Veröffentlichung Veröffentlichung: Theologe der mit Geschichte Geschichte schrieb

Heiligenkreuz - Hinterm Hoftor bei den Wölfels pulsiert bäuerliches Leben. Erwin und Klaus, die beiden Landschweine, haben Hofgang und toben im Schnee durch das Areal. Helmut Wölfel (85) führt die Araberstute Arabella am Zaum, und Enkel Fred Stahl (30) schmeißt den guten, alten Belarus an. Beides, das Pferd, der russische Traktor und auch noch kleinere in den 1970er Jahren selbst gebaute Zugmaschinen kommen zum Einsatz, wenn es gilt, die kleinen Ackerflächen am Dorfrand zu bestellen und zu ernten: Kartoffeln, Rüben, Mais und Luzerne für den eigenen Bedarf. Die Wölfels gehören zu den alteingesessenen Bauernfamilien in Heiligenkreuz, eine Schrifttafel verweist auf das Jahr 1861, in dem das Bauernhaus aufgestockt wurde. Wenn man mit dem Altbauern ins Gespräch kommt, dreht es sich oft um Heilkräuter. Die waren zu DDR-Zeiten ein Markenzeichen von Heiligenkreuz und Wölfel leitete diese Spezialabteilung der LPG „Vereinte Kraft“.
Mit Kamille, Königskerzen, schwarzen Malven, Ringelblumen und römischer Kamille hatte alles in den 1960er Jahren angefangen. „Alles Handarbeit“, erinnert sich Wölfel. „Um die Blüten zu ernten, hatten wir in Eisenberg 30 Kamillekämme aufgetrieben.“ Ab 1970 wurde es dann produktiver. Die LPG legte sich auf drei Kulturen fest und baute auf 50 Hektar Kamille, und auf je 25 Hektar Pfefferminze und Koriander an. Maschinen wurden angeschafft und die Produkte bis zur Konfektionierung verarbeitet. Die Heiligenkreuzer Abteilung spülte damit erhebliche Gelder in die LPG-Kasse. „Das ist heute kaum vorstellbar“, kommt der 85-Jährige immer wieder ins Staunen, „wir machten bei einem Brutto-Jahresumsatz von einer Millionen DDR-Mark 500000 Mark Gewinn“. Bei Kamille gingen 80 Prozent der Waren in den Export, so waren die Heiligenkreuzer auch Devisenbringer für die klamme DDR-Wirtschaft.
Das alles ist Geschichte, und aus der Heilkräuterhalle hat Klaus Orlamünde nach der Wiedervereinigung ein schmuckes Sechsfamilienhaus gebaut, das heute die von der Bundesstraße 88 Kommenden am Ortseingang begrüßt.
Auf dem Gelände dahinter hat das Bauunternehmen von Nico Stahl seinen Platz gefunden. Mit zehn Beschäftigten ist er das größte von zwei weiteren ortsansässigen Bauunternehmen. Im Dorf fallen viele farblich gestaltete Gebäude auf. Ab Mitte der 1990er Jahre kam Heiligenkreuz in die Dorferneuerung, ein Programm, das mit Fördermitteln hauptsächlich für Gehwegebau und Erneuerung der Straßenbeleuchtung sorgte.
Umleitungen bringen Probleme
Doch da war Heiligenkreuz zusammen mit Crölpa und Löbschütz, Freiroda und Kreipitzsch noch in der selbständigen Gemeinde Crölpa-Löbschütz. Die gehört seit 2010 zur Stadt Naumburg, und der einstige Bürgermeister Klaus Pokrant, nunmehr ehrenamtlicher Ortsteilbürgermeister, hat eine Stimme im Naumburger Gemeinderat. Dort vertritt er die Anliegen der 540 Einwohner seiner ehemaligen Gemeinde, die außerdem einen gewählten zehnköpfigen Ortschaftsrat besitzt. Drei Ratsmitglieder kommen aus Heiligenkreuz. „Sicher war das eine Umstellung“, blickt Pokrant zurück. „Immerhin waren wir ja schuldenfrei und konnten selber entscheiden, was machbar war und was nicht.“ Derzeit stehen die Sanierung von Trauerhalle und Dorfteich auf der Liste der Dinge, die notwendig wären. „Über Dienstleistungen durch die Stadt, wie Grünflächenpflege und Winterdienst können wir uns nicht beklagen“, stellt der Ortsteilbürgermeister fest. Für die Einwohner habe sich nicht viel verändert. Die Kreisstadt ist nicht weit und zu wichtigen Dingen mussten sie schon immer nach Naumburg oder Bad Kösen. „Was mitunter ein Problem für unser kleines Dorf ist, sind die Umleitungen“, bringt Heiligenkreuz’ Ortschaftsrat Detlef Kneist zur Sprache. Bei den in letzten Jahren langzeitlichen Bauarbeiten auf der Bundesstraße 87 zwischen Naumburg und Bad Kösen wälzte sich ein großer Teil des Umleitungsverkehrs durch das kleine Dorf, und auch heute nutzen viele Lkw-Fahrer die zeitsparende Strecke zwischen Bad Kösen und der Bundesstraße 88. Besonders in der Doppelkurve am Schmiedeberg wird es da oft sehr eng, wenn sich zwei Trucks begegnen.
Neue Straßennamen sind auch eingeführt. Früher war das ganze Dorf durchnummeriert. Heute gibt es eine Untere und eine Obere Gasse mit Orientierung zum Wachhügel, der größten Erhebung in der Gemarkung.
Und mittendrin die Kirche
Wahrzeichen des Dorfes ist seit altersher die Kirche. Der haben sich 23 Heiligenkreuzer des Vereins Sanct Crucis um ihre Vorsitzende Annegret Jungnickel angenommen. Mit viel Fleiß und Einsatz wurde das Umfeld der Kirche mit den barocken Grabsteinen in Ordnung gebracht und für die Trockenlegung des 1710 barock umgestalteten spätgotischen Gotteshauses gesorgt. „Nun“, blickt die Vorsitzende auf die kommenden Vorhaben, „steht eine umfassende Renovierung des Kirchenraumes an.“ Als erster Schritt wird mit Hilfe eines Restaurators ein Konzept erarbeitet, um dann schrittweise vorgehen zu können. Ohne finanzielle Hilfen wird das indes nicht möglich sein. Mit dem Konzept in der Hand wird sich Sanct Crucis dann um Fördermittel bemühen.
Etwas zurückgesetzt von der Dorfstraße, doch mittendrin, fallen moderne Gebäude auf. Im Juni 1996 ist Pia Handke mit ihren Schützlingen von Naumburg hierhin umgezogen. „Was uns anfangs etwas abgelegen vorkam, ist nun unsere Heimat geworden.“ Heimat, das ist Wohnstätte für 30 vorwiegend geistig Behinderte, die tagsüber in der Werkstatt in Osterfeld arbeiten. Neben den neun Betreuern sind im Heim auch zwei Hauswirtschaftskräfte aus Heiligenkreuz beschäftigt. „Im Dorf werden wir akzeptiert, Feste gemeinsam gefeiert. Wir bringen aller zwei Jahre einen Weihnachtsmarkt ins Dorfleben.“ Das Heim, das zum Caritasverband gehört, trägt den Namen des Märtyrers der katholischen Kirche, Karl Leisner (1915-1945). Als Hitler-Kritiker starb er an den Folgen seiner langjährigen Haft in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau. Er wurde 1996 im Olympiastadion in Berlin von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.
Was ein wenig nostalgisch begonnen hat, soll auch nostalgisch enden. Da besuchen wir die Familie Kneist. Hartwig Kneist (78) hält noch immer das Schmiedefeuer am Brennen, zu tun gibt es immer auf dem Hof, der letzte Hufbeschlag liegt allerdings drei Jahre zurück. Sein Sohn Detlef hat einige Krafträder aus der DDR zusammen getragen: Das Moped Schwalbe und eine ES 150. In das Awo-Gespann von 1958 (mit Stoye-Seitenwagen) setzen sich Vater und Sohn zum Abschluss unseres Besuchs in Heiligenkreuz, um mit zwölf PS noch eine kleine Dorfrunde zu drehen.
Und wenn man Glück hat, sind im Ort sogar Leierkastenklänge zu hören. Seitdem der ehemalige Zimmermann Wolfgang Funke (62) vor drei Jahren das Drehorgelspiel als Hobby entdeckte, hat das kleine Dorf seinen Leierkastenmann, der bei Hochzeiten und Festen aller Art aufspielt. Ach so, und damit wir es nicht vergessen: Mit Janisroda zusammen bilden die Heiligenkreuzer eine Pfingstgesellschaft. Vor zwei Jahren beging sie ihr 50jähriges Bestehen.