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kleinjena/Naumburg - In Kleinjena werden vorerst keine Flüchtlinge untergebracht. Der Vergabeausschuss des Kreistages lehnte den Plan der Kreisverwaltung ab, den Saal des „Grünen Tals“ anzumieten (wir berichteten). Die für Freitag geplante Einwohnerversammlung wurde abgesagt. Die Großjenaer Karnevalsfreunde, die den Saal für ihre Veranstaltungen nutzen, können damit kurzzeitig aufatmen. Die Entscheidung des Ausschusses hat jedoch noch deutlich weitreichendere Konsequenzen - und zwar für das Handeln von Landrat Götz Ulrich (CDU).
An Ulrichs Problem, jede Woche eine dreistellige Zahl von Flüchtlingen unterbringen zu müssen, hat sich nämlich nichts geändert, geschweige denn verbessert. Er könnte nun Widerspruch gegen die Entscheidung des Ausschusses einlegen und mit Hilfe des Kreistages versuchen, Kleinjena „durchzupeitschen“. Doch davon hält Ulrich nichts: „Es geht nur miteinander.“
Ein Knackpunkt, warum die Entscheidung der Räte gegen Kleinjena fiel, war, dass es sich um einen kleinen Ort ohne die nötige Infrastruktur, etwa Einkaufsmöglichkeiten, handelt. Doch die Frage ist, ob man es sich angesichts der immensen Schar der Asylsuchenden überhaupt leisten kann, auf die Unterbringung in der Provinz zu verzichten. Eine Frage, auf die Landrat Ulrich am 17. November während eines Sonder-Kreistages eine klare Antwort der gewählten Volksvertreter hören will. Dabei sagte er unserer Zeitung gestern klipp und klar: „Wenn man sich dafür ausspricht, Flüchtlinge nur in Infrastruktur-Orten unterzubringen, dann geht es schon bald ohne die Turnhallen und viele weiteren öffentlichen Gebäude nicht mehr.“
Dies ist eine Trendwende: Noch am Montag hatte Ulrich im Kreistag gesagt, es müsse das Ziel sein, auf die Nutzung von Turnhallen zu verzichten. Die nun von ihm aufgeworfene Gretchenfrage „Dörfer oder Turnhallen“ entspringt dem überraschenden Votum gegen Kleinjena. Überraschend deshalb, da der Vergabeausschuss bisher alle Vorschläge Ulrichs unterstützt hatte. Für Kleinjena heißt das nun: Sollte sich der Kreistag am 17. November für die Konzentration auf die Städte und damit für die Turnhallen entscheiden, wäre das „Grüne Tal“ als Unterkunft passé. Als wahrscheinlicher (aber wie schwierig sind derzeit Prognosen?!) erscheint jedoch das Votum, dass auch kleinere Orte genutzt werden sollen. „Dann würde ich auch das Thema Kleinjena wieder aufrollen“, so der Landrat.
Die vermeintliche Schlappe in puncto „Grünes Tal“ hat Götz Ulrich aber noch zu einem weiteren Sinneswandel bewogen. Aber anders als gedacht. Hatte Ulrich doch vor, den Kreistag darum zu bitten, dass er bei der Anmietung von Unterkünften demnächst nicht mehr den Vergabeausschuss einschalten muss. Quasi eine Alleinentscheidungsgewalt, um dem rasanten Ansturm mit weniger Bürokratie Herr zu werden (Ausschüsse müssen erst mit gewisser Vorlaufzeit einberufen werden). Nun aber das Umdenken: „Ich möchte dieses Thema mit dem Kreistag diskutieren, habe nun aber beschlossen, dass ich solche Entscheidungen auch weiterhin nicht allein treffen möchte. Ohne den Rückhalt aus dem Kreistag geht es nicht. Das ist Teil der Demokratie. Auch wenn das Rückschläge bedeuten kann.“ An welchen Grenzen der Demokratie er sich eh schon bewegt, weiß Ulrich: „Ich treffe Entscheidungen gegen den Willen sehr vieler Menschen. Aber ich kann, darf und will die Flüchtlinge nun mal nicht einfach wieder wegschicken - und auch nicht erschießen, wie das zum Teil gefordert wird“, so der Landrat gegenüber unserer Zeitung.
Auf die Frage, wie viel Prozent seiner Zeit momentan die Flüchtlingsproblematik in Anspruch nimmt, meinte Ulrich trocken: „90!“ Ein schlechtes Gewissen, dass viele andere Themen darunter leiden und vernachlässigt werden, habe er aber nicht. „Erstens gibt es manchmal einfach Zeiten, in denen gewisse Dinge absolut prioritär sind, und zum anderen haben wir hier im Amt viele Mitarbeiter, die sich intensiv mit den anderen Themen beschäftigen.“