale, der das Eis bricht. Der Arbeitssuchende weiß noch nicht, ob er sich selbständig machen möchte. Er sei zu dem Treffen gekommen in der Hoffnung, dass sich die Teilnehmer untereinander austauschen, eventuell Kontakte knüpfen, die für die eigene Gründung von Nutzen sein könnte. "Das wäre dann ein Nehmen und Geben", findet der studierte Maschinenbauer, für den Arbeitslosigkeit eine ganz neue Erfahrung ist. Dass es trotz aller Hilfen nicht einfach ist, in der selbständigen Existenz zu bestehen, erfährt Birgit Holec am eigenen Leib.
Sie hat im September 2009 eine Handelsfirma für Industriebedarf übernommen - mit einem festen Kunden- und Lieferantenstamm. Jetzt merkt sie, dass es ausgesprochen schwierig ist, trotz laufender Marketingaktionen neue Kunden hinzuzugewinnen. "Die Unternehmen fragen zwar nach und lassen sich Angebote schicken, es kommt aber meistens kein Geschäft zustande. Die Angebote dienen den potentiellen Kunden höchstens dazu, beim bisherigen Lieferanten die Preise zu drücken", so ihre Erfahrung.
Andere Teilnehmer erleben Ähnliches, und sie erhoffen sich von den regelmäßigen Treffen den ein oder anderen Tipp. "Man fängt manchmal einfach blauäugig an", sagt ein Mann, der sich mit einer Metallwerkstatt eine neue Existenz schaffen wollte. "Hartz IV wollte ich unbedingt vermeiden", erinnert er sich zurück. Während es anfangs noch ganz gut lief, gehen jetzt die Aufträge immer weiter zurück", berichtet er: "Wahrscheinlich habe ich alle Fehler gemacht, die ich machen konnte". Die ego.-Pilotin bietet an, seine Situation in einem Extra-Termin noch einmal zu besprechen, und auch nach der Veranstaltung ist Kristina Fischer-Gerloff eine gefragte Frau.
In den nächsten Veranstaltungen soll es zum Beispiel um Renten- und Krankenversicherungsfragen gehen. Aber auch das Thema Steuern steht auf dem Plan. Dann sollen jeweils Experten zu den einzelnen Schwerpunkten eingeladen werden.