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Tag des Kaffees Tag des Kaffees: Zeitreise im Merseburger Kaffee-Kontor

Von Michael Bertram 08.09.2013, 17:12
In riesigen Schütten hält der Merseburger Kaffee-Händler Joachim Lelewel Sorten aus aller Welt bereit.
In riesigen Schütten hält der Merseburger Kaffee-Händler Joachim Lelewel Sorten aus aller Welt bereit. Marco Junghans Lizenz

Merseburg/MZ - Mit einem lauten Scheppern prasseln dutzende Kaffeebohnen aus der Schütte in einen silbernen Trog. „Hier, riechen Sie mal, wie schokoladig die Bohnen duften“, sagt Joachim Lelewel wenig später, als er dem Kunden die Dose eines weiteren Kaffees unter die Nase hält.

Wer das Kaffee-Kontor des 46 Jahre alten Inhabers in der Merseburger Gotthardstraße besucht, unternimmt eine Zeitreise. Denn das Geschäft wirkt wie ein kleines Hafenbüro aus der Kolonialzeit, in dem gerade frische Lieferungen aromatischer Bohnen aus den exotischsten Gebieten der Welt eingetroffen sind. Nicaragua, Guatemala, Galapagos - die Aufdrucke auf den als Deko an der Wand hängenden Jutesäcken verraten, aus welchen Gebieten zum Teil Lelewel seine Ware bezieht.

Weder die Auswahl der Kaffees noch die Gestaltung seines 2005 eröffneten Ladens überlässt der Händler dem Zufall. „Ich sage immer, das ist Lagerwirtschaft mit Muschebubu“, meint der 46-Jährige, während er zwischen Transportkartons steht. „Da entdecken die Leute auch viel mehr.“

Der Merseburger Kaffeehändler Joachim Lelewel verkauft in seinem kleinen Merseburger Kontor in der Gotthardstraße 34 gut 60 verschiedene Sorten Kaffee, darunter auch eigene Mischungen. Die Kaffeesorten werden nach der Beschaffenheit der Bohnen unterschieden.

Am bekanntesten ist nach der Systematik Arabica- und Robusta-Kaffee. Arabica besitzt einen Weltmarktanteil von rund 60 Prozent. Die Bohnensorte enthält nur etwa halb so viel Koffein wie die Bohnen der Sorte Robusta, die 36 Prozent Marktanteil verzeichnet. Sie zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie widerstandsfähiger sein und eine kürzere Reifungszeit benötigen soll. Hinzu kommen einige Raritäten wie etwa die Bohnen Excelsa, Stenophylla oder Maragogype.

70 Länder betreiben wirtschaftlich relevanten Kaffeeanbau. Die wichtigsten Ursprungsländer für Deutschland sind Brasilien, Vietnam, Honduras, Peru und Äthiopien. Jeder Deutsche trinkt laut Deutschem Kaffeeverband jährlich durchschnittlich 149 Liter des unverzichtbar gewordenen Heißgetränks und damit mehr als etwa Mineralwasser (137 Liter) und Bier (105,5 Liter).

Auch wenn der gebürtige Bad Dürrenberger schon Einkaufsmärkte geführt oder als Fahrlehrer gearbeitet hat - den Wunsch, einen Kaffeeladen zu betreiben, hegte er schon kurz nach der Wende. „Vielleicht lag es daran, dass dieser Supermarkt-Kaffee mir irgendwann auf den Magen geschlagen ist“, sagt er. Mit echtem Kaffee hätten die dort verkauften Produkte seiner Meinung nach ohnehin wenig zu tun. „Bei den großen Röstereien geht es doch nur um Masse, da werden Unmengen an Bohnen für ein bis drei Minuten durch Turboröster gezogen“, erklärt Lelewel, der ausschließlich mit kleinen Lohnröstereien zusammenarbeitet. Da dort nur kleine Chargen verarbeitet werden, seien die Kaffees geschmacklich immer ein wenig anders. Er schätzt die Arbeit der kleinen Röstereien, die auch auf Wünsche der Händler eingehen. „Rösten ist das kontrollierte Verbrennen eines Lebensmittels - es sind nur Sekunden, bis aus Geschmack einfach nur bitter wird“, erklärt er die Kunst.

Während er über die Feinheiten des Kaffeeröstens redet, rührt Lelewel selbst in einer Tasse mit dem Heißgetränk. „Viele denken immer, dass ich den ganzen Tag Kaffee trinke“, erzählt er. Dem sei aber nicht so. Auch einen echten Favoriten unter den 60 verfügbaren Sorten in seinem Kontor habe er nicht. „Jetzt trinke ich peruanischen und an jedem Wochenende nehme ich mir andere Bohnen mit“, sagt Lelewel. Auf eines lege er als Kaffeetrinker aber großen Wert: „Die Pressstempelkanne ist die beste Variante zum Aufbrühen.“

Das Regal mit den großen Kaffeedosen ist wie ein Atlas. Auf einem Blick reist man um die Welt: Indian Bio-Robusta, Kenya Superstar, Cuba Turquino steht handgeschrieben auf kleinen Zetteln an der Front. Gibt es wenigstens bei seinen Kunden einen Liebling unter all den Kaffees? „Urwald-Kaffee“, sagt Lelewel. „Der aus Äthiopien.“ Die schönste Anekdote habe er übrigens auch mit einem „afrikanischen“ Kaffee erlebt, wie er sagt. „Eines Tages kam ein älterer Herr in mein Geschäft und verlangte den Kaffee aus Togo“, erzählt der Händler. Es dauerte einen Moment, bis es Klick machte. Der Kunde hatte auf einem Aufsteller vorm Geschäft die Werbung „Kaffee to go“, also Kaffee zum Mitnehmen, gelesen. Seitdem versucht Lelewel, Anglizismen zu vermeiden.

Auch echte Genießer und Kaffee-Experten könnten in seinem Laden fündig werden. Ganz oben, auf den bis zu neun Kilogramm Bohnen fassenden Schütten, stehen Döschen mit Raritäten. Kopi Luwak zum Beispiel, der angeblich teuerste Kaffee der Welt, der aber wohl nicht jedem schmecken wird. Denn ihr Aroma erhalten die Bohnen im Darmtrakt einer Schleichkatzenart (siehe „Fakten“).

In den Schütten selbst sind zudem eigene Mischungen zu finden, die einen Bezug zu Merseburg aufweisen. Der Zaubersprüche-Kaffee soll etwa durch seinen duftigen, blumigen Blend aus Arabica-Bohnen bestechen.

Vor der Verabschiedung verrät der Kaffee-Experte dann aber doch noch einen Geheimtipp: Skybury, ein Kaffee aus Australien. „Der besitzt einen geringen Koffeingehalt und ist deshalb magenschonend.“ Na, dann. Wohl bekomm’s.

Joachim Lelewel
Joachim Lelewel
Junghans Lizenz