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Naumburger Dom Naumburger Dom: Zehn Prozent mehr als 2013

Von albrecht günther 13.01.2015, 09:31
Brachte Fotos aus dem Dorfleben mit: Marlies Lützkendorf. Ortschronist Paul Jänicke (links) und Fred Jänicke freuen sich über den Zuwachs für die Chronik.
Brachte Fotos aus dem Dorfleben mit: Marlies Lützkendorf. Ortschronist Paul Jänicke (links) und Fred Jänicke freuen sich über den Zuwachs für die Chronik. Speck Lizenz

zeuchfeld - Einmal im Jahr, wenn der Zeuchfelder Heimatverein zum Chroniknachmittag eingeladen hat, ist fast das gesamte Dorf im Saal der ehemaligen Gaststätte versammelt. Bei den Alten kommen Erinnerungen auf, die Jungen beginnen zu staunen, was es einst in und um Zeuchfeld alles gegeben hat. Neugierig sind sie alle, was der junge Dorfchronist Paul Jänicke zusammengetragen, erforscht und in Archiven entdeckt hat.

Mit 23 Jahren ist Paul Jänicke der jüngste Ortschronist im Kreis. Anfangs interessierte den Chemie-Studenten die Geschichte seiner Familie, dann die der Nachbarn. „2011 habe ich begonnen, Informationen zu sammeln, seit 2013 forsche ich systematisch“, sagt Jänicke. Dabei konsultiert er auch namhafte Geschichtswissenschaftler, wenn es um spezielle Fragen geht. So bemüht er sich gegenwärtig um Klärung der so genannten Zeuchfelder Hausreihen, die vor der Separation an Hofeigentümer verteilt wurden und heute noch als markante Flurstücken kenntlich sind. Ergebnisse seiner Forschungen werden jährlich in einer unterhaltsamen Zusammenkunft mitgeteilt und sind auch in einer Schrift zugänglich gemacht worden. (hds)

Diesmal hatte der 23-Jährige Zeuchfelder das vorige Jahrhundert in den Mittelpunkt seines von Lichtbildern illustrierten Vortrages gestellt. Dieser begann mit einem heute wieder aktuellen Thema - den Flüchtlingen. Nach 1945 kamen 156 Vertriebene, vorwiegend aus Schlesien, dem Warthegau und Ostpreußen, in das kleine Dorf und mussten untergebracht werden. Schwarzmeerdeutsche, die im Gebiet der Sowjetunion gelebt hatten, wurden zwangsweise repatriiert und gingen einem ungewissen Schicksal entgegen.

Jänicke zeigte Listen mit Namen der Familien, die einst im Dorf gewohnt hatten. Viele sind später wieder weggezogen, einige geblieben und Zeuchfelder geworden. In den Anfangsjahren waren die Flüchtlinge in Baracken untergebracht, die das Unternehmen Wintershall, Betreiber der Ölraffinerie in Lützkendorf, durch Häftlinge und Kriegsgefangene in der Zeuchfelder Flur hatte errichten lassen.

Eine dieser Baracken blieb über die Jahre erhalten und wurde erst 2006 abgerissen. Viele kennen sie noch. Bis 1970 war hier, direkt an der Bundesstraße 176 nach Freyburg, das Zeuchfelder Krankenhaus mit 50 Betten, einem OP-Raum, einer Entbindungsstation und sechs Ärzten nebst Pflegepersonal untergebracht. Anschließend wurde das Gebäude als Pflegeheim mit 33 Plätzen genutzt und bis 1998 betrieben.

Bedeutung, so Jänicke, hatte für Zeuchfeld der Lehm-, Kies- und Kalksteinabbau. Es sei hochwertiger Kalkstein gewesen, der dort seit dem 17. Jahrhundert gewonnen wurde, belegte der Ortschronist anhand von Urkunden. Die Steine wurden unter anderem beim Bau des Schlosses Neu-Augustusburg in Weißenfels und der Ziegelscheune in Markwerben verwendet.

Weinbau, durch die Bauern von 35 damals ansässigen Gehöften betrieben, ist urkundlich seit 1485 belegt. 1835 schlossen sich die Bauern der Naumburger Weinbaugesellschaft an. Bedeutung hatte einst auch der Obstbau, vorwiegend von Kirsch- und Pflaumenbäumen.

Auf ein historisches Kuriosum machte Jänicke ebenfalls aufmerksam: Ab 1911 wird für wenige Jahre (bis 1913) Zeuchfeld ein regionales Zentrum der Wandervogelbewegung, einer Revolution gegen die starren Erziehungsmethoden der damaligen Zeit. Jugendliche wollten sich einen Lebensraum ohne Erwachsene schaffen, wobei es oft – aus dem Blickwinkel der damaligen Zeit gesehen - recht freizügig zuging. Der Bauer Gustav Rockstroh hatte den jungen Leuten als Landheim eine Hütte zur Verfügung gestellt. Die Zeuchfelder sollen die Wandervögel toleriert haben, gemeinsam feierten sie das einjährige Jubiläum.

Hoch interessant sind die Forschungen zur Armutsfürsorge im Dorf. 1845 wurde sie von Pfarrer, Bürgermeister und Ortsschöffen organisiert und durch Einzahlungen der Bauern in eine Armenkasse finanziert. Waisenkinder wurden in Familien aufgenommen, diese bekamen finanziellen Zuschuss, die Kinder durften aber nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Für mittellose Familien baute das Dorf ein Armenhaus. Anfangs einfach gebaut, später vielfach umgebaut, diente es zuletzt - bis 1998 - als Gemeindebüro.

Fotos begutachtet

Zeuchfelder, die nicht über Land verfügten, gründeten 1947 einen Schrebergartenverein mit 20 Parzellen, den Schulgarten inbegriffen. Der Verein wurde bald nach der Wende aufgelöst.

Gefragt waren die Zeuchfelder schließlich, als alte Fotos aus der Schul- und Kindergartenzeit gezeigt wurden. Da war bald eine lebhafte Diskussion im Gange und der Chronist erhielt wertvolle Hinweise zu Namen und Daten. Einige Zeuchfelder, wie Marlies Lützkendorf hatten auch Fotos aus Familienbesitz mitgebracht. Ein Kindergarten war 1947/48 für zwölf bis 14 Kinder eingerichtet worden. 1984 wurde eine Küche gebaut, zuvor erhielten die Kinder das Essen aus der Krankenhausküche.

1993 wurde der Kindergarten geschlossen. Paul Jänicke, der spannend erzählen kann, erntete am Ende viel Beifall, aber auch manche Bereicherung seiner Chronik.

Eine Zeichnung überliefert das Aussehen des Landheims der Wandervögel in Zeuchfeld. Von 1911 bis 1913 war das Dorf ein regionales Zentrum dieser Jugendbewegung.
Eine Zeichnung überliefert das Aussehen des Landheims der Wandervögel in Zeuchfeld. Von 1911 bis 1913 war das Dorf ein regionales Zentrum dieser Jugendbewegung.
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