Neue Schulform mit Wohlfühleffekt
Schkopau/Bad Dürrenberg/MZ. - Der 17-jährige Rene Knof ist der erste männliche Praktikant im Merseburger Kindergarten "Völkerfreundschaft". Er spielt mit den Kindern, hält Schlafwache, passt auf, dass sie sich ordentlich die Zähne putzen und sich auf dem Spielplatz nicht verletzten. Es ist eine Praktikumsstelle, die Rene selbst gewählt hatte und schon seine vierte Station in einem Kindergarten. "Es macht einfach Spaß zu sehen wie Kinder sich entwickeln und neue Sachen lernen", erzählt der Schüler, der drei Tage pro Woche im Kindergarten arbeitet. Mittwochs und donnerstags drückt er nach wie vor die Schulbank - und es macht ihm sogar wieder Spaß.
Produktives Lernen heißt das Zauberwort. "Diese Lernform ist besonders für Schüler geeignet, die eigentlich schulmüde sind, schlechte Noten bekommen, bereits sitzen geblieben sind und Gefahr laufen, die Schule völlig ohne Abschluss zu verlassen", erklärt Annette Rösler, Lehrerin an der Sekundarschule Schkopau. In diesem Jahr wird sie gemeinsam mit Kollegin Kerstin Schneider den ersten PL-Kurs, der vor knapp zwei Jahren begann, ins Leben entlassen.
Der Unterschied zum traditionellen Unterricht: Der Theorieanteil ist mit 13 Unterrichtsstunden (Deutsch, Mathe, Englisch, Kommunikation) pro Woche recht niedrig. Der Praxisanteil (drei Tag pro Woche) wird gefördert. Ergeben sich Fragen aus der Praxis - zum Beispiel die Funktionsweise von Motoren oder Bremsen in einer Autowerkstatt oder im Handel die Prozentrechnung - wird darüber sofort im Unterricht gesprochen.
Ein Wohlfühleffekt tritt aber nicht nur deshalb ein, weil im Unterricht den Interessen der Schüler Rechnung getragen wird, sondern auch weil es keine Zensuren gibt. "Bei uns gibt es volle und halbe Punkte", erklärt Kerstin Schneider, die ausgebildete Deutsch- und Geschichtslehrerin.
Die Schüler, die derzeit in die 8. oder 9. Klasse des Produktiven Lernens in Schkopau gehen, kommen nicht nur aus Schkopau selbst, sondern zum Beispiel auch aus Roßbach, Mücheln oder Merseburg. Für manche, denen dieser Schulweg zu weit wäre, gibt es ab August eine weitere Möglichkeit, produktiv zu lernen, denn in Bad Dürrenberg soll an der Borlach-Sekundarschule ebenfalls eine PL-Klasse aufgemacht werden. Allerdings müssen sich sowohl für Schkopau als auch für Bad Dürrenberg etwa 24 neue Schüler melden, damit eine Klasse aufgemacht werden kann. "Ich hoffe, dass wir das schaffen", meint Norbert Hesse, der das Produktive Lernen mit Dirk Tschornak betreuen wird.
Im August hat der 17-Jährige Rene hoffentlich seinen Hauptschulabschluss in der Tasche und vielleicht sogar eine Ausbildung begonnen. "Ich hab' Glück gehabt, dass es das Produktive Lernen gibt", meint Rene. "Ich möchte Kinderpfleger werden und habe mich beworben. Leider bin ich auf der Warteliste, aber vielleicht klappt es ja trotzdem."
Info-Veranstaltungen:
Sekundarschule Schkopau, am 24. Mai, 19 Uhr, und am 18. Juni, 10 Uhr. Rückfragen unter Tel. 03461 / 723838
Borlach-Sekundarschule Bad Dürrenberg, am 31. Mai, 19.30 Uhr und am 15. Juni, 16.30 Uhr. Rückfragen unter Tel. 03462 / 211117