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Pflaster aus Indien unter dem Dom

Von helga heilig 24.07.2012, 15:03

Klosterhäseler/MZ. - Der Kreis hat sich geschlossen. Wo Willi Knorr einst sieben-, achtjährig dem Fußball hinterher rannte, trainiert er jetzt seine ebenso alten Enkel in der Jugendmannschaft. Nur einige Jährchen liegen schon dazwischen. Der Mann, der 1946 mit seiner Mutter als Flüchtling aus dem Wartegau nach Klosterhäseler kam und seit zehn Jahren Präsident des Kreissportbundes (KSB) Burgenland ist, begeht am heutigen Mittwoch seinen 70. Geburtstag. Und in all den Jahren war Fußball für ihn Hobby und Leidenschaft zugleich.

1957 hat er bei Traktor Klosterhäseler im Jugendbereich angefangen, auch während des Grundwehrdienstes weiter gespielt und sich danach mit der heimischen Mannschaft so qualifiziert, dass die Klosterhäseler 1969 am Deutschen Turn- und Sportfest in Leipzig teilnehmen konnten. Als Mannschaftskapitän hat er Höhen und Tiefen mit den Traktoristen durchlebt, ist seit über 35 Jahren Vorsitzender des Freizeitsportvereins (FSV) Klosterhäseler, wie die in der Kreisklasse spielende Sportgemeinschaft des Dorfes jetzt heißt.

Doch der Name Willi Knorr ist weit über den Fußballbereich hinaus bekannt. Als Präsident des Kreissportbundes erst für den Kreis Naumburg, dann für den kleineren Burgenlandkreis sowie schließlich nach dem Zusammenschluss mit Weißenfels für den großen Landkreis gewählt, steht er an der Spitze von 26 000 Sportlern, die in 287 Vereinen organisiert sind. "Im Mittelpunkt", sagt Knorr, "diskutieren wir derzeit über das Sportfördergesetz und seine Auswirkungen auf unseren Burgenlandkreis. Es ist doch wichtig, dass Sportstätten den Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Dass auch die kleinen Sportvereine weiter gefördert werden." Ein Schwerpunkt sei der Kinder- und Jugendsport. Fast 6 000 Kinder und Jugendliche treiben im Burgenlandkreis organisiert Sport. Das sind 23 Prozent aller im Landkreis lebenden Kinder. Wobei man das ehrgeizige Ziel von 30 Prozent allerdings noch nicht erreicht habe. "Aber nicht das ist das Problem", meint der Präsident, Sorgen bereiten die häufigen Abgänge im Jugend- und Erwachsenenbereich, bedingt durch Wechsel der Lehr- und Arbeitsstellen und Wegzug in andere Bundesländer.

Willi Knorr ist kaum ein Wochenende zu Hause anzutreffen. "Da muss schon das Verständnis in der Familie vorhanden sein." Auf seine Frau Karin habe er da immer zählen können, bedankt sich der Sportler. "Wenn meine Frau Sonnabend ihren Friseursalon öffnet, gehe ich zum Sport." Der älteste Sohn ist Sportwart im Verein und trainiert den Nachwuchs in der B-Jugend.

Mit Sport hat Knorr natürlich nie seine Brötchen verdient. Aber zielstrebig wie dort auch seine Berufslaufbahn aufgebaut. In Eckartsberga lernte er nach der Grundschule Schmied, ging dann als Landmaschinen- und Traktorenschlosser zur Maschinen- und Traktorenstation (MTS), erwarb 1966 den Meisterbrief und anschließend an der Fachschule Nordhausen den Ingenieur für Landtechnik. Damit nicht genug. An der Hochschule Berlin studierte er Fahrzeug- und Landtechnik mit dem Abschluss als Diplomingenieur. Im Kreisbetrieb für Landtechnik arbeitete er als Abteilungsleiter und bis zur Wende als Fahrtechnischer Leiter in der LPG Klosterhäseler, einem der größten Pflanzenproduzenten im Altkreis Naumburg.

"Nach der Wiedervereinigung stand dann die Frage, weggehen oder bleiben. Gute Angebote hatte ich aus den alten Bundesländern", blickt Willi Knorr zurück. Seine Kollegen hätten ihn damals aber zum Hierbleiben überredet, vor allem, um Arbeitsplätze zu erhalten. Mit drei Gesellschaftern gründete er die Fahrzeug- und Landtechnik GmbH mit drei Standbeinen - einer freien Kfz-Werkstatt, einem Partnerunternehmen eines großen Landmaschinenherstellers und als Betrieb des Metall- und Stahlbaus. Anfangs standen da noch 20 Arbeitskräfte in Lohn und Brot. Heute sind es fünf Beschäftigte mit dem Schwerpunkt Metall- und Stahlbau. Willi Knorr hat die Geschäfte inzwischen seinem Sohn Michael übergeben, ohne sich ganz aus der Firma zurückzuziehen: "Die Prokuristenarbeit mache ich weiter."

Fast möchte man gar nicht fragen, ob denn außer Sport und Betrieb noch Zeit für andere Hobbys bleibt. Willi Knorr überlegt, lächelt, das Reisen wäre da noch. Mit seiner Frau hat er fast die ganze Welt auf Schiffsreisen gesehen. Allerdings sind da fördernde Umstände im Spiel. Der jüngste Sohn arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff, wenn es freie Plätze gibt, darf er Angehörige einladen. Zurzeit tourt er in grönländischen Gewässern. Knorrs sind nicht dabei, schließlich werden heute in Klosterhäseler Gäste erwartet.