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Chemiker mit NS-Vergangenheit Merseburg: Chemiker mit NS-Vergangenheit - Günther Adolphi soll vom Campusverschwinden

Von Michael Bertram 05.10.2017, 07:00
Seit 2014 sorgt die Günther-Adolphi-Straße in Merseburg für Diskussionen.
Seit 2014 sorgt die Günther-Adolphi-Straße in Merseburg für Diskussionen. Peter Lisker

Merseburg - Fast drei Jahre nach Beginn des Streits um die Widmung der Günther-Adolphi-Straße in Merseburg will die Hochschule einen Schlussstrich ziehen. Wie die MZ erfuhr, hat sich der Senat der Hochschule in der vergangenen Woche mit großer Mehrheit darauf geeinigt, der Stadt Merseburg die Entwidmung vorzuschlagen.

Günther Adolphi: Verstrickungen des Chemikers aus Merseburg in der NS-Zeit nicht restlos aufgeklärt

Hintergrund ist die Rolle des Chemikers und Ehrenprofessors der Merseburger Hochschule Günther Adolphi in der Nazizeit, die nicht restlos aufgeklärt werden konnte. „Es gibt keine eindeutigen Hinweise, die auf Verstrickungen hinweisen, aber moralisch ist die Widmung der Straße nach ihm aus unserer Sicht nicht mehr tragbar“, sagte am Mittwoch der Rektor der Hochschule, Jörg Kirbs, auf Anfrage der MZ.

Grund ist die Tätigkeit des fachlich anerkannten Wissenschaftlers in Auschwitz-Monowitz. Dort hatte Adolphi zwischen 1943 und 1945 für die IG Farben in Funktion eines Unterabteilungsleiters den Aufbau einer Methanolanlage begleitet. Bekanntermaßen wurden für die Produktion auch KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter eingesetzt.

An Verbrechen in Auschwitz beteiligt?: Auch Gutachten über Adolphi kann keine endgültige Antwort geben

Ob sich Adolphi während seiner Arbeit in Auschwitz direkt schuldig gemacht hat, dazu konnte auch ein von der Hochschule in Auftrag gegebenes Gutachten des NS-Experten und Leiters der Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Stefan Hördler, keinen direkten Aufschluss geben. Laut Kirbs seien in dem Schriftstück jedoch viele neue Aspekte enthalten, die zusammengesetzt eine Bewertung ermöglichen. Und gemäß dieser rückt die Hochschule von der Widmung der Straße nun ab.

In den nächsten Tagen soll der Stadt die Entscheidung schriftlich zugestellt und auch genauer begründet werden, kündigte Hochschulrektor Jörg Kirbs bereits an. In dem Schreiben werde dann auch empfohlen, die Straße umzubenennen.

Unklar ist, ob die Hochschule gleichzeitig einen neuen Namensvorschlag unterbreitet. Denn sämtliche Straßennamen im Bereich des Campus, auch die Adolphi-Straße, gehen auf eine Initiative der Hochschule im Jahr 2014 zurück.

Zufallsfund brachte NS-Vergangenheit von Günther Adolphi zutage

Nach Bekanntwerden der Tätigkeit Adolphis in Auschwitz durch einen Zufallsfund von historischen Dokumenten in Bad Dürrenberg waren nicht nur die Hochschule, sondern auch die Stadt in die Kritik geraten. Unter anderem hatte das Internationale Auschwitz-Komitee, ein Zusammenschluss von Auschwitz-Überlebenden und ihren Organisationen, Stadt und Hochschule Schlampigkeit vorgeworfen, weil sie die Biografie Adolphis nicht genau überprüft hatten. „Es mutet makaber an, 2014 eine Straße auf einem Hochschulcampus nach einem Wissenschaftler zu benennen, der tief ins Auschwitz-System verstrickt war“, erklärte damals Christoph Heubner, Geschäftsführender Vizepräsident des Auschwitz-Komitees.

In der Folge hatte Kirbs Günther Adolphi als herausragenden Wissenschaftler gewürdigt und erklärt, dass die Vorwürfe zum Zeitpunkt der Namensfindung unbekannt waren. Fortan war der Rektor bemüht, weitere Recherchen anzustellen. Nach nüchterner Betrachtung aller Erkenntnisse hat sein Senat nun eine Entscheidung gefällt. (mz)