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Unwetter hinterlässt Trümmerfeld Unwetter hinterlässt Trümmerfeld: Sturm verwüstet Farnstädt

Von Michael Bertram 09.07.2015, 09:01
In Farnstädt wurde ein Wohnhaus vom umherfliegenden Wellblechdach einer benachbarten Lagerhalle getroffen und stark beschädigt.
In Farnstädt wurde ein Wohnhaus vom umherfliegenden Wellblechdach einer benachbarten Lagerhalle getroffen und stark beschädigt. Marco Junghans, Michael Bertram Lizenz

Farnstädt/Alberstedt - Vorsichtig stapft Helmut Beßler durch die Trümmer. Sein Grundstück am Ortseingang des beschaulichen Örtchens Farnstädt sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Gewaltige Holzsplitter ragen in die Höhe, überall liegen spitze Nägel. Bei jedem Schritt knarzt das Wellblech, über das sich Beßler einen Tag nach dem gewaltigen Unwetter seinen Weg bahnt.

Orkanböen reißen Metall vom Dach

Schwerste Orkanböen hatten am späten Dienstagabend das Metall vom Dach einer benachbarten Lagerhalle gerissen und förmlich um Beßlers Wohnhaus gewickelt, das gestern dastand wie eine aufgeplatzte Geschenkbox. „Das Unwetter kam von Norden“, erinnert sich der Hausherr. Zwei, drei Minuten hätten gereicht, um so viel Chaos anzurichten. Gerade noch so habe er sich ins Haus retten können, sagt Beßler. Bis zum letzten Moment hatte er noch versucht, seine Kamerunschafe von der Weide in Sicherheit zu bringen. „Als alles vorbei war, mussten wir einzelne Tiere unter den Blechen vorziehen, passiert ist ihnen nichts“, sagt er. Zuvor hatte er selbst aus dem Fenster seines Hauses springen müssen, weil das Trümmerfeld die Tür blockierte.

Nicht nur auf seinem Grundstück hatte der Sturm Spuren der Verwüstung hinterlassen. In Farnstädt war praktisch jeder Hausbesitzer in irgendeiner Form von Sturmschäden betroffen. Mal waren es Ziegel, in anderen Fällen Bäume und Äste, die den Orkanböen nicht standhielten und sich selbstständig machten. Ein Mann wurde leicht verletzt, als er von einem Baum getroffen wurde. Auch in den benachbarten Orten Schraplau und Alberstedt hatte das Unwetter gewütet und immense Schäden angerichtet.

Rund eine Million Euro Schadem

Die schätzte der Landkreis gestern zunächst auf eine Million Euro. Mindestens. Es wird noch Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bis alle Schäden behoben sind. Um sich ein Bild von der Lage zu machen, besuchte Landrat Frank Bannert (CDU) gestern die betroffenen Orte. „Angesichts dieser Schäden durch Naturereignisse fühlt man sich ohnmächtig“, meinte der Landrat und sagte den Bürgermeistern jede erdenkliche Hilfe zu.

„Die brauchen wir auch dringend“, betonte Farnstädts Bürgermeister Frank Mylich (parteilos). Er führte den Landrat gestern in Arbeitshose und T-Shirt durch den Ort, weil er selbst bei den Aufräumarbeiten mit anpackte. „Wir wissen gar nicht, wie wir ohne schwere Technik das ganze Zeug da rauskriegen sollen“, erklärte er Bannert neben dem Teich im Ortszentrum, in den unzählige Baumteile gestürzt waren. Der Rundgang über den Hof des Kindergartens erinnerte an einen Ausflug in den Dschungel: Wie im Urwald lagen Bäume kreuz und quer auf der Wiese, überall Äste. Ein Pavillon wurde von einem umstürzenden Baum zerschmettert. Im Hintergrund brummten die Kettensägen im Akkord.

Entsetzt zeigte sich der Landrat beim Anblick einer Biogasanlage am Ortsrand. Teile eines Hallendachs hatten die Hüllen mehrerer Behälter aufgeschlitzt oder komplett zerstört. „Explosionsgefahr bestand zu keinem Zeitpunkt“, gaben Mylich und Verbandsgemeindebürgermeisterin Roswitha Meyer (parteilos) Entwarnung.

Im benachbarten Alberstedt war ein Großteil der Einwohner auch gestern noch ohne Strom. Orkanartige Böen hatten vier Hochspannungsmasten bei Alberstedt umgeknickt, diese ließen in der Folge auch zehn Masten der Mittelspannungsleitung umstürzen. „Auch die Leitung für den Bahnstrom wurde beschädigt“, sagte eine EnviaM-Sprecherin. Zeitweise seien 2.000 Menschen ohne Strom gewesen. In der Nacht zu heute sollten die Reparaturarbeiten abgeschlossen sein, hieß es.

Wie der Kreis mitteilte, waren seit Dienstagabend 500 Kräfte von 32 Feuerwehren im Dauereinsatz. Hinzu kamen 500 Freiwillige. 50 weitere Kräfte entsandte der Kreis gestern nach Halle. Die Stadt hatte dringend um Unterstützung gebeten. (mz)