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Merseburg Merseburg: Schlaflos in Merseburg

Von Jan-Ole Prasse 01.01.2013, 18:01

Merseburg/MZ. - In dem kleinen Raum ist es still. Von den Böllern und Raketen bekommt Silvia Heidenreich-Jahn kaum etwas mit. Denn die Apothekerin hat an Silvester in der Domstadtapotheke im Merse-Center Notdienst schieben müssen. Und in dem Gewerbegebiet ist kaum etwas los. Dennoch gehört sie sicher zu den Leuten, die zum Jahreswechsel am längsten aufbleiben. Von 18 Uhr an Silvester bis 8 Uhr am Neujahrsmorgen dauert der Notdienst. "Ich leg mich in der Zeit nicht gerne schlafen", sagt Heidenreich-Jahn: "Ich habe immer Angst, dass ich in einer Tiefschlafphase das Klingeln nicht höre." Aus diesem Grund gibt es um zwölf Uhr auch keinen Sekt, der macht schläfrig. Stattdessen trinkt die 34-Jährige Kaffee. "Da ich den normalerweise nicht trinke, wirkt es bei mir besonders gut."

Da haben es die fünf Mitarbeiter beim Pizzaservice Freddy Fresh in Merseburg besser. Die müssen zwar auch an Silvester arbeiten, sich dafür aber nicht die ganze Nacht um die Ohren schlagen. Nur bis 20 Uhr werden Bestellungen angenommen. Und die tröpfeln an Silvester. Gerade einmal 30 Mal mussten die Fahrer des Pizzaservice, der erst am 15. Dezember im Bahnhof eröffnet hat, rausfahren. "Das ist heute schon sehr ruhig", sagt Marie-Luise Schneider. Die meisten Pizzen sind am Vormittag vorbestellt worden.

Und so gönnen sich die fünf Mitarbeiter zwischendurch auch mal einen Spaß. Aus Alufolie werden Brillen und Fühler gebastelt "und gesungen haben wir auch schon", erzählt Schneider. Wenn schon an Silvester arbeiten, dann müsse es auch mal locker zu gehen. Das brauchen die Mitarbeiter auch, schließlich mussten sie am Dienstag schon wieder um 10 Uhr antreten - zu einem deutlich stressigeren Dienst. "Neujahr ist der Tag der Tage beim Lieferservice", sagt Geschäftsführer Sebastian Pechhold: "Da wird richtig Umsatz gemacht."

Von gemeinsamem Spaß an Silvester ist die Apothekerin Heidenreich-Jahn weit entfernt. Schließlich muss sie ihren Dienst ganz alleine verrichten. Für sie ist das aber unproblematisch. "Weihnachten wäre viel schlimmer gewesen", sagt die Mutter von zwei kleinen Töchtern. Nur für ihre fünfjährige Tochter sei es ungewohnt, dass Mama an Silvester arbeiten muss. "Als mir meine Mutter zum Abschied einen guten Rutsch ins neue Jahr gewünscht hat, hat sie etwas beleidigt gerufen: 'Die Mama muss arbeiten, die kann nicht feiern.'"

Beim Pizzaservice dagegen bereitet man sich ab 19 Uhr angesichts der sporadischen Bestellungen schon auf die persönliche Silvesterfeier vor. Für Marie-Luise Schneider ist es ein ungewohnter Jahreswechsel. Nicht wegen der Arbeit, "das gehört in der Gastronomie einfach dazu", sondern wegen der Stadt. Denn eigentlich arbeitet Schneider in der Filiale in Dresden. In Merseburg ist sie nur, um die neuen Mitarbeiter anzulernen und die Filiale ins Laufen zu bringen. "Ich wohne hier alleine in einer Pension", sagt sie. Aber immerhin sind noch drei Freunde vorbeigekommen, so dass um Mitternacht zumindest gemeinsam angestoßen werden kann.

Für Silvia Heidenreich-Jahn muss um kurz nach zwölf ein Anruf bei der Familie genügen. Ihr Silvester besteht größtenteils aus Büroarbeit. In den Nachtdiensten komme sie endlich mal dazu, was ansonsten im Alltag liegen bleibe. "Später werde ich dann aufräumen, irgendwann brauche ich Bewegung, um wach zu bleiben." Und natürlich kommt immer mal wieder ein Kunde vorbei. Viele werden direkt aus dem Krankenhaus zur Apotheke geschickt, da dort nur Medikamente für den Entlassungstag ausgegeben werden dürfen. "Schmerzmittel braucht man am meisten, dazu Grippemedikamente und Antibiotika. Und an Silvester speziell Arzneien gegen Hörsturz."

Sie hat in Nachtdiensten aber schon weit kuriosere Wünsche gehört. Ein Jugendlicher kam nachts um drei Uhr und wollte eine Aknecreme haben. "Bei mir sind schon Frauen vor dem Notschalter in Tränen ausgebrochen, als ich keine Pille danach mehr vorrätig hatte", erzählt sie. Davon bleibt die Apothekerin in dieser Nacht verschont.