Jeder kriegt seinen Vogel „MacGyver“ und die bunten Kabel von Vireo in Merseburg
Warum man den Mann, der bei Vireo grüne Ladekabel zusammenbaut „MacGyver“ nennt und welche Philosophie hinter dem neuen Produkt steckt.
Merseburg - René Blumentritt wirft das Heißluftgerät an, und der orangefarbene Schrumpfschlauch schmiegt sich in Sekundenschnelle um Stecker und Kabel. „Fertig. So schnell geht das.“ Blumentritt lächelt. „Und es ist alles Handarbeit, bis auf ein paar wenige elektrische Geräte, die ich benutze.“
In den Räumen der Merseburger Firma Vireo entstehen seit einem Jahr USB-Ladekabel für Handys und Smartphones die nachhaltig sind und deren Einzelteile unter fairen Bedingungen hergestellt wurden, die lange haltbar sind, repariert und recycelt werden können. Das Beste: Man kann bei seiner Bestellung die Länge, die Stecker und die Farben seines neuen Ladekabels individuell zusammenstellen und es so unverwechselbar machen. Je nach Farbe und Anschlüssen tragen die Kabel die unterschiedlichsten Vogelnamen, wie zum Beispiel Eisvogel, Pfau oder Kubaflamingo.
Farbige Hülle für das Kabel
Die eingegangenen Bestellungen landen bei René Blumentritt. „Dann suche ich mir das entsprechende Kabel, die passenden Stecker und den gewünschten farbigen Schlauch. Dann gehts los“, sagt der gelernte Industriemechaniker, der von den meisten nur „MacGyver“ genannt wird, weil er so ziemlich alles bauen und reparieren kann. Ähnlich wie der Typ aus dem Fernsehen. „Als mich zum ersten Mal jemand so genannt hat, wusste ich gar nicht, dass es eine Fernsehserie gibt, die so heißt.“ Irgendwann habe er dann mitbekommen, dass der Name anerkennend gemeint sei, erzählt er, während er die roten, weißen, grünen, schwarzen und blauen Drähte des Ladekabels leicht auseinander biegt. Denn die werden zuerst abisoliert und verschwinden im USB-Stecker. Ist das Gehäuse verschlossen, wird der sogenannte Sleeve, die farbige Hülle für das Kabel aufgezogen und befestigt.
Am anderen Ende des Kabels werden jetzt die „nackten“ Enden der Einzelkabel verzinnt, damit sie beim Löten das Zinn besser annehmen. Und auch hier verschwinden sie jetzt in einem Stecker und einem Gehäuse. Zum Schluss noch der Kabeltest. „MacGyver“ hängt jedes einzelne Kabel an ein Prüfgerät, das Strom und Spannung anzeigt. „Kein Kurzschluss drin, alles richtig verbunden.“ Blumentritt ist zufrieden. „Ich bin gegen das Wegschmeißen und repariere alles so lange es eben geht. Als ich den Job bei Vireo im Internet gefunden hab’, dachte ich: Das ist perfekt für mich und hab hier angefangen.“ Als er begann, die Recable-Kabel zusammenzubauen, brauchte er pro Stück etwa 30 Minuten. „Jetzt sind es zehn, manchmal geht’s sogar noch schneller“, schmunzelt er.
„Es summiert sich ja.“
Die Recable-Kabel sind das allererste Produkt, das Vireo selbst entwickelt hat und jetzt auch selbst herstellt. Bisher hatte sich die Firma lediglich auf den Handel mit umweltfreundlichen Produkten beschränkt. Doch dank Konrad Henrici hat sich dieses völlig neue Geschäftsfeld eröffnet. „Ich hatte gerade ein Netzteil entwickelt, das aus der Steckdose springt, wenn es nicht mehr gebraucht wird - also zum Beispiel, wenn das Handy geladen ist“, sagt der 31-Jährige, der an der halleschen Kunsthoch schule Burg Giebichenstein Industriedesign studiert hat. Denn jedes Gerät, das am Netz hängt, verbrauche ja Strom, auch wenn das im ersten Moment nur wenig sei.
„Es summiert sich ja.“ Jedenfalls war er im vergangenen Jahr auf der Suche nach einem Nebenjob und stieß auf die Merseburger Firma. Als er dann mit Vireo-Chef Herrmann Hetzer gesprochen habe und ihm von seinem neuartigen Netzteil erzählt habe, habe der wenig später gefragt, ob er anstelle eines Nebenjobs nicht lieber gemeinsam mit der Firma ein völlig neues Produkt entwickeln möchte. Hintergrund: Vireo vertreibt auch das nachhaltige Fairphone. „Diese Idee wurde weitergedacht und so haben wir mit Recable auch noch faires Zubehör entwickelt“, sagt Henrici.
Seine Philosophie: Auch das neuartige Kabel soll nach Möglichkeit selbst repariert werden können. „Seit einigen Tagen steht jetzt auch die Reparaturanleitung online.“ Ob die allerdings jemand so schnell brauchen wird? „Wir haben unsere Ladekabel mit einem kleinen Roboter getestet, der tausende Male in Folge das Kabel kurz hinter dem Stecker geknickt hat. Erst nach ungefähr 30.000 Knicks war das Kabel beschädigt.“ (mz)
Kabel zusammenstellen unter www.recable.it