Durch den Fels im Schneckentempo
Herrengosserstedt/Schwanau. - "Die Maschine ist ein Unikat. Ihre Konstruktion ist genau auf die Geologie vor Ort abgestimmt", erzählt Christian Draeger. Der Diplom-Geoökologe arbeitet im Unternehmen Herrenknecht, dem Hersteller, und kennt die Gesteinsformationen unter Tage, weiß um die Schwierigkeiten. Während der erste Teil der Strecke ab dem Portal West nahe Herrengosserstedt aus verwittertem und sehr wasserhaltigem Gestein besteht, gibt es nachfolgend härteres Material zu bewältigen.
Die rund 15 Millionen Euro teure Maschine wird deshalb umgebaut, bekommt nach einem Schildvortrieb, der die Wand gleichzeitig stützt, einen Bohrkopf für Hartgestein. Doch S-419 bohrt nicht nur. Sie transportiert die Gesteinsmassen ab und setzt zudem die so genannten Tübbinge in den frei gewordenen Raum ein, die schließlich einen Ring aus Beton bilden. 24 000 dieser Segmente werden für eine Röhre des mehr als 6,9 Kilometer langen Finnetunnels benötigt. Das Innenleben der Maschine gleicht dagegen einem Schiff. Über schmale Treppen gelangt man auf verschiedene Ebenen. Es gibt mehrere Kabinen: jeweils eine für die Stromversorgung, für die Steuerung und den Notfall. "Neben dem Schichtmeister und seinem Stellvertreter werden pro Schicht neun Spezialisten darauf arbeiten", sagt Bernd Otten, der technische Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft Finnetunnel, der in Herrengosserstedt die Fäden des Gesamtprojektes in den Händen hält und sich in dem Werk des Herstellers nahe der französischen Grenze von der Vortriebsmaschine und damit auch von der Arbeit von Rolf Drexler ein Bild macht.
Der 45-Jährige gehört zu den hauptverantwortlichen Monteuren, die seit November den Riesenbohrer zusammengesetzt haben. "Wir begannen mit einer kleinen Mannschaft, schließlich waren wir 40 Mann pro Schicht. In der Woche leisteten wir rund 2 000 Stunden Arbeit", blickt der Herrenknecht-Mitarbeiter zurück. Obwohl er noch immer Ehrfurcht vor jener Technik hegt, sei die Montage einer solchen Maschine mittlerweile Routine. Die erste große Vortriebsmaschine baute Rolf Drexler vor 20 Jahren zusammen. Allerdings ist er bisher noch nie durch einen der Tunnel gefahren, der mit seiner Arbeit den Anfang nahm. Und S-419 hat von ihm auch keinen Kosenamen erhalten. Den bekommt sie jedoch Ende April während einer Schildtaufe, wie Bahn-Sprecher Frank Kniestedt versichert. Der Name bleibe vorerst noch ein Geheimnis. Sicher ist dagegen, dass die erste Maschine einen Zwilling an die Seite gestellt bekommt, um so die zweite benötigte Tunnelröhre zu bohren. Mit einer Geschwindigkeit von 16 Metern pro Tag. Schneckentempo im Verhältnis zu den Zügen, die ab 2015 auf der neuen ICE-Strecke zwischen Halle und Erfurt mit knapp 300 Stundenkilometern unterwegs sind.
Dann wäre Chef und Firmengründer Martin Herrenknecht 72 Jahre alt. Begeisterung für den Finnetunnel und für die Bahn zeigt er schon jetzt: "Er ist eine interessante Aufgabe. Und wenn man schneller mit dem Zug ist, brauchst du dich nicht mehr in ein Auto zu setzen."