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Vor 1.000 Jahren starb Bischof Thietmar Vor 1.000 Jahren starb Bischof Thietmar: Ein Chronist im Zentrum der Macht

Von Michael Bertram 19.08.2018, 13:00
Eine Darstellung Thietmars ist im Chor des Merseburger Doms zu sehen.
Eine Darstellung Thietmars ist im Chor des Merseburger Doms zu sehen. Marco Junghans

Merseburg - Wahrhaftig und authentisch ist das Werk, das wohl wie kein zweites Auskunft gibt über den Verlauf des ausklingenden Frühmittelalters in unseren Breiten.

Die sich über gleich acht Bände erstreckende Chronik, der Merseburg unter anderem das Wissen über die Grundsteinlegung des Doms im Jahr 1015 verdankt, ist wie ein Spiegelbild der Seele eines Mannes, der mit anderen aber auch mit sich selbst schonungslos ins Gericht ging. Autor dieses mit unzähligen Details gespickten Werks ist der legendäre Merseburger Bischof Thietmar, dessen 1.000. Todestag sich nun jährt.

Thietmar: Wann genau der Chronist das Licht der Welt erblickte, ist nicht geklärt

Wann genau der Chronist das Licht der Welt erblickte, ist nicht geklärt. Historiker sind sich sicher, dass er 975 oder früher als Spross der Grafen von Walbeck (nordöstlich von Helmstedt) geboren wurde und damit zum Hochadel im römisch-deutschen Reich gehörte.

Als Mitglied der adligen Familie von Walbeck erhielt der spätere Bischof seine Ausbildung im Stift Quedlinburg und an der Magdeburger Domschule. Dabei überzeugte er den Magdeburger Erzbischof Tagino von sich. Ein wichtiges Moment auf Thietmars Lebensweg, denn Taginos Einfluss hat er es zu verdanken, dass er im Jahr 1009 zum Bischof von Merseburg ernannt wird. Das Bistum Merseburg ist da gerade einmal vier Jahre alt. Nur wenige Jahre vergingen, da will Thietmar selbst den Grundstein für den Merseburger Dom gelegt haben, dessen Weihe er im Jahr 1021 nicht mehr erlebte, da er bereits drei Jahre zuvor stirbt.

Mit dem Erklimmen des Bischofstuhls sitzt Thietmar im Zentrum der Macht

„Mit dem Erklimmen des Bischofstuhls sitzt Thietmar im Zentrum der Macht“, meint Markus Cottin, Domstiftsarchivar bei den Vereinigten Domstiftern zu Merseburg und Naumburg. Für sein Erbe, die Chronik, ist dieser Schritt sehr bedeutsam. Denn als Reichsbischof mühte er sich nicht nur um die Einhaltung liturgischer Pflichten und der Missionierung nicht-christlicher Gruppen. Er zog auch auf friedliche und kriegerische Reisen des Königs mit.

Was er dabei erlebte, schilderte er so, wie er es sah. Ohnehin gab es zu Thietmars Zeiten wenig schön zu reden. Das Leben war hart und aufgrund zahlreicher bewaffneter Auseinandersetzung mitunter auch sehr blutig. Als echter Chronist wollte Thietmar niemandem gefallen. „Sein Bistum gut darzustellen, das ist für Thietmar eine Motivation dafür, die Chronik zu verfassen“, sagt Markus Cottin.

Thietmar: Sein Schreibstil ist zu dieser Zeit einzigartig

Dennoch verzichtet er beim Verfassen der Chronik - unterstützt wurde er dabei von mehreren Schreibern - auf schmückende Elemente und feine Formulierungen. Er schilderte die große wie kleine Politik, den Glauben und selbst das alltägliche Leben im Zeitalter der Ottonen.

Sein Schreibstil ist zu dieser Zeit einzigartig, betont Cottin. „Es sind Beiträge, die man heute wohl eher in der Regenbogenpresse finden würde“, sagt er. Als Beispiel nennt Cottin die Schilderung, wie König Heinrich I. in einer Nacht seine Gemahlin zum Sex gezwungen hat.

Thietmar: Das Christentum bedeutete dem Bischof alles

In seiner Amtszeit bis zu seinem Tod im Jahr 1018 rang der Bischof vor allem um Ansehen und Besitz für sein junges Bistum. Eine große Rolle spielten dabei auch die Grenzstreitigkeiten mit den Slawen. Thietmar interessierte sich durchaus für diese Nachbarn. Das zeigt sich in ausführlichen Berichten. Sogar ihre Sprache soll er gelernt haben. Auch wenn er Berichte über die Missionierung in seiner Chronik ausspart, dürfte diese eine wichtige Rolle für ihn gespielt haben.

Das Christentum bedeutete dem Bischof alles - sogar mehr als ein guter Draht zum Herrscher. So kritisierte er Heinrich II. scharf, weil er mit einigen slawischen Stämmen gegen die christlichen Polen kämpfte - für Thietmar ein Bund mit den Heiden.

Thietmar: Im Alter von 43 Jahren stirbt der Chronist

Im Alter von 43 Jahren stirbt der Chronist. Unter welchen Umständen, ist unklar. „Man kann aber davon ausgehen, dass dies zu jener Zeit ein gewöhnliches Sterbealter war“, sagt Markus Cottin. Da er die Fertigstellung des Doms nicht erlebte, befand sich das Grab Thietmars zunächst in der alten Bistumskirche. Nach der Weihe der Kathedrale wurden seine Gebeine in die Bischofskapelle des Doms verbracht.

Seinen letzten Wunsch hat er nicht in seiner Chronik, sondern handschriftlich an der T-Initiale im über 1.000 Jahre alten Merseburger Toten- und Messbuch hinterlassen: „Priester Gottes, gedenke deines sündhaften, unwürdigen Bruders Thietmar“, heißt es dort. Die Initiale spielt auch 1.000 Jahre nach seinem Tod eine wichtige Rolle - mit ihr versuchen die Domstifter auf die Sonderausstellung aufmerksam zu machen, die an eine der größten Persönlichkeiten der Merseburger Geschichte erinnert. (mz)

Die T-Initiale ist mit Thietmars Handschrift versehen.
Die T-Initiale ist mit Thietmars Handschrift versehen.
Marco Junghans