Arche Nebra Arche Nebra: Von der Scheibe in den Himmel

Freyburg - Wenn von Winzern und Kellermeistern, den Weinmachern in der jüngeren Geschichte des Weinbaus an Saale-Unstrut die Rede ist, kommt man an Rudolf Thürkind nicht vorbei. Als er 1950 das Licht der Welt erblickte, geschah das in einer Familie, die seit Generationen Reben anbaute. Urgroßvater August Nerre (1850 geboren, ein Bauer und Zimmermann), hatte in Weischütz die ersten Reben gepflanzt. Den Weinanbau pflegte auch sein Sohn, der Bauer Friedrich Nerre (1885).
Weinbau ist Familientradition
Doch Vater Augusts Weinstöcke vernichtete die Reblaus, und Friedrich musste in den Ersten Weltkrieg. Er geriet in Gefangenschaft, arbeitete bei einem Bauern in Frankreich, der ebenfalls Winzer war. Als er 1919 heimkehrte, pflanzte er wieder erste Reben und 1924 dann 3 000 Stöcke. Den Wein kelterte er selber.
Mit 360 Hektar Anbaufläche ist die Winzervereinigung Freyburg der größte Weinhersteller der Saale-Unstrut-Region. Unter den von ihr angebauten Weißweinen dominieren Müller-Thurgau, Weißburgunder, Silvaner und Riesling, gibt es aber auch Exoten wie den Hölder, der deutschlandweit nur noch auf sechs Hektar zu finden ist. Bei den Rotweinen liegen Portugieser als der Klassiker, und Dornfelder an der Spitze.
„Die alte Presse und einige Fässer von damals habe ich aufgehoben“, sagt Rudolf Thürkind. In den 1930er Jahren wurde Friedrich Nerre Mitglied der Winzergenossenschaft Freyburg und vor seinem Tod teilte er die Rebanlagen unter seinen Töchtern auf. Rudolfs Mutter Ruth bekam 3 000 Stöcke. Das ist der Ursprung des heutigen Thürkindschen Weinguts.
„Wir mussten schon als Kinder im Weinberg tüchtig mit helfen und nicht nur bei der Weinlese“, erinnert sich Rudolf Thürkind. Den Beruf hat er dennoch nie in Frage gestellt. 1965 begann er in der Winzergenossenschaft die Lehre zum Weinküfer, arbeitete als Geselle und qualifizierte sich zum Meister. Seit 1975 ist er Kellermeister in der Genossenschaft, jahrzehntelang der oberste Weinmacher in Freyburg. Gute Weine reiften in den Fässern und holten zahlreiche Medaillen auf den Weinmessen in Ungarn und Jugoslawien. Acht Sorten Saale-Unstrut-Wein kelterte die Genossenschaft, heute sind es über 20. Die man aber auch im Weinhandel oder bei den Winzern kaufen kann.
Einst mit Wein aus Freundesland
In der DDR waren die Originalabfüllungen Mangelware. Da wurde aus der Not die Tugend gemacht. Verschnitt-Weine gab es öfters mal im Konsum und in der HO. Der Kellermeister nennt da Namen, die den Älteren noch geläufig sein dürften - den „Schlosskeller“, den „Winzerkeller“ und den „Kastellan“. Auch „Wein aus Freundesland“ sollte Abhilfe schaffen. „Da kamen dann Kesselwagen mit Wein aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien an, die am Freyburger Bahnhof umgepumpt werden mussten und in der Genossenschaft trinkfertig gemacht wurden“, weiß Thürkind.
„Winzerstolz“ und „Feine Traube mild“ waren einige der Fantasienamen, unter denen sie in den Handel kamen. Selbst Tafeltrauben, die nicht mehr verkaufsfähig waren, kamen in die Traubenpresse und wurden zu Bowle-Wein verarbeitet.
Heute mit modernster Technik
Was ist nun anders geworden in all den Jahrzehnten? „Die Kellerwirtschaft verfügt heute über mehr Möglichkeiten, um den Wein nach dem Pressen besser zu schleifen“, wie es Thürkind nennt. Die Labortechnik ist ausgereift, die Gär- und Reifeprozesse können besser überwacht werden.
Der Kellermeister denkt auch an die schwere Arbeit in den Kellern. Die Hefe wurde in Eimern, eineinhalb Zentner schwere Zuckersäcke über die Treppen getragen. Hartes Brot auch das Fässerscheuern. Die Genossenschaft kelterte ja überwiegend in Holzfässern, 160 an der Zahl. „Das alles spürst du jetzt in den Knochen und Gelenken“, weiß Thürkind. Auch in den Weinbergen hat sich viel verändert. Im Schnitt 55 bis 65 Hektoliter Wein je Hektar wurden damals von den rund 300 Hektar der Genossenschaftsmitglieder erzeugt. Heute sind es bis zu 90 Hektoliter.
Mit Jahresende wird Rudolf Thürkind Abschied von der Winzervereinigung nehmen. Eine lange Zeit liegt hinter ihm. Er hat das 50., das 60. und 70., das 75. und 80. Jubiläum der Freyburger Winzervereinigung mit gefeiert. 48 Jahre und vier Monate sind das genau, die er für Wohl und Wehe des Genossenschaftsweins verantwortlich war. Nun gemeinsam mit den jungen Kellermeistern Hans-Albrecht Zieger und Knut Kiok.
Mit Wein verbunden bleibt Rudolf Thürkind auch weiterhin, inzwischen von der Statur durchaus ein Bacchus. Mit den familieneigenen Weinflächen von 1,5 Hektar hatte Ehefrau Birgit das Weingut 1990 in Gröst gegründet. 2004 hat es – inzwischen sehr erfolgreich mit sechs Hektar – Sohn Mario Thürkind übernommen, der in Bad Kreuznach Weinbautechnik studiert hat.
Gefragter Juror
Des Seniors besondere Vorliebe gilt den Rotweinen des Familiengutes – Domina, Blauer Zweigelt und Portugieser. Ein Portugieser Barrique holte 2012 zur Landesweinprämierung Gold. Darauf ist er besonders stolz.
Ja, und dann wird der Weinexperte aus Gröst deutschlandweit geschätzt. Seit 1994 ist er Juror in der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), die alljährlich die Bundesweinprämierung durchführt, und er hat zudem Sitz und Stimme bei der Vergabe der Landesweinpreise. Wir werden also auch weiterhin von Rudolf Thürkind hören.