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Reaktivierung von Bahnstrecke Quo vadis, Unstrutbahn? Wie Initiative sich für Erweiterung in Richtung Thüringen stark macht

Der Petitionsausschuss des Thüringer Landtags beschäftigte sich mit Reaktivierung eines Abschnitts. IG Unstrutbahn sammelte dafür mehr als 3.600 Unterschriften. Doch es liegen auch Steine im Weg.

Von Constanze Matthes 09.04.2024, 09:15
Werden Züge  bald ganz regulär von Naumburg bis Roßleben oder Artern fahren? Die Interessengemeinschaft Unstrutbahn setzt sich dafür ein.
Werden Züge bald ganz regulär von Naumburg bis Roßleben oder Artern fahren? Die Interessengemeinschaft Unstrutbahn setzt sich dafür ein. (Foto: Andreas Löffler)

Nebra/Wiehe - Die Reaktivierung von stillgelegten Bahn-Strecken im Zuge der Verkehrswende ist derzeit ein großes Thema. Auch im Unstruttal, konkret im thüringischen Teil. Im Herbst vergangenen Jahres rief die Interessengemeinschaft (IG) Unstrutbahn eine Petition ins Leben.

Ihr Ziel: den Zugverkehr von Nebra bis Artern zu reaktivieren. Über 3.600 Unterschriften kamen zusammen. Zur Freude der IG und der Initiatorin Christiane Kaebel aus Wiehe, die ihr Anliegen dem Petitionsausschuss des Thüringer Landtages vortragen konnte. „Positiv ist, dass überhaupt eine Kommunikation zustande gekommen ist, wir zum Nachdenken angeregt haben und auch Firmen Interesse zeigen. Nun ist die Politik gefragt“, sagt Christiane Kaebel.

Vertreter des Petitionsausschusses kommen nach Roßleben

Sie wollte mit ihrer Initiative aufzeigen, dass die Ortschaften entlang der Strecke abgehängt sind. „Ohne Führerschein und Auto gibt es hier keine Möglichkeit auf Zukunft, mit der Alternative Bahn aber schon“, betonte sie damals im Gespräch mit unserer Zeitung. Nun sei erst einmal Bewegung hineingekommen, was sie optimistisch stimme, unterstrich sie. Am 23. April werden Vertreter des Petitionsausschusses in Roßleben erwartet.

Eine Entscheidung des Streckenbetreibers, der Deutschen Regionaleisenbahn (DRE), sorgt indes für Unruhe und Besorgnis bei den Initiatoren der Petition. In einer Bekanntmachung im Bundesanzeiger informierte das Unternehmen, dass es den rund 40 Kilometer langen Abschnitt zwischen Roßleben und Artern einem anderen Betreiber anbietet. Sollte der jedoch nicht gefunden werden, droht dem Abschnitt die Stilllegung, wie es in der Bekanntmachung heißt. SPD-Landtagsabgeordneter Rüdiger Erben sieht positive Effekte bei einer Verlängerung der Unstrutbahn-Strecke und kritisiert zugleich harsch die DRE. „Es zeigt sich, dass die Bedarfe im Güterverkehr deutlich zunehmen. Allein Hunderttausende Tonnen Zuckerrüben werden jährlich von Nordthüringen nach Zeitz mit dem Lkw gefahren. Dann steigt auch der Anreiz für den Freistaat Thüringen, dort wieder Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) zu bestellen. Doch der aktuelle Pächter der Strecke hat wenig oder gar nichts für den technischen Erhalt des Abschnitts getan und schiebt es jetzt auf die nicht bestellten SPNV-Leistungen in Thüringen“, so Erben auf Anfrage. Seit 2006 bestellt der Freistaat keinen Schienenverkehr mehr.

SPD-Landtagsabgeordneter übt Kritik an Streckenbetreiber

In einer Kleinen Anfrage im Landtag Sachsen-Anhalts im Februar wollte er wissen, wie viel das Land Sachsen-Anhalt an die DRE für die Strecken- und Stationsnutzung seit 2009 allein für den Abschnitt zwischen Nebra und Wangen gezahlt hat. Die Landesregierung teilte daraufhin mit, dass seit jenem Jahr 1,95 Millionen Euro an Trassen- sowie 219.306 Euro an Stationskosten geflossen sind. Ein Unding für den Weißenfelser Landtagsabgeordneten, der zugleich darauf verweist, dass auf jenem Abschnitt wegen Oberbaumängel nur noch eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 20 gefahren wird, wenngleich dieser Abschnitt derzeit vom Bahnunternehmen Abellio wegen Personalmangels auf nur wenige Ausnahmen nicht bedient werden kann.

„Die Unstrutbahn hat Potenzial. Doch wir haben seit 2009 Millionen Euro an die DRE gezahlt, und die Strecke ist trotzdem vergammelt. Das darf nicht so weitergehen“, betont Erben, der mit Blick auf einen möglichen Rübentransport auf der Unstrutbahn-Trasse auch eine Chance für die Wiederbelebung der Strecke Naumburg-Teuchern sieht, die derzeit ebenfalls rege diskutiert wird. Die DRE, die das zweitgrößte nichteigene Eisenbahnnetz in Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Niedersachsen betreibt, beantwortete eine schriftliche Tageblatt/MZ-Anfrage zu den Gründen der Streckenabgabe sowie den Zahlungen des Landes Sachsen-Anhalts und möglichen Bauarbeiten bis gestern Nachmittag nicht.

Die DRE wolle von den Betriebsauflagen der Strecke befreit werden, sagt Ferdinand Fischer, Schriftführer der IG Unstrutbahn. „Mit der Stilllegung bleibt das Pachtverhältnis unberührt, nur ist dann ohne neu zu erlangende Betriebserlaubnis nach AEG §6 kein Zugverkehr mehr möglich. Hintergrund sind wirtschaftlich für das Unternehmen nicht darstellbare Instandhaltungsarbeiten“, so Fischer. Auch er wertet die Petition als vollen Erfolg – da auf die Bedeutung der Strecke und die Dringlichkeit hingewiesen wurde. Gleichzeitig bemerke er indes, dass das Vorhaben ins Stocken geraten sei. „Als IG sind wir dran, diesen Schwebezustand zu verkürzen“, so Fischer.

Hohe Ausbaukosten laut einer Studie erwartet

Weiterhin die Entwicklung der Unstrutbahn im Blick hat auch die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt (Nasa) GmbH. Wenn Thüringen sich für eine Reaktivierung entscheiden würde, würde „sich Sachsen-Anhalt konstruktiv an dem Prozess beteiligen“, teilt Nasa-Sprecherin Jasmin Dudda auf Nachfrage mit. Zunächst müsse aber geklärt werden, wie die zusätzlichen Betriebskosten angemessen verteilt werden. „Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Infrastrukturkosten durch entsprechende Trasseneinnahmen gedeckt werden müssen“, so Dudda. Eine Nutzung von Fördermitteln sei nicht ausgeschlossen, setze aber den Nachweis eines positiven Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Maßnahmen voraus.

Die Ergebnisse einer 2022 in Auftrag gegebenen Studie, die letztlich in den Masterplan „Perspektiven für die Entwicklung der Eisenbahn-Schieneninfrastruktur in Thüringen“ eingegangen waren, schätzen den Reaktivierungsaufwand als hoch ein – mit erforderlichen Investitionskosten von etwa 34 Millionen Euro. Das Gutachten stuft das Potenzial für Personen- und Güterverkehr indes als gering ein; Rückmeldungen von Anrainer-Unternehmen blieben aus. Eine Reaktivierung der Strecke Wangen - Artern empfiehlt die Studie nicht, allerdings sehr wohl eine Prüfung der Verlängerung nach Roßleben. Die Initiatoren der Petition hatten allerdings schon im Herbst Zweifel an der Studie geäußert. Denn von einer begleitenden Bürgerumfrage hatte hier kaum jemand Kenntnis, hießt es im Petitionstext.

Und auch die aktuellen Fahrgastzahlen der Regionalbahn 77 zwischen Naumburg und Wangen sagen etwas anderes. Seit 2021 steigen diese kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr wurde die RB 77 von mehr als 300.000 Personen genutzt – so viele wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.