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Lieber lehren Lieber lehren: 40-Jähriger wechselt von Wirtschaft in den Hörsaal

Von Robert Briest 26.10.2019, 10:00
Seit diesem Semester ist der Hörsaal der neue Arbeitsplatz von Wirtschaftsinformatiker Christian Schmeißer.
Seit diesem Semester ist der Hörsaal der neue Arbeitsplatz von Wirtschaftsinformatiker Christian Schmeißer. Katrin Sieler

Merseburg - Christian Schmeißer greift zu einer Analogie, um einen Teilbereich seiner neuen Professur an der Hochschule Merseburg zu erklären. Die umfasst nicht nur die Wirtschaftsinformatik, sondern auch Data Science, also jene Wissenschaft, die aus Daten Wissen schafft, wie es der 40-Jährige formuliert.

Dabei gilt es aber das Problem zu lösen, dass die zur Verfügung stehende Datenmenge immer größer wird. Schmeißers Analogie ist eine chemische: „Daten sind das neue Öl. Rohöl muss aufwendig bearbeitet werden, um daraus einen Liter Benzin zu machen. Dafür werden die Ketten gecrackt. Auch bei den Daten stellt sich die Frage, wie man den Ausgangsstoff aufbereitet.“ Das Ziel lautet, Muster zu erkennen.

„Ich komme nicht unbedingt aus der Lehre, habe dafür mehr praktische Erfahrung.“

Schmeißer hat seit diesem Semester die Aufgabe den Merseburger Studenten beizubringen, wie das gelingen kann. Für ihn eine neue Herausforderung: „Ich komme nicht unbedingt aus der Lehre, habe dafür mehr praktische Erfahrung.“ Der Vater einer zweijährigen Tochter kommt aus Braunsbedra, studierte in Halle Wirtschaftsinformatik. „Nach dem Studium habe ich mich dann überall beworben“, erzählt er.

Seine erste Anstellung war jedoch sehr campusnah. Beim Institut für Wirtschaftsforschung in Halle war er sechs Jahre für formale Methoden und Datenbanken zuständig, promovierte parallel. Dann wechselte er nach Leipzig, zu Unister, damals ein angesagtes Unternehmen im Internetgeschäft, dass etwa Portale wie ab-in-den-urlaub.de oder fluege.de betrieb.

„Es geht dabei darum, wie man Betrüger bei Onlinebestellungen identifiziert.“

Dort war er für die kundenseitige Betrugsprävention zuständig. Schmeißer erklärt: „Es geht dabei darum, wie man Betrüger bei Onlinebestellungen identifiziert.“ Er erörtert eine gängige Masche: Der Betrüger besorgt sich im Darknet eine gültige Kreditkartennummer und bucht damit auf der Website einen Flug auf seinen Namen. Das Unternehmen bucht das Geld beim eigentlichen Besitzer der Kreditkarte ab. Der merkt das irgendwann, bucht es zurück. Da ist der Betrüger aber schon geflogen oder hat das Ticket weiterverkauft. Der Konzern bleibt auf den Kosten sitzen.

„Wir haben versucht, das über ein Tool zu verhindern, das Muster erkennt“, erklärt Schmeißer. Wenn etwa Kreditkarte, Buchung, Fluggast und IP-Adresse aus unterschiedlichen Ländern kommen, sei das auffällig. In solchen Fällen sei der Kunde dann kontaktiert worden, damit nicht versehentlich einem international Reisenden das Ticket gesperrt wird.

Später wechselte Schmeißer zu einer Unternehmensberatung

Später wechselte Schmeißer zu einer Unternehmensberatung, bevor er nach der Unisterpleite zu dessen von Invia aufgekaufter Reisesparte zurückkehrte, diesmal als Bereichsleiter IT-Infrastruktur. Diesen Job hat der 40-Jährige nun für die, zunächst auf drei Jahre befristete, Professur aufgegeben, auch um nicht mehr pendeln zu müssen. Seine Familie hat ein Haus in Frankleben. Dort und in der Hochschule muss Schmeißer nun drei Lehrveranstaltungen von null auf erarbeiten.

„Das ist nicht ganz ohne. Das frisst auch mal das Wochenende“, sagt der Professor. Parallel dazu sei er unterwegs, um seine Netzwerke zu pflegen, um so Themen für die anwendungsorientierte Forschung zu finden. Konkretes steht noch nicht, aber Schmeißer könnte sich etwa die Bereiche Digitalisierung, Data Science und eBusiness vorstellen. (mz)