Weinberge im Ausnahmezustand

ROSSBACH/BAD KÖSEN. - Am Sonnabend noch sorgten Regenschauer dafür, dass die Strecke zwischen Roßbach und Bad Kösen einigermaßen übersichtlich blieb, doch bei strahlendem Sonnenschein am Sonntag ging es dicht gedrängt und nur im Schneckentempo voran: Tausende waren auf der Weinmeile unterwegs, kehrten ein an 34 Stationen von Winzern und Straußwirtschaften und ließen sich munden, was Weinkeller, Grill und Pfanne hergaben. Dazu gab's fast überall Musik - mal live, mal aus der Konserve, hier schrill und laut, dort dezent im Hintergrund.
Vermutlich hat die 10. Weinmeile jeglichen bisherigen Besucherrekord gebrochen - der Wein jedenfalls floss in Strömen, 1 000 tönerne Trinkschnecken waren schnell ausverkauft und auch von den 5 000 mobilen Weingläsern dürfte nicht mehr viel übrig sein - wenn überhaupt. Sonnabendnachmittag hoben manche Teilnehmer schon die Hände: "Alles alle."
An vielen Stationen hat sich viel geändert, vor allem ist das Platzangebot größer geworden - eine passende wie notwendige Reaktion auf den wachsenden Zustrom an Gästen, der sich nicht auf die Region und Mitteldeutschland beschränkte. Busse kamen beispielsweise aus dem Saarland und Berlin.
Zwei "Neuzugänge" hat die Weinmeile auch. Mit Manuel Flechtner auch den jüngsten. 21 Jahre alt ist er und schickt sich an, in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten. Dessen Grundstück in den Weinbergen 19, das bis vor kurzem verpachtet war, hat er in eigener Regie geöffnet und somit die Familie wieder ins Spiel gebracht. Was die Gäste vorfanden, gefiel - von der deftigen Kost aus der Gulaschkanone über Livemusik bis hin zur idyllischen Lage im Grünen. Manuel Flechtner, gelernter Winzer und heute Küfer bei Rotkäppchen, hatte kräftig zu tun, doch verlor nie den Überblick: "Hier helfen schließlich viele mit. Aus der Familie Tante, Mutti, Vati, Oma und Opa." Im Weinberg hinterm Haus bewirtschaftet Flechtner, der in Großwilsdorf wohnt, 100 Stöcke Weißburgunder und Silvaner. Der Wein kommt zur Winzervereinigung nach Freyburg - nahe liegend, schließlich hat Manuel Flechtner dort gelernt.
Frisch im Geschäft, aber das mit einer gehörigen Portion Ausschank-Erfahrung, sind Yvette und Steffen Kloß. Sie hatten ihren Hof erstmals geöffnet. Warum, erklärt sich so: "Voriges Jahr haben wir unseren Polterabend gefeiert. Und die, die da waren, meinten, die Organisation habe so gut geklappt, dass es auch für die Weinmeile reichen würde", erzählt Yvette Kloß, die im Berufsleben kaufmännische Leiterin einer Spedition ist. Ihr Mann wiederum arbeitet als Tischler. Um die hundert Sitzplätze, Weine von vier Winzern und eine Bühne gehörten zum Angebot. Diese war am Sonntagnachmittag die von Yvette Kloß' Freundin, die extra aus Lübbenau im Spreewald angereist kam und mit Schlagern das Publikum erfreute. Freunde und Familie halfen beim Kloß'schen Ehepaar aus, sieben Personen pro Tag wirbelten so im Hof. Dass die "Neuen" von nun an jedes Jahr dabei sind, versteht sich von selbst.
Logistisch schien der Weinmeile-Verein alles im Griff zu haben. Die Entscheidung, am Mios zusätzlich Parkflächen anzubieten, erwies sich als goldrichtig, ebenso das Verbannen jeglicher Taxen aus Roßbach. Vier Toilettenwagen entspannten die Situation erheblich, konnten aber teils lange Wartezeiten nicht vermeiden.
Die Polizei vermeldet eine friedliche Saale-Weinmeile. Und wenngleich etliche Krankenwagen wegen zu sehr alkoholisierter Gäste ausrücken mussten, gab es - so jedenfalls die Leitstelle des Burgenlandkreises - keine Härtefälle.