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Hüter der Patientenakten

Von jana kainz 29.11.2012, 11:19

naumburg. - Über diese Unterlagen wachen drei Frauen: Cornelia Guthmann als Sachgebietsleiterin und ihre Kolleginnen Maritta Ruppich und Claudia Schmidt.

"Die Arbeit im Archiv kann man mit drei Stichpunkten deklarieren: Akten archivieren, Akten bereitstellen und die Schweigepflicht", fasst Cornelia Guthmann zusammen. Das klingt nach ruhiger Büroarbeit. Aber weit gefehlt. Um Akten einzuordnen oder angeforderte Unterlagen den Ärzten bereitzustellen, müssen die drei Frauen nicht nur die Computertastatur und die Maus bedienen, sondern auch kurbeln, um die Regale auseinanderzuschieben, sich recken und strecken, um an die oberste Aktenreihe heranzureichen, und auch schwer an den oft dicken Akten tragen. All das geschieht im Verborgenen. Und das nicht nur, weil sich das Archiv im Untergeschoss befindet, sondern auch, weil weder Arzt noch Schwester den Weg zu ihnen finden.

Als das Archiv noch in der Baracke im Garten untergebracht war, gab es ein Kommen und Gehen. "Wir hatten Kontakt zum ganzen Haus, die Ärzte und Schwestern kamen zu uns, und wenn wir die Akten austrugen, kamen wir mit den Patienten ins Gespräch", erinnert sich die Sachgebietsleiterin, die seit 1982 im Archiv arbeitet. So erfuhren sie und ihre Mitstreiterin einst von vielen Schicksalen. "Und man gewann medizinische Kenntnisse", so Cornelia Guthmann.

Begegnungsreich blieb der Arbeitsalltag auch, nachdem das Archiv aus der kalten, dunklen Baracke in das helle, aber kaum isolierte Dachgeschoss des Haupthauses Anfang 1990 umgezogen war. Dort wurde es enger, als Ende der 1990er Jahre die Außenstelle der Kinderklinik im Haupthaus mit untergebracht wurde. 150 Umzugskartons mit Akten musste das ohnehin volle Archiv übernehmen. Das Gros wurde im Dachboden verstaut. "Als die Not am größten war, kam die Technik", erzählt sie in Anspielung auf die Computer. Mit denen verschwanden die alten Bücher, in denen penibel vermerkt worden war, wo sich aktuell die Patientenakten befinden - ob im Archiv oder auf einer der Stationen. Die Papierberge wurden reduziert, ebenso aber auch der Kontakt zu den Ärzten, Schwestern, Patienten. Von den Letztgenannten hätten Anfang der 1990er Jahre besonders viele an die Archivtür geklopft. "Plötzlich konnte man sich Horoskope erstellen lassen, dafür brauchten die Frauen und Männer ihre genaue Geburtszeit, die wollten sie von uns wissen. Das konnte n wir damals zeitlich nicht leisten und heute dürfen wir das nicht mehr", erklärt die Leiterin.

Die Anforderung einer Akte wird den drei Frauen seit dem Einzug der Computer elektronisch übermittelt. "Für eilige Fälle wird die Rohrpost genutzt", sagt die Sachgebietsleiterin während durch das Rohr über ihrem Kopf wieder eilige Post rauscht. Im Mai 2010 rollte das Archiv durchs ganze Haus mit dem Ziel: Keller. Auf insgesamt 216 Quadratmeter wurde dort das Archiv erneut eingerichtet.

Jeden Umzug nutzte Cornelia Guthmann, um die Art und Weise der Archivierung zu verändern. Einst ordnete sie die Patientenakten nach dem Alphabet und dem Behandlungsjahr. Weil das Sortieren nach dem Namen spätestens dann problematisch wurde, wenn ein ehemaliger Patient geheiratet und damit einen anderen Namen hatte, entschied sie sich, die Akten nach Geburtstagen einzuordnen. "Sicherlich hat uns diesen Tipp jener Doktor der Archivwissenschaft gegeben, der uns seit 1998 begleitet", meint die Leiterin. Deshalb wurde im Rollarchiv für jeden Tag des Monats ein Regal aufgestellt. Mit verschieden farbigen Streifen an den Aktendeckeln ist codiert, in welchem Jahr der Patient im Krankenhaus gelegen hat.

Zum letzten Mal nehmen die Frauen die Akten mit den Farbstreifen der Liegejahre 2005 und 2006 in die Hand. "Sie werden verfilmt und im Mikrofilmarchiv abgelegt. Das Papier kommt in den Reißwolf", sagt sie. 1998 war das Archiv mit einer Schrittschaltkamera ausgerüstet worden. Weil immer mehr Patientenakten anfielen und somit auch mehr Arbeit, bekam das Archiv eine schnellere Kamera - eine Durchlaufkamera. Inzwischen haben sich 1 100 Filme angesammelt, die in einem vergleichsweise kleinen Schrank untergebracht sind. "Wären das alles noch Papierakten", so die Leiterin, "hätten wir hier anbauen müssen."