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Saalekreis Saalekreis: Unkraut wird zu Öko-Kohle

Von Frank Czerwonn 01.08.2012, 19:01

Lochau/MZ. - Anfangs wandern sämtliche Gartenabfälle vom Grünschnitt bis zum Laub in die Anlage. Doch perspektivisch soll die Bio-Kohle sogar aus allen Abfällen der Bio-Tonnen produziert werden. Start ist im März 2013.

Entwickelt haben die Stadtwerke das ungewöhnliche Projekt mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum Leipzig (DBFZ). Dort wird seit 2009 erforscht, wie man aus Biomasse Energie gewinnen kann. Ein Schwerpunkt ist die hydrothermale Carbonisierung (HTC) - die Verkohlung unter Verwendung von Wasser und Wärme. "Wir haben angefragt, ob wir das nicht zusammen angehen können, denn wir haben ja viele Bioabfälle", erklärt Stadtwerke-Sprecherin Iris Rudolph.

Ein Jahr lang wurde im Labor experimentiert - unterstützt vom Bundesumweltministerium. Alle bei der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH (HWS) anfallenden Bioabfall-Arten wanderten in die Versuchsanlage, um sie in Kohle zu verwandeln. Die Ergebnisse wecken große Hoffnungen: "Denn wir können wirklich alles nutzen - den Grünschnitt vom Frühjahr genauso wie das Herbstlaub", erklärt DBFZ-Projektleiter Marco Klemm. Selbst mit Abfällen aus der Biotonne oder Gärresten der Bioabfallvergärung auf der Deponie Lochau funktioniere die Kohle-Produktion. "Egal mit welchem Ausgangsstoff - das Kohleergebnis ist weitgehend gleich", so Klemm.

Doch was genau entsteht da eigentlich? "Die Bio-Kohle ist eine Art Braunkohle mit vergleichbarem Heizwert", erklärt Klemm. Man könne sie in allen mit Braunkohle betriebenen Anlagen ebenso einsetzen wie - in Brikett- oder Pelletform - in Biomasseanlagen. "Unsere Kohle vereint die Anwendervorteile der Braunkohle und die Ökovorteile der Biomasse." Und auch die Energiebilanz dieser Kohleproduktion kann sich sehen lassen: "Je nach dem verwendeten Material werden höchstens 25 Prozent der Energie der Biomasse im Prozess verbraucht", so Klemm.

Kein Wunder, dass nun in Lochau die Dauerproduktion gestartet werden soll. "Ab März 2013 sollen in der Demonstrationsanlage jedes Jahr 2 500 Tonnen Bio-Reststoffe umgewandelt werden", erklärt Rudolph. Zum Vergleich: Bei der HWS fallen jährlich 8 000 bis 10 000 Tonnen Grünschnitt nur in Halle an. Die HTC-Anlage wird in Bayern bei der Firma Artec Biotechnologie gebaut und dann in Lochau installiert. 800 000 Euro werden in die Anlage investiert. Das Bundesumweltministerium fördert rund 40 Prozent dieses HTC-Gesamtprojekts. "Das ist bundesweit die erste kontinuierlich laufende Anlage in dieser Größenordnung", so Rudolph. Ein Jahr lang werden die Leipziger Wissenschaftler noch Messungen vornehmen, danach will sie die HWS kontinuierlich weiterbetreiben. Sogar die Verdopplung der Produktion auf 5 000 Tonnen Kohle jährlich ist laut Klemm planerisch schon bedacht.

"Wenn das Produkt erfolgreich ist, wäre das der Durchbruch für die Verwertung von kommunalen biogenen Reststoffen", sagt Matthias Lux, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke. Denn man wolle "weg vom Abfall hin zur Verwertung". Auch Klemm ist sich sicher: "Wir erschließen sehr bedeutendes Potenzial für die Zukunft." Er hofft, mit dem System drei problematische Stoffgruppen durch Umwandlung entsorgen zu können: Bioabfall, Klärschlamm und landwirtschaftliche Reststoffe. "Der Bedarf dafür ist riesig."