1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. Schuften am 24. Dezember: Krippen-Dienst statt Krippenspiel - acht Menschen, die Heiligabend gerne arbeiten

Schuften am 24. Dezember Krippen-Dienst statt Krippenspiel - acht Menschen, die Heiligabend gerne arbeiten

Einer Kuh ist es egal, ob Heiligabend ist, und in der Naumburger Notaufnahme gibt’s auch kein „Heute geschlossen“. Tageblatt/MZ hat mit Menschen gesprochen, die am 24. Dezember arbeiten müssen (oder „dürfen“, wie alle sagen).

Von Margarete Arendt und Harald Boltze Aktualisiert: 23.12.2025, 16:48
Obwohl die „Krippe“  in der Bibel eher als Babyschale dient, ist sie  zuvorderst erst mal ein  Futtertrog. In der  Milchviehanlage  in Spielberg haben die Kühe jeden Tag Hunger, egal ob Heiligabend oder nicht. Sandra Weißwange versorgt sie.
Obwohl die „Krippe“ in der Bibel eher als Babyschale dient, ist sie zuvorderst erst mal ein Futtertrog. In der Milchviehanlage in Spielberg haben die Kühe jeden Tag Hunger, egal ob Heiligabend oder nicht. Sandra Weißwange versorgt sie. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg. - In allen Schulen, den meisten Baubetrieben und bei etlichen Handwerkern fiel am Freitag der Hammer. Viele andere Werktätige mussten am Montag und Dienstag noch mal ran. Das Jahr war anstrengend genug, die Erholung der Festtage tut gut. Doch auch am Heiligabend gibt es Menschen in unserer Region, die vor oder nach dem gemütlichen Beisammensein mit den Liebsten noch einmal zum Dienst gehen. Tageblatt/MZ hat mit ihnen gesprochen.

Sandra Weißwange, Landwirtin: Kühen ist Weihnachten kein Begriff – sie haben trotzdem Hunger und müssen gemolken werden. Deswegen wird Weißwange auch schon am frühen Morgen die Tiere der Milchviehanlage des Landguts Möllern in Spielberg versorgen. Sie füttert die Kälbchen, mistet den Stall aus und kümmert sich um die Milchkühe, die nicht von selbst den Melkautomaten aufsuchen. „Die meisten Kühe gehen allein zu den Maschinen und lassen sich melken. Manche sind aber zu faul und bleiben lieber liegen“. Wer in der Landwirtschaft arbeite, wisse, dass auch an Feiertagen die Betriebe nicht stillstehen. „Mir macht das Spaß“, erzählt die Landwirtin, die zu Hause auch noch eigene Tiere hat: Rinder, Schweine, Hühner, Enten, Gänse und ihre zwei Hunde warten nach dem Feierabend auf sie. „Die Tiere sind dankbar. Wenn ich bei ihnen bin, fahre ich runter.“

Jörg Skorupa, Chefarzt, und Marion Bock, Stationsleitung der Notaufnahme: In der Notaufnahme des SRH-Klinikums in Naumburg wird sich Weihnachten und Silvester unter der Belegschaft aufgeteilt. An einem der Feiertage muss man auf jeden Fall ran, erklärt Bock, „das ist unser Beruf.“ Wer Heiligabend in die Notaufnahme kommt, sei oft besonders dankbar dafür, dass auch an diesen Tagen die ärztliche Versorgung steht, erzählt Skorupa.

Die Klinik-Angestellten Marion Bock und Jörg Skorupa.
Die Klinik-Angestellten Marion Bock und Jörg Skorupa.
(Foto: Torsten Biel)

„Es kommt aber auch oft zu bewegenden und emotionalen Momenten, zum Beispiel, wenn wir Patienten dabehalten müssen, obwohl sie natürlich lieber zu Hause wären.“ An Arbeitstagen wie Heiligabend kämen die Mitarbeitenden der Notaufnahme noch mal persönlicher zusammen. „Wir freuen uns, im Team die Stabilität zu haben“, so Skorupa. Zusammen mit dem Rettungsdienst wird gemeinsam zu Abend gegessen.

Apropos Essen: Die üppigen weihnachtlichen Mahlzeiten machen sich in der Notaufnahme bemerkbar. Von Bauchbeschwerden über verschluckte Knochen sei alles dabei. Einmal habe eine Person sogar mal aus Versehen einen Weihnachtsstern verschluckt und sei damit in der Notaufnahme gelandet, erzählt Skorupa.

Annekatrin Jahn, Verkäuferin in der „Total“-Tankstelle: Getränke und Süßwaren, das seien die Produkte, die über die Feiertage am meisten gekauft würden, berichtet Jahn. Seit 31 Jahren arbeitet sie schon an Tankstellen, seit 15 Jahren ist sie Mitarbeiterin der Total Energies Tankstelle in Freyburg. „Wir könnten zu Weihnachten ein Supermarkt sein, die Leute kommen hierher und kaufen ein, was sie vergessen haben.“

„Total“-Angestellte Annekatrin Jahn
„Total“-Angestellte Annekatrin Jahn
(Foto: Torsten Biel)

An den Feiertagen arbeiten zu müssen, findet Jahn „überhaupt nicht schlimm“. Als Dankeschön für diesen unermüdlichen Einsatz kämen über die Feiertage auch so manche Stammgäste mit kleinen Präsenten vorbei. Beliebt sei auch – wie sollte es Weihnachten anders sein –, auf eine Bockwurst vorbeizuschauen.

Matthias Karius, Cap-Markt-Mitarbeiter: In dem vom DRK betriebenen Naumburger Supermarkt in der Taborer Straße, wo Kollegen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten, sitzt Matthias Karius manchmal an der Kasse. Zumeist ist er aber für die Post-Station zuständig. So auch Heiligabend bis zum frühen Nachmittag. Seine Lese-Rechtschreibschwäche störe dabei kaum, sagt er. Im Gegenteil: Eine Zertifizierung schloss er gerade mit „Gold“ ab. Der momentane Ärger der Kunden rühre eher daher, dass die Paketstation draußen defekt ist. „Dafür können wir aber nichts“. Auch für den diesmaligen Heiligabend erwartet er eine lange Schlange.

Cap-Markt-Mitarbeiter Matthias Karius
Cap-Markt-Mitarbeiter Matthias Karius
(Foto: Torsten Biel)

Danach trifft der 27-Jährige sich mit seinen vier Naumburger Geschwistern zu Kartoffelsalat und Würstchen. „Wir schenken uns nichts. Hauptsache, wir sehen uns.“ Seine drei Geschwister aus Halberstadt waren zum 4. Advent da. Seine Eltern sind bereits verstorben.

Carola Mehner, Straßenbahnfahrerin: Auf die Frage, ob sie Heiligabend arbeiten muss, sagt Carola Mehner: „Ich darf!“, und das meint sie auch so. Von 9 bis 12 Uhr wird sie Schaffnerin in der Naumburger „Ille“ sein, denn dann ist der Weihnachtsmann an Bord. Deswegen – und weil im historischen Wagen gefahren wird – dürfte großer Andrang sein. „Als Assistentin der Geschäftsführung gehört Marketing zu meinem Job. Also bin ich im Einsatz.“ Dafür habe sie diesmal Silvester und Neujahr frei.

Straßenbahnfahrerin Carola Mehner
Straßenbahnfahrerin Carola Mehner
(Foto: Torsten Biel)

Dass ihr der Vormittag für die Vorbereitung des Heiligabends mit der Familie fehlt, sei nicht so schlimm. „Kartoffelsalat und Würstchen machen ja nicht viel Aufwand.“

Bettina Plötner-Walter, Pfarrerin: Entspannter als in den vorigen Jahren geht es für die Pfarrerin aus dem Pfarrbereich Eckartsberga zu: Nur drei Christvespern hält sie, in anderen Jahren waren es auch mal vier oder fünf. Heiligabend ohne Verpflichtungen kennt sie gar nicht – seit sie denken kann, war sie rund um die Gottesdienste involviert.

Pfarrerin Bettina Plötner-Walter
Pfarrerin Bettina Plötner-Walter
(Foto: Torsten Biel)

Vor der Zeit als Pfarrerin spielte sie im Krippenspiel oder sang im Chor – bei beidem übernimmt sie in Eckartsberga immer noch eine federführende Rolle. Damit sie während des Gottesdiensts alles unter einen Hut bekommt, und nicht ständig zwischen Predigt und Choranleitung wechseln muss, unterstützen ihre drei Kinder sie und singen an diesem Abend auch selbst im Kirchenchor Eckartsberga mit. Rührend findet die Pfarrerin, wie viele Kinder sich immer noch bei Krippenspielen engagieren, alle gehören dazu. „Heiligabend auf dem Dorf ist wirklich etwas Zauberhaftes“, findet Plötner-Walter. Sehr bewegend sei es, wie auch in den kleinsten Ortschaften alle mithelfen würden, den Tag zu etwas Besonderem zu machen.

Marno Scherling, Taxiunternehmer: „Ruhiger und gediegener“ geht es Heiligabend bei Marno Scherling im Taxi zu – so zumindest die Prognose. Ein gängiger Auftrag zu Weihnachten: Ältere Personen aus dem Pflegeheim in die Häuser ihrer Familien bringen, damit diese an Heiligabend zur Bescherung zusammen sein können.

Taxiunternehmer  Marno Scherling
Taxiunternehmer Marno Scherling
(Foto: Torsten Biel)

Zu diesem speziellen Anlass gibt es auch mal Sonderwünsche: „Vor einigen Jahren wurde ein Fahrer von uns mal darum gebeten, die Großeltern im Weihnachtsmannkostüm abzuholen“, erinnert sich Scherling. Ein Wunsch, der gerne erfüllt wurde und für Freude sorgte. Ansonsten gibt es noch ein paar Fahrten zu Gottesdiensten, bevor dann abends die Partyfahrten losgehen. „Ab etwa 21 Uhr ist das Ziel oft eine Privatparty oder auch der Club ,Katze’ in Bad Kösen.“

DJ Steven W. in der „Katze“: Und auch in ebendiesem Club müssen Menschen dafür sorgen, dass eine Party steigt. Wobei von müssen hier keine Rede sei, betont Steffen Weber, der bereits seit 1992 als DJ Steven W. Musik auflegt. „Das ist das reinste Vergnügen!“ Während er sonst auch viel mobil unterwegs ist, auf Hochzeiten oder Firmen-Events auftritt, ist das DJ-Pult in der „Katze“ zu Heiligabend für ihn „eine besondere Freude zum Jahresende“.

DJ „Steven W.“
DJ „Steven W.“
(Foto: Wolfram Draht)

Die Nacht steht unter dem Motto „Santa Claus hört House“, und ist ein großes Wiedersehen für die DJ-Kollegen des Abends, aber auch für das Publikum des Clubs. Seit über 20 Jahren gebe es das Event, und für die Gäste sei es oft schon ein Ritual, nach der Bescherung in den Club zu gehen und bis tief in die Nacht zu tanzen und zu feiern. „Die Menschen sind total entspannt und freuen sich darüber, da zu sein. Für mich als DJ ist das ein Elfmeter ohne Torwart.“