Luftbilder von Blindgängern
Lossa. - Gemeinderäte und Einwohner verfolgten gespannt die Ausführungen, die Geologe Dietmar Staude vom Sachverständigenbüro Weßling zu möglichen Altlasten im Raum Lossa machte. Im Ort kursieren seit Ende des Zweiten Weltkrieges Gerüchte und Vermutungen um die Verkippung von Giftgasgranaten und Brandbomben im Bereich der ehemaligen Schachtanlage und des abgerissenen Kasernengeländes der Sowjetarmee. In den 30er Jahren hatte hier das Heereszeugamt ein großes Munitionslager (Muna) eingerichtet. Im Oktober 1944 verlegten die Gustloff-Werke einen Teil ihrer Produktion von mit chemischen Kampfstoffen gefüllten Sprengkörpern und Bomben von Weimar nach Lossa. Dietmar Staude hat bei seinen Recherchen, die ihn auch in die Archive der amerikanischen und britischen Geheimdienste führten, interessante Details ermittelt. Ein von den Amis sofort nach der Besetzung eingesetzter Erkundungstrupp ermittelte 80 500 mit Weißkreuz- und Gelbkreuzkampfstoff gefüllte Sprengmittel. Die Muna Lossa war auf die Herstellung von Brandbomben spezialisiert. Die Bevölkerung von Lossa habe damals riesiges Glück gehabt, denn bei dem großen Bombenangriff im April sei ein Munitionszug getroffen worden, welcher auch mit Kampfstoffbomben und -granaten beladen war. Luftbildaufnahmen der Amerikaner zeigen einen riesigen Krater am Bahnhof. Durch die sich entwickelnde Hitze sei das Giftgas aber schadlos verbrand.
Bei ihren Aufräumungsarbeiten hätten die Russen damals die gefundenen Sprengkapsel und Artilleriemunition einfach in die Schächte gekippt. Auch über 2 100 Phosgenbomben sollen diesen Weg genommen haben. Dabei soll es eine ungeheure Explosion gegeben haben. Deren Ursache konnte Staude nicht ermitteln. Eines sei jedoch sicher: Dabei wurden die Kampfstoffe völlig vernichtet.
18 000 Tabun-Bomben hätten die Amerikaner abtransportiert und zu Tierversuchen verwendet. Später habe man sie vor Irland im Meer verklappt. 500 000 Blaukreuzgranaten seien ebenfalls im Meer gelandet. Man habe in Lossa in den sechziger Jahren nur 500 aufgehackte Bombenkörper gefunden. Im Zuge seiner Recherchen konnte der Sprengstoffexperte die 29 Verdachtsflächen stark reduzieren. Für die neun verbliebenen Risikoflächen müssten nun Prioritäten gesetzt werde. Die Luftbildaufnahmen zeigten Einschläge von Bomben, welche noch heute als Blindgänger eine Gefahr bildeten. Diese müssten zuerst gesucht und entschärft werden. Mit Kampfstoffen gefüllte Bomben seien ausgeschlossen. Nachweislich gege es Bereiche, in denen solche Bomben vergraben wurden, doch sei vorher der Kampfstoff entfernt worden.
Man habe auch das Wasser in den Schachtröhren auf erhöhte Radioaktivität untersucht, aber nichts gefunden. Die Russen hätten sich bei ihrem Abzug nicht atomarer oder anderen chemischer Stoffe entledigt. Eine Gefahr bestehe noch durch eventuelle Blindgänger, welche im Bereich des ehemaligen Flugzeugschießplatzes in der Erde liegen könnten. Das größte Problem bestehe im Bereich der Ziele, die sich auf Thüringer Seite befinden. Spaziergänger sollten die ausgeschilderten Sperrgebiete zur eigenen Sicherheit ernst nehmen.