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Ausflug in eine andere Welt

Von jana kainz 22.03.2012, 16:21

naumburg. - Doch bevor sie ihren Diavortrag über ihren Schüleraustausch starten konnten, zeigten die Erwachsenen unter den Gästen, was in ihnen steckt. OLG-Präsident Winfried Schubert hatte sie elegant animiert, mit ihm Eduard Mörikes Frühlingsgedicht "Frühling lässt sein blaues Band ..." zu rezitieren.

Dass der poetische Auftakt durchaus zum Thema passe, daran ließ Gymnasiallehrerin Brigitte Heinig keinen Zweifel: "Viel Poesie steckt auch in der Landschaft Armeniens und in den Menschen." Was sie genau damit meinte, wurde während der Berichte der vier Gymnasiasten Karolin Kempa, Ulrike Emmrich, Sandra Kern und Moritz Schier deutlich. Sie lernten den Binnenstaat im Kaukasus während eines zehntägigen Schüleraustausches kennen. Diesen habe einst Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz mit ins Leben gerufen, erzählte Brigitte Heinig, die die deutsch-armenische Schulpartnerschaft mit aufgebaut hat und seither pflegt.

Schnell war die Aufregung der Schüler verflogen. Anschaulich erzählten sie, von ihren Eindrücken. Beeindruckt habe sie die vielen Gegensätze wie die gepflegten Denkmäler einerseits und andererseits die mit Müll übersäten Straßen; die herzliche Gastfreundschaft ihrer Gastfamilien, die nicht alle mit Wohlstand gesegnet sind und teils auf den Boden schliefen, damit die deutschen Gastschüler ein eigenes Zimmer bewohnen konnten. Erstaunt waren sie über die dürftige, mit überaltertem Mobiliar ausgestattete 60. Mittelschule Eriwans, die ihre Partnerschule ist. Indes seien die Mittel, um eines der beiden Deutschkabinette neu einzurichten, dieses Jahr gestrichen worden. Deshalb helfen die Naumburger Schüler, Spenden zusammenzutragen, um die 500 Euro aufzubringen, die das neue Möbel für ihre Partnerschule kostet.

Sie berichteten von ihrem Schulbesuch und von den Ausflügen. So warfen sie auch Lichtbilder wichtiger Sehenswürdigkeiten an die Wand des Gerichtssaals und erzählten dabei aus der Geschichte, vom Völkermord, von den mit dem hiesigen Lebensstandard nicht vergleichbaren Lebensumständen und auch von dem für sie unfassbaren Ausschluss behinderter Menschen vom alltäglichen Leben. Mit Unterstützung ihrer Lehrerin, der dieser Schüleraustausch ganz offensichtlich ans Herz gewachsen ist, beantworteten sie noch viele Fragen wie zum Schulsystem oder zur Berufsausbildung. Auf die Frage, welche Erfahrung die beeindruckendste neben der schier unglaublichen Gastfreundschaft sei, meinte Ulrike Emmrich: "Ich habe gelernt, mit Menschen besser umzugehen, in diese reinzuschauen anstatt nur darauf, was sie besitzen." Und mit einem Zitat des Dichters Jean Paul sprach Schubert zum Abschluss den Schülern gewiss aus dem Herzen: "Die Erinnerung ist das einzige Paradies, woraus wir nicht vertrieben werden können."