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Straßenbahn Straßenbahn: Auf Ring unterwegs

14.10.2014, 07:42
Auch die Burg Wendelstein wurde als Unterkunft für die herzogliche Jagd genutzt.
Auch die Burg Wendelstein wurde als Unterkunft für die herzogliche Jagd genutzt. Gisela Jäger Lizenz

Etwas abseits der bekannten Waldwege im Ziegelrodaer Forst treffen Wanderer hier und da auf Zeugnisse der Jagd- und Forstgeschichte, die meist erst nach gezielter Recherche und dem Lesen historischer Publikationen ihren Sinn und Zweck offenbaren. Das sind unter anderem das Prinzenhäuschen im Revier Ziegelroda, der Prinzenstein im Revier Lodersleben oder das einstige Pirschhaus im Revier Winkel.

Am Ausflugsziel Hermannseck befinden sich die heutige Gaststätte „Jägerhütte“ und der Gedenkstein für den Oberförster Carl Friedrich Gottlob Köstler (1797-1842). Auch die nahe liegende Burg Wendelstein spielt eine Rolle in den historischen Betrachtungen, diente sie im 17. Jahrhundert zeitweilig für die Herzöge von Sachsen-Weißenfels als Jagdresidenz.

Der Ziegelrodaer Forst blieb zunächst von der Rodungsperiode des Mittelalters weitgehend unberührt, da der Standort für landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet war. Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte das Gebiet zum Sächsisch-Weißenfelser Hof. Vor etwa 350 Jahren betrieben die Herzöge von Sachsen-Weißenfels dort die höfische Jagd in den Revieren Lodersleben, Waldungen, Hermannseck und im Wendelsteiner Forst.

Die sogenannte „Hirschfeiste“ war Höhepunkt der Treibjagden im Juli und August. Hunderte Helfer aus umliegenden Dörfern wurden trotz der Erntezeit der Feldkulturen in Frondiensten verpflichtet. Das Waldgebiet „Breiter Saal“ geht auf einen schon damaligen Hochwald mit Buche und Eiche zurück, der gute Voraussetzungen für die Jagd bot. Im Winter waren es die Saujagden beziehungsweise „Wildschweinhatzen“. Die Tiere wurden lebend gefangen, um sie dann vom Herzog und seinen Jägern erlegen zu lassen. Überliefert ist ein „Saugarten“ in Nähe der Lautersburg und am Forstort „Hermannseck“. Als Jagdwaffen kamen Armbrust, sogenannte Saufedern, erst später Steinschlossgewehre zum Einsatz.

Im Unterschied zu anderen Herrschaftshöfen errichteten die Weißenfelser Herzöge kein Jagdschloss im Wald. Die im 30-jährigen Krieg zerstörte und später teils wieder aufgebaute Burg Wendelstein bot nur begrenzte Möglichkeiten als Jagdresidenz. Zum Teil wurde die Burg Querfurt mit genutzt.

Als Beispiel für den Aufwand der herzoglichen Jagd sei der August 1672 genannt: Zur Hirschfeiste im Wendelsteiner Forst waren aus neun herzoglichen Ämtern und der Stadt Querfurt 1 190 Mann und 180 Vorspannpferde für acht Tage verpflichtet. Die Strecke erlegten Wildes war bemerkenswert: 146 Stück Wild, darunter 37 Hirsche, 31 Wildkälber, drei Rehböcke und eine Wölfin. Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels gab dem Jagdwesen einen ersten gesetzlichen Rahmen und erließ im Dezember 1728 eine Forst- und Jagdordnung, in der die Teilnahme der zur Jagd angeforderten Personen und Jagdhelfer geregelt wurde.

In Ziegelroda wurde 1694/96 ein Forsthaus für die höfische Jagd und ein Zeughaus für die Jagdutensilien geschaffen. Etwa in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand die Jägerhütte Hermannseck als Futter- und Jagdutensilienraum. Erst ab 1960 erfolgte der Um- und Ausbau zur heutigen Waldgaststätte. Ein weiteres Zeugnis der jagdlichen Entwicklung ist die 1728 gegenüber dem „Thierberg“ in Richtung „Mittelberg“ aus Buntsandstein erbaute zweigeschossige Jagdhütte. Vor dem 1. Weltkrieg oft vom Prinzen Adalbert von Hohenzollern als Jagdhaus genutzt, dürfte daraus der Name Prinzenhäuschen herrühren. Der genannte Prinz erlegte am 27. September 1907 im Ziegelrodaer Forst einen kapitalen Sechzehnender (Rothirsch). In Erinnerung daran wurde an der Stelle im Forstrevier Lodersleben ein Gedenkstein errichtet. Ein nachhaltiger Eingriff in den Ziegelrodaer Forst im Revier Winkel war der Einzug der russischen Armee nach 1945. Kosten- und arbeitsintensiv wurden vernässte und dichte Waldflächen entwässert und gerodet, um den militärisch genutzten Flugplatz zu errichten. Im Zuge dessen war das historische Pirschhaus, ein schmuckes Jagdhaus in Fachwerkbauweise, abgerissen worden.

Erst 1999/2000 errichtete das damalige Forstamt Ziegelroda auf Initiative von Revierleiter Konrad Brode einen kleinen Nachfolgebau (Pirschhaus II) für Projektarbeitszwecke am Sandtalteich. Weite Teile der einstigen militärisch genutzten Flächen im dortigen Revier wurden renaturiert.

Zu den Nutzern des Ziegelrodaer Forstes gehörte Anfangs des 20 Jahrhunderts im Vitzenburger Forst übrigens die Familie von Münchhausen. Sie hatte 530 Hektar Wald in ihrem Besitz und versuchte durch Einkreuzung des Karpatenhirsches eine Blutauffrischung beim hiesigen Rotwild zu erreichen. Man versprach sich auch die Erhöhung des Körpergewichts der Tiere und eine Erhöhung der Qualität der Trophäen. Nachfahren der Familie von Münchhausen bewirtschaften seit einigen Jahren wieder Flächen des Ziegelrodaer Forstes.