Finanzen Haushalt der Stadt Naumburg: Erweist sich Gewerbesteuer als Lichtblick?
Wie in den Vorjahren kann die Stadt ihren Etat auch 2022 nur durch einen Griff in die Rücklagen ausgleichen. Defizit von knapp vier Millionen Euro.

Naumburg - „Im Jahr eins nach Herrn Opel“, wie es Naumburgs Oberbürgermeister ausdrückte, begrüßte Armin Müller (CDU) die Stadträte des Finanzausschusses zur ersten Lesung des Haushaltsplans für 2022. Unterstützung erhielt er von seiner neuen Kämmerin Stefanie Töpfer, die im Herbst Diethard Opel abgelöst hatte. „Konstruktiv und erfolgreich“, so Töpfer, sei die Haushaltsaufstellung gelaufen, unter anderem dank der Mitarbeit der erfahrenen Kollegen wie etwa Elke Harnisch, die seit 30 Jahren den Durchblick in Naumburgs Kassen hat. Warum eine „erfolgreiche Haushaltsaufstellung“ allerdings ein Minus von fast vier Millionen Euro ergibt, verlangt Erklärung. Tageblatt/MZ liefert sie.
Wie sieht der Naumburger Etat für 2022 aus? Das Volumen des Ergebnishaushalts ist mal wieder gewachsen. Allerdings stehen Ausgaben von rund 74,41 nur Einnahmen von 70,47 Millionen Euro entgegen. Ein Minus von rund 3,94 Millionen, das in den beiden Beratungen mit den Stadträten im Herbst sogar noch deutlich höher angedroht worden war. Es sei ein „Kraftakt“ gewesen, so OB Müller, das Ziel „unter vier Millionen Defizit“ zu erreichen. Natürlich stimme das Minus aber „sehr nachdenklich“, wenngleich 80 Prozent aller Gemeinden in Sachsen-Anhalt das Schicksal eines unausgeglichenen Haushalts teilen würden, wie Müller gegenüber dem Finanzausschuss deutlich machte.
Welchen Anteil hat TWN-Misere?
Erfreulich sei die mit elf Millionen Euro vergleichbar hohe Investitionstätigkeit. Schulsanierungen, Ost-Tangente, Theater, Rudererbootshaus und Feuerwehrtechnik sollen damit unter anderem finanziert werden, wobei neben Fördermitteln auch 2.214.700 Euro aus Kreditaufnahmen nötig sind (siehe Grafik „Schuldenabbau“).
Welchen Anteil hat die TWN-Misere? Die Krise des Naumburger Energieversorgers (wir berichteten mehrfach) betrifft auch den Naumburger Haushalt. 227.300 Euro werden in diesem Jahr als zusätzlicher Liquiditätszuschuss an die Kurbetriebsgesellschaft Naumburg/Bad Kösen kalkuliert. In den kommenden drei Jahren werden jährlich sogar 459.000 Euro zusätzlich nötig.
Welche Folgen könnten aus dem Minus erwachsen? Kurzfristig erst mal keine. Wie in den Vorjahren können die Defizite aus Rücklagen beglichen werden. Von 2011 bis 2017 konnte ein Polster von 12,7 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Etwa 6,6 Millionen mussten aber bereits in den Vorjahren angezapft werden.
Für 2022 reicht der Puffer also noch. Doch was danach kommt, steht in den Sternen. Fallen auch die Jahresabschlüsse 2018 und 2019, die in diesem Jahr vorliegen sollen, so positiv aus, dass sie die Rücklagen erhöhen? „Das wissen wir noch nicht. Schlimmstenfalls droht uns eine Konsolidierung, und da würde uns die Kommunalaufsicht zuerst unsere hohen Freiwilligen Aufgaben von 8,4 Prozent ankreiden“, so der OB. Zur Einordnung: In manch anderen Kommunen, die sich beispielsweise keine Schwimmhalle und kein Theater leisten, liegen diese freiwilligen Ausgaben nur bei drei oder vier Prozent.
Kommentare der Räte
Was sagen die Räte zur Vorlage der Verwaltung? Nun, in der ersten Lesung ging der Etat mit sechs Ja-Stimmen sowie drei Enthaltungen durch. Detailnachfragen konnte die Verwaltung gut parieren. Grundsätzlich wurde hingegen Stadtrat Felix Böcker (CDU). Er kritisierte, dass Jahr für Jahr eine klamme Situation, zuweilen auch ein Defizit in Aussicht gestellt wird, dieses sich Jahre später, wenn der entsprechende Abschluss vorliegt, aber in ein Plus verwandelt. „Das ist Geld auf der hohen Kante, das ich lieber in der Stadt investieren würde.“ Uwe Droese (SPD) erwiderte, es sei doch besser, vorsichtig zu kalkulieren, als ein plötzliches Minus zu kassieren. Auf Nachfrage von Tageblatt/MZ zur jahrelangen Diskrepanz von düsteren Prognosen und erfreulichen Abschlüssen, sagte OB Müller: „Das hängt auch damit zusammen, dass Land und Bund manchmal unverhofft, auch vor Wahlen, die Schatullen öffnen, was wir aber zunächst nicht einkalkulieren können.“
Welche Besonderheit weist der Haushalt noch auf? Ein riesiges und überraschendes Plus von 1,1 Millionen Euro ergab sich bei der Gewerbesteuer. Wie, haben wir nicht Pandemie?, wird sich mancher fragen. Doch diese Steuern stammen noch aus den Erträgen der Vor-Corona-Zeit. Daraus eine in Blüte befindliche Naumburger Wirtschaft abzuleiten, wäre also verfrüht. Wobei Stadtrat und Küchenbauer Ralf Schleife (CDU) sagte: „Da die Leute nicht in den Urlaub fahren konnten, waren die Auftragsbücher voll, und ich kenne viele Unternehmer, denen es ähnlich ging.“
Den 628-seitigen Haushaltsentwurf finden Interessierte online im Ratsinformationssystem der Stadt.