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"""Fühlen uns mit Region verbunden"""

30.03.2010, 14:56

Halle/MZ. - Was hat Sie aus Lyon nach Karsdorf geführt?

Dr. Bernhard Kleinsorge: Lafarge lässt seine Führungskräfte an verschiedenen Standorten Erfahrungen sammeln, damit Know-how weltweit transferiert wird und einheitliche Standards umgesetzt werden. Jeder Wechsel bringt außerdem neue Ideen und Denkweisen mit sich. Das ist Teil unserer Unternehmensphilosophie.

Lafarge vermeldet für 2009 einen Umsatzrückgang. Wie sieht es für das Werk in Karsdorf aus?

Kleinsorge: Die Auswirkungen der Krise auf das Werk in Karsdorf waren zum Glück bisher noch verhalten. Zwar ist der Zementabsatz in Karsdorf wie auch in Deutschland letztes Jahr um mehr als neun Prozent gesunken. Doch im Vergleich zu Ländern wie Spanien und Griechenland ist das bisher noch glimpflich. Das Werk Karsdorf profitiert derzeit noch von den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit - gegenwärtig vor allem von der ICE- Neubaustrecke, aber auch vom Autobahnbau. Das wirkt sich für uns bereits seit einigen Jahren positiv aus. 2009 waren zwischen 15 und 20 Prozent des Produktionsvolumens durch diese Projekte gesichert. Trotzdem war 2009 auch für unser Werk kein leichtes Jahr.

Lafarge ist weltweit tätig. Welche Rolle spielt das Werk in Karsdorf?

Kleinsorge: Karsdorf zählt innerhalb der Lafarge Gruppe schon seit der Wiedervereinigung zu den bedeutendsten Werken in Mitteleuropa. Lafarge expandiert seit einigen Jahren aber auch sehr stark in Richtung Osteuropa, Asien und Naher Osten, dorthin, wo die Nachfrage nach Zement boomt. Und dabei muss man wissen, dass zum Beispiel Lafarge-Werke in Ägypten an einem Tag locker das Vierfache der Zementmenge produzieren können, die wir in Karsdorf herstellen.

Ihr Unternehmen nennt für Karsdorf die Zahl von 250 Mitarbeitern. Wie wird sich das entwickeln?

Kleinsorge: Das hängt natürlich immer davon ab, wie sich der Absatz in den nächsten Jahren entwickelt. Der Zementverbrauch in Deutschland wird dieses Jahr laut der Prognosen auf das Niveau von 1988, also noch vor der deutschen Einheit zurückgehen. Das wird sich im Markt widerspiegeln. Aber Karsdorf ist nach wie vor einer der wichtigsten Standorte von Lafarge in Europa und dank der zahlreichen Infrastruktur-Großprojekte sind wir zuversichtlich, dass das Werk auch in Zukunft ein wichtiger Arbeitgeber in der Region bleiben wird.

Personalabbau ist also hier kein Thema?

Kleinsorge: Einschnitte sind derzeit nicht geplant. Aber es gibt immer den allgemeinen technischen Fortschritt, der uns stets wieder darüber nachdenken lässt, ob frei werdende Stellen zwingend neu besetzt werden müssen.

Wie sind da die Aussichten für den Facharbeiter-Nachwuchs?

Kleinsorge: Bei entsprechenden Leistungen gut. Wir haben derzeit 26 Auszubildende und versuchen jedes Jahr, die besten Lehrlinge zu übernehmen. Unsere Ausbildung genießt einen sehr guten Ruf, daher kommen unsere Azubis auch gut in anderen Betrieben in der Region unter. Trotzdem ist es für uns als Zementwerk manchmal nicht so einfach, qualifizierten Facharbeiternachwuchs zu finden. Obwohl das Werk ein interessantes technisches Umfeld mit riesigen Anlagen und vollautomatisierten Systemen bietet, erscheint es jungen Leuten mitunter nicht so sehr attraktiv. Das sieht bei Ingenieuren schon wieder ganz anders aus, weil die Unternehmens-Gruppe natürlich interessante internationale Karriereaussichten bietet.

Um sich Nachwuchs zu sichern, arbeiten Sie mit Schulen zusammen, haben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Aufbau Unstrut-Finne auch ein Stipendium ausgelobt.

Kleinsorge: Wir fühlen uns sehr mit der Region verbunden und unterstützen daher seit vielen Jahren die verschiedensten Projekte, Schulen und Organisationen. Wir haben zum Beispiel im Rahmen der Stiftung Aufbau Unstrut-Finne kürzlich wieder zwei neue Stipendien für Studierende vergeben, bisher waren es 27. Wir haben auch sehr viele Kontakte zu Vereinen, da gibt es einen ständigen Austausch. Wir betrachten uns als Teil der Region und wollen uns vor Ort einbringen. Das gilt unabhängig davon, ob der Werkleiter, so wie mein Vorgänger, von hier stammt oder, wie ich, aus Baden-Württemberg.

Der Wechsel auf dem Chefsessel des Zementwerkes hat in dieser Hinsicht bei manchem Sorge ausgelöst. Werden Sie die Unterstützung für Vereine im bisherigen Umfang beibehalten?

Kleinsorge: Wir haben im ersten Quartal etwa 20 Anträge von Vereinen positiv beschieden. Das entspricht ungefähr dem bisherigen Umfang. Natürlich achten wir darauf, dass eines unserer Hauptziele, nämlich die Jugendarbeit zu unterstützen, gewahrt wird. Jugendarbeit wird ja unter anderem in den Sportvereinen geleistet. Auch darüber hinaus unterstützen wir in unserer unmittelbaren Umgebung viele Vereine, Organisationen und Einrichtungen, das ist historisch gewachsen und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Auch die Eisenbahnfreunde der Region sehen im Zementwerk einen "stillen Verbündeten": Solange das Zementwerk da ist, wird man die Unstrutbahn nicht stilllegen, sagt sich dort mancher.

Kleinsorge:Der Betriebsbahnhof Karsdorf ist für uns tatsächlich ein wichtiger Standortfaktor. Wenn die Unstrut-Strecke irgendwann in Frage gestellt würde, ließe uns das auf keinen Fall gleichgültig.

Gegenwärtig nutzen Sie dieses Potenzial aber nicht.

Kleinsorge: Das liegt an der jetzigen Kundenstruktur. Die Situation kann sich aber ändern. Im Großraum London zum Beispiel ist Lafarge aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sehr rasch und in großem Umfang von LKW auf den Schienentransport umgestiegen. Auch wenn die Situation hier eine andere ist, wollen wir uns diese Möglichkeit offen halten.