Edeka-Markt in Naumburg Shopping auf der Überholspur - Das Rein und Raus fällt an der Kasse aus
Ab Montag kann man im Naumburger E-Center mit einem digitalen Einkaufswagen seine Waren selbst scannen. Das Beladen des Kassenbands entfällt. Wie der Selbsttest des Tageblatt/MZ-Redakteurs ablief.

Naumburg. - Ich hole mein Handy aus der Tasche und halte die entsprechende App an den „Easy Shopper“. Der Wagen erkennt sofort meine Einkaufsliste, die ich vorher in der App zusammengestellt habe. Kartoffeln, festkochend, steht da. Also ab zum entsprechenden Regal. Ich halte den Sack an den im Wagen verbauten Scanner, und schwupps wandert er auf dem Display von der „Einkaufsliste“ in den „Warenkorb“. Weiter geht’s zum Bier. Auch das Köstritzer Edelpils scanne ich. Ob ich eine Flasche oder einen Kasten will, kann ich antippen. Die Frage ist korrekt, wenngleich mit dem bevorstehenden Wochenende auch irgendwie überflüssig.
Ab Montag stehen 36 der digitalen Einkaufswagen im E-Center am Naumburger Ostbahnhof zur Verfügung. Größter Vorteil: Das Aus- und Wiedereinpacken der Waren an der Kasse entfällt. Der Wagen weiß, was drin ist. Es wird an der (speziellen) Kasse nur noch bezahlt, und selbst das fällt weg, wenn man seine Kreditkarte in der App hinterlegt hat.
App herunterladen und los geht's
Bevor ich das Programm herunterlade, frage ich mich zunächst: Bin ich überhaupt der Typ dafür? Auf der einen Seite mache ich gern Späßchen mit der Kassiererin, auf der anderen nervt mich langes Anstehen. Auf der einen Seite will ich keinen App-Dschungel auf dem Telefon, auf der anderen bin ich digitalen Innovationen nicht abgeneigt. Weltweit in Großstädten ein Uber/Lyft/Bolt-Taxi rufen, das sofort zum eigenen Standort kommt, ohne händisch dafür zu bezahlen, finde ich beispielsweise super praktisch.
Hohe Anschaffungskosten für Wagen und Boxen
Und es muss ja auch nichts für jeden sein. „Alle anderen Möglichkeiten hier im Markt stehen weiter wie gewohnt zur Verfügung. Wenn irgendwann fünf bis zehn Prozent der Kunden die Easy Shopper nutzen, wäre ich zufrieden“, sagt E-Center-Inhaber Daniel Hinze. Hinzu kommt: Die Anschaffung der Wagen samt Abstellboxen mit Heizung und Netzwerkanschluss auf dem Parkplatz ist aufwendig

Mir kommt die App übersichtlich und einfach daher. Sonderangebote werden angezeigt, und wenn man eine Packung Hundefutter einscannt, gibt’s den Hinweis, welche anderen Vierbeiner-Leckerlis in den Regalen liegen. Man kann seine „Deutschlandcard“ der App hinzufügen, und auch Rezepte zeigt sie an. Klickt man auf die „Süßkartoffel-Quiche“ wandern automatisch die nötigen Zutaten auf die Einkaufsliste.
Rezepte, „Deutschlandcard“, aber auch Alkoholkontrollen
Eine gewisse digitale Offenheit sollte man mitbringen. Die aber muss keine Altersfrage sein! „Ich nutze den digitalen Wagen im Weißenfelser Edeka schon lange. Ein paar kleine Problemchen gibt’s dort, aber ich find’s praktisch und viele andere Kunden auch“, sagt meine 59-jährige Tageblatt/MZ-Kollegin Dietlind Weber. Was sie in Weißenfels nervt: die vielen Nachkontrollen. „Das haben wir hier nicht vor. Jeder zehnte Wagen soll nur an der Kasse kontrolliert werden“, sagt Daniel Hinze. Zum einen möchte er Vertrauen zum Kunden aufbauen, zum anderen gibt es diverse technische Helfer. In den Wagen sind Waage und Kamera eingebaut. E-Center-Mitarbeiter bekommen aufs Smartphone eine Meldung, wenn es Auffälligkeiten gibt. Bei Alkohol im Wagen gibt’s ebenfalls eine Meldung. Sieht der Käufer jung aus, wird kontrolliert.
Routenplaner durch den Supermarkt
Vor allem aber können die Mitarbeiter von den Kunden bei Fragen oder Problemen angefunkt werden. Mit Ortungshilfe. Die gibt’s auch andersherum. Wer ein Produkt nicht findet, kann vom Easy Shopper nun direkt ans richtige Regal geführt werden.

Eigentlich perfekt für mich, der schon etliche Male auf der Suche nach speziellen Koch- und Backzutaten hilflos herumsuchte. Die handschriftliche Einkaufsliste, mit der mich meine Frau bisher losschickt, wird nun vielleicht bald digital. Unsere Jungs hätten darauf Zugriff, könnten mit ein paar Klicks Cola, Deo, Pringles und Co. hinzufügen. Nur das Herzchen, das mir meine Frau immer auf die Liste malt, würde ich vermissen.
Ob McDonalds oder Check-In am Flughafen
Zum Hintergrund: In immer mehr Bereichen übernimmt der Kunde Aufgaben, die zuvor von Personal erledigt wurden. Bei McDonalds das Auswählen der Burger am Bildschirm, am Flughafen das selbstständige Einchecken. Die Resonanz darauf ist geteilt.
18 Prozent nutzen im E-Center die Schnellkasse
Gut angenommen wird beispielsweise die Schnellkasse im Naumburger E-Center, an der die Kunden ihre Waren selbst einscannen. „18 Prozent der Bezahlvorgänge passieren mittlerweile schon an diesen drei Stationen“, berichtet Inhaber Daniel Hinze. Auf Kundenwunsch ist eine der Kassen nun wieder bargeldfähig. „Wir hatten das abgeschafft, da einige wenige Kunden vom Hemdsknopf bis zur Unterlegscheibe alles Mögliche in den Hartgeldschlitz geworfen und das Gerät immer wieder beschädigt haben.“Hinze legt übrigens Wert darauf, dass im Zuge der Schnellkassen oder auch Easy Shopper keinerlei Personal abgebaut wird. „Es wird stattdessen frei, um wichtige Serviceaufgaben im Markt wahrzunehmen, beispielsweise in der Präsentation der Waren.“ Weitgehend personalfreie Supermärkte (also bis auf das Einräumen) werden laut Hinze in Deutschland zeitnah nicht zum Standard. „Der Datenschutz ist bezüglich der Kameras, die da eingesetzt werden, sehr streng.“
Unzufriedenheit und Diebstähle in den USA
In Deutschland scheint der Trend zum Self-Service dennoch ungebremst. Aus dem Vorreiterland USA aber sind erste Meldungen zu hören, dass Ketten aufgrund unzufriedener Kunden sowie vermehrter Diebstähle zurückhaltender geworden sind.