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Kreistagswahl 2024 im Saalekreis Strittige Stimmensammler: Gehören Bürgermeister in den Kreistag?

Zwei von drei Bürgermeister im Saalekreis kämpfen am 9. Juni um einen Sitz im Kreistag. Ihre Chancen sind dank hoher Bekanntheit traditionell hoch. In einigen Bundesländern wären solche Kandidaturen nicht möglich. Der Grund: die Sorge vor Interessenskonflikten.

Von Robert Briest 19.04.2024, 09:51
Der Kreistag im Saalekreis
Der Kreistag im Saalekreis Foto: Briest

Merseburg/MZ - Marggraf, Klecar, Halfpap, Krimm, Ringling – das Quintett bildet eine Minderheit unter den (Ober-)Bürgermeistern im Saalekreis. Sie treten nicht zur Kreistagswahl an. Ihre zehn Kollegen bewerben sich dagegen am 9. Juni um ein Mandat – und befeuern damit eine alte Diskussion: Gehören Bürgermeister in den Kreistag oder sind sie zu befangen?

Aus Sicht der Parteien (beziehungsweise im Falle des Saalekreis auch des Vereins UBV), die Bürgermeister in ihren Reihen wissen, ist die Antwort aus taktischer Sicht simpel: ja. Bürgermeister sind gute Stimmenfänger. Schon durch ihre mediale Präsenz haben sie einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad als die meisten Feierabendpolitiker. Das spiegelte sich 2019 im Wahlergebnis wider. In drei von vier Wahlbezirken holten Bürgermeister die meisten Stimmen für die CDU. Nur im Norden musste Salzatals Gemeindechefin Ina Zimmermann damals Frank Bommersbach den Vortritt lassen. Der ist allerdings auch Landtagsabgeordneter. Querfurts eigentlich parteiloser Bürgermeister Andreas Nette sicherte der SPD mit über 6.000 Stimmen gleich mehrere Sitze im Ständehaus.

Mehrwert: Erfahrung

Er kandidiert auch in diesem Jahr wieder für die Sozialdemokraten. Auf die Frage, ob Bürgermeister in den Kreistag gehören, sagt er „schwierig.“ Natürlich sei es immer ein Spagat, wenn es um die Kreisumlage gehe, jenen Teil ihrer Einnahmen, den die Kommunen zur Finanzierung des Kreises abgeben müssen. Aber aus Sicht des Querfurters überwogen in der Praxis bisher die Vorteile: „Man kann seine Kontakte und Ideen zu Gunsten des Kreises einbringen. Die Erfahrung und das Wissen, was man aus dem Tagesgeschäft hat, ist ein Mehrwert für den Kreistag.“

Das sieht dessen Vorsitzender Andrej Haufe (CDU) ebenso: „Bisweilen sind Bürgermeister in der Klemme, weil sie zwischen Interessen des Kreises und ihrer Kommunen abwägen müssen. Andererseits bringen sie Sachverstand mit in den Kreistag.“ Haufe saß selbst in seiner Zeit als Bürgermeister von Schkopau in dem Gremium. Aus seiner Sicht komme die Kritik an der Doppelfunktion vor allem von kleineren Parteien, die keine Bürgermeister hätten.

„Ich sehe keinen Grund“

Christian Runkel, Hauptverwaltungsbeamter der Goethestadt Bad Lauchstädt, zählt zur Partei mit den meisten Bürgermeistern auf dem Stimmzettel: der CDU. Er steht wieder zur Wahl und sagt: „Ich sehe keinen Grund, warum Bürgermeister nicht in den Kreistag sollten.“ Natürlich trete man da besonders für seine Kommune ein: „Aber das trifft auf jeden anderen Bürger zu. Mit der Kommune, aus der man kommt, ist man enger verbunden.“ Das sei ja eigentlich auch gewollt, weil die Vertreter aus den Kommunen ja am besten wüssten, was dort benötigt wird.

Es gibt aber auch konträre Ansichten – selbst beim Gesetzgeber. In mehreren deutschen Bundesländern ist es Bürgermeistern verboten, in den Kreistag einzuziehen, etwa in Niedersachsen. Dort hatte 2019 Goslars Oberbürgermeister geklagt, weil er bei der Kreistagswahl klar ein Mandat errungen hatte, um das anzutreten, aber seinen Chefposten in der Stadt abgeben sollte. Das Oberverwaltungsgericht lehnte seine Beschwerde ab, es sah die Gefahr von Interessenkonflikten, wenn es etwa um die Kreisumlage gehe. Auch könne er als OB einer größeren Stadt im Verhältnis zum Kreis ein „besonderes Gewicht mit erheblichen Einflussmöglichkeiten“ haben.

Petersbergs Bürgermeister will nicht

Das mit der großen Stadt im Rücken ist für Petersbergs Bürgermeister Ronny Krimm (parteilos) kein Problem. Er hat sich bewusst dagegen entschieden, zu kandidieren. Zwei Mal sei er von unterschiedlichen Fraktionen gefragt worden, ob er wolle, beide Male habe er abgelehnt. Ein Grund: Krimm ist Gemeindewahlleiter. Um kandidieren zu können, hätte er die Aufgabe abgeben müssen. Das wollte er nicht, weil er sich lieber um die Bewältigung der Aufgaben in seiner Kommune kümmere. „Der Kreistag bedeutet einen großen zeitlichen Aufwand. Den würde ich nicht schaffen.“

Krimm sieht noch andere praktische Schwierigkeiten: „Ich denke, es ist für Bürgermeister schwierig, die Grenze zu ziehen, wie weit bin ich in der Lage, unbefangen Entscheidungen für den Kreis zu treffen.“ Auch er führt das Beispiel Kreisumlage an: „Wenn der Kreistag beschließen müsste, die zu erhöhen, wären Bürgermeister in der Zwickmühle, weil es ihre Haushalte massiv belasten würde.“ In der Praxis hat der Kreis den Konflikt zuletzt umschifft, weil seit Jahren nicht an der Umlage gerüttelt wurde.

Nachteil ohne Bürgermeister im Kreistag?

Wenn so viele Bürgermeister im obersten Entscheidungsgremium des Kreises sitzen, stellt sich noch eine andere Frage: Sind Kommunen, deren Bürgermeister nicht im Kreistag sitzen, im Nachteil? Die Erfahrung habe er in seinen bisher anderthalb Jahren als Landsbergs Bürgermeister nicht gemacht, berichtet Tobias Halfpap (parteilos). „Ich habe ja Kreistagsmitglieder aus Landsberg, mit denen ich im Austausch stehe und über die ich Informationen bekomme.“ Halfpap wird auch weiter nicht im Kreistag sitzen. Er lebt in Halle, darf damit nicht kandidieren. Er hätte es aber auch nicht, sagt er, weil man als Bürgermeister im Kreistag zwischen den Stühlen sitze.

„Einen Nachteil sehe ich nicht“, sagt Kreistagschef Haufe. Alle Bürgermeister hätten ja Kontakt zum Landrat und den Dezernentinnen. Die Auffassung teilen die meisten Befragten. Bad Lauchstädts Rathauschef Runkel sagt: Einen Nachteil für eine Kommune gäbe es nur, wenn sie gar keinen Vertreter im Kreistag hätte. „Es ist wichtig, dass bei Problemen jemand den Finger in die Wunde legen kann.“ Ob das aber der Bürgermeister ein anderer Einwohner sei, sei egal.