1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Abschied in Meisdorf: Abschied in Meisdorf: Mikrofon kommt an den Nagel

Abschied in Meisdorf Abschied in Meisdorf: Mikrofon kommt an den Nagel

Von petra korn 03.01.2014, 19:06
Seit 1956 moderiert Tilo Friedrich verschiedenste Veranstaltungen und umrahmt sie musikalisch. Die Kassetten kommen heute allerdings nur noch privat zum Einsatz.
Seit 1956 moderiert Tilo Friedrich verschiedenste Veranstaltungen und umrahmt sie musikalisch. Die Kassetten kommen heute allerdings nur noch privat zum Einsatz. chris wohlfeld Lizenz

Meisdorf/MZ - Am Sonntag wird Tilo Friedrich noch einmal Mischpult, Mikrofone, Notebook und seine Musik einpacken und zum Meisdorfer Sportplatz fahren. Dort wird er seinen Moderationsstand aufbauen, die Gäste begrüßen, auf Besonderheiten der Strecken hinweisen und schließlich den Startschuss zum traditionellen Punschlauf geben. Zum letzten Mal: Denn nach der Moderation des Punsch-laufes am 5. Januar 2014 wird Tilo Friedrich das Mikrofon an den berühmten Nagel hängen - aus Altersgründen, wie der 75-Jährige sagt.

Damit verabschiedet sich eine Ikone der Moderation, die für Sportler wie Fußballer und Läufer, für Vereine und für viele andere bei verschiedensten Veranstaltungen mehr als fünf Jahrzehnte lang eine feste Größe war. „Das fällt mir auch schwer“, räumt der Meisdorfer ein.

Premiere beim Pfingstturnier 1956

An seinen ersten Einsatz als Moderator erinnert sich Tilo Friedrich noch genau. Er hatte immer mal „mitgebolzt“ auf dem Sportplatz und besaß ein Mikrofon. Das ließ bei den Meisdorfer Fußballern die Idee aufkommen, dass Tilo Friedrich doch die Spiele beim Turnier ansagen könnte. Und so fand sich der damals 18-Jährige am 20. Mai 1956 beim Pfingstturnier auf dem Sportplatz mit dem Mikrofon in der Hand wieder. „Auf dem Schornstein des alten Sporthäuschens, mit einem Plattenspieler und einem kleinen Lautsprecher“, erzählt er lachend. „Ich hatte großes Lampenfieber.“

Bald moderierte er nicht nur alljährlich die Pfingstturniere des SV Germania - zuvor die Sportgemeinschaft „Traktor“ - , dessen Ehrenmitglied Tilo Friedrich im Jahr 2007 wurde. Ab 1978 nahm er auch für den alljährlichen Selketallauf und ab 1979 für den Punschlauf das Mikrofon in die Hand und 2007 schließlich für den Ottonenlauf. „Das hat sich so entwickelt“, sagt der Meisdorfer. Moderiert und mit musikalisch umrahmt hat Tilo Friedrich aber nicht nur Sportveranstaltungen. Am Mikro stand der Meisdorfer auch beim Spielleutetreffen im Schlosspark, zur Feier des 100-jährigen Bestehens des Badehauses in Ballenstedt, bei der Festveranstaltung zum 120-jährigen Bestehen der Meisdorfer Feuerwehr, zu deren Mitbegründern Tilo Friedrichs Großvater Albert zählte, bei Drachenfesten, Weihnachtsmärkten, Veranstaltungen des Meisdorfer Spielmannszuges, den traditionellen Schnitterwettbewerben auf der „Langen Wiese“ oder den von ihm selbst organisierten Flohmärkten, um nur einiges zu nennen.

Natürlich war Tilo Friedrich auch zur Stelle, als der SV Germania im Jahr 2003 sein 75-jähriges Bestehen feierte. Hier moderierte er nicht nur Empfang und Festveranstaltung, sondern erarbeitete gemeinsam mit Hans-Jürgen Illiger auch die Festschrift.

Zum Ortsjubiläum auf Hebebühne

Neben seiner Moderatorentätigkeit war Tilo Friedrich auch als „Schallplattenunterhalter“ unterwegs. Die Lizenz dafür hatte er schon 1979 erhalten - mit dem Zusatz „mit eingeschränkten Veranstaltungsorten“, erzählt er lachend. „Das heißt, ich durfte nur im Kreisgebiet auftreten.“

Zu den Höhepunkten seiner Moderatorentätigkeit zählen für Tilo Friedrich der 8. Selketallauf im Jahr 1985 mit 603 aktiven Teilnehmern und natürlich das Trainingslager der Fußballer des FC Bayern München 1995 in Meisdorf. Eine große Herausforderung war auch der Festumzug anlässlich der 825-Jahr-Feier Meisdorfs im Jahr 2009, den Tilo Friedrich von einer Hebebühne herab moderierte.

Auf diese wie alle anderen Veranstaltungen hat sich der Meisdorfer stets akribisch vorbereitet. Zu den Ereignissen wurden Informationen zusammengetragen, die passende Musik - „sie muss bei Sportveranstaltungen immer unauffällig sein“ - ausgewählt, die Technik jeweils am Vortag noch einmal einer Prüfung unterzogen. Schief gegangen ist nur ein Mal etwas: Bei einem Punschlauf versagte plötzlich das am Tag zuvor noch funktionierende Mikrofon. „Ich habe versucht, die Läufer mit meiner Stimme zum Start zusammenzubringen“, erinnert sich Tilo Friedrich schmunzelnd. „Das ist mir nie wieder passiert. Seitdem hatte ich immer zwei Mikrofone dabei.“

Seine Technik hat der Meisdorfer stets selbst finanziert, die Kosten für den Transport selbst getragen. Alle Moderationen hat der Maschinenbauingenieur ehrenamtlich und unentgeltlich übernommen. „Ich sorge dafür, dass andere Sport treiben können“, sagt Tilo Friedrich. „Mir hat das immer Spaß gemacht. Und meine Devise war: Je mehr Leute ich vor mir hatte, desto ruhiger war ich.“ Alle Veranstaltungen zusammengerechnet, hat der Meisdorfer etwa sieben Monate am Mikrofon verbracht. Ohne das Verständnis seiner Frau Karin wäre das nicht möglich gewesen, bedankt sich Tilo Friedrich dafür, dass sie ihn stets unterstützte.

Ansage im Olympia-Stadion?

Auch in Zukunft wird er noch genug zu tun haben, ist sich der Meisdorfer sicher. So möchte er beispielsweise eine Haus-Chronik schreiben: über die Geschichte seines mehr als 200 Jahre alten Hauses, das sich in dritter Generation in Familienbesitz befindet, und über die Geschichte seiner Bewohner.

Einen Anlass gibt es, für den Tilo Friedrich das Mikrofon dann aber doch noch mal in die Hand nehmen würde: Als 1995 die Bayern zu Gast in Meisdorf waren, hatte deren Trainer Otto Rehhagel Tilo Friedrich nach einem Wunsch gefragt. Dessen Antwort kam sofort: ein Mal im Olympia-Stadion in München eine Ansage machen. „Leider hat das nicht geklappt“, sagt der Meisdorfer. „Aber das würde ich noch machen.“

Von Sportplatz bis Hebebühne: Fotos dokumentieren die vielen Einsätze.
Von Sportplatz bis Hebebühne: Fotos dokumentieren die vielen Einsätze.
chris wohlfeld Lizenz