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Bundestagswahl Landrat Handschak zum hohen AfD-Ergebnis: „Ist der Saalekreis wirklich noch weltoffen?“

Eine der AfD-Hochburgen in Deutschland, kein eigener Abgeordneter im Bundestag, ein neuer Oberbürgermeister in Halle: Was bedeutet der Wahlausgang für den Saalekreis? Landrat Hartmut Handschak antwortet.

28.02.2025, 08:48
Die UPM Bioraffinerie in Leuna steht symbolisch für die wirtschaftliche Stärke des Saalekreises.  Für die Zukunft großer Industrievorhaben wie Leuna III sieht Landrat Handschak die Gewinnung ausländischer Fachkräfte als „existenzielle Frage“.
Die UPM Bioraffinerie in Leuna steht symbolisch für die wirtschaftliche Stärke des Saalekreises. Für die Zukunft großer Industrievorhaben wie Leuna III sieht Landrat Handschak die Gewinnung ausländischer Fachkräfte als „existenzielle Frage“. Foto: UPM

Merseburg/MZ. - Aus Halle gibt es Klagen, dass die Stadt künftig nur noch mit einer Abgeordneten im neuen Bundestag vertreten ist. Der Saalekreis ist da extremer: Er hatte seit seiner Gründung noch nie einen Bundestagsabgeordneten, der auf seinem Territorium wohnt. Nach der Wahl am Sonntag hat sich nun jedoch auch die Zahl der Abgeordneten, die durch ihre Wahlkreise mit für den Saalekreis zuständig sind, halbiert. Robert Briest sprach mit Landrat Hartmut Handschak (parteilos) über die Folgen für den Saalekreis, den künftigen Umgang mit der AfD und was der Ausgang der Oberbürgermeisterwahl in Halle für das Umland der Großstadt bedeutet.

Verwaltungsdezernentin Christina Kleinert sagte am Mittwoch bei einer Einbürgerungsveranstaltung: „Wir sind ein weltoffener Landkreis“. Kann der Saalekreis das ob der Tatsache, dass am Sonntag mehr als zwei von fünf Wählern hier für eine rechtsextreme Partei gestimmt haben, noch von sich behaupten?

Hartmut Handschak: Diese Aussage ist immer gültig. Auch wenn jetzt viele Menschen AfD gewählt haben, heißt das nicht, dass sie auch alles, was die AfD in ihrer populistischen Art kommuniziert, unterstützen. Die Aussage vom weltoffenen Saalekreis ist richtig, sie wird auch so bleiben und es gibt viele, die sich dafür einsetzen.

Die AfD hat bei den Zweitstimmen 41,4 Prozent geholt. Der Saalekreis zählte damit zu den AfD-Hochburgen. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Warum die AfD gerade hier so viele Stimmen erreicht hat, kann ich nicht erklären. Der Saalekreis war neulich in einem Zufriedenheitsbarometer ganz weit vorn. Ich denke, es war eher eine Abwahl der Ampelregierung, eine Wahl gegen die etablierten Parteien.

Landrat Hartmut Handschak
Landrat Hartmut Handschak
Foto; Sieler

Eine Wahl, die der Partei Rückenwind geben dürfte. Die AfD stellt im Kreistag neben der CDU/FDP die größte Fraktion. Wollen Sie nun etwas im Umgang mit ihr ändern?

Ich muss nichts ändern. Ich betreibe als Landrat keine Ausgrenzung gegenüber der AfD. Ich rede mit ihren Vertretern. Ihr Fraktionschef Hans-Thomas Tillschneider ist wie die der anderen Fraktionen auch zu den Vorberatungen für Kreistagssitzungen eingeladen. Nur nimmt er diese Einladungen sehr selten an.

Eine Tradition bleibt bestehen: Der Saalekreis hat keinen eigenen Abgeordneten im Bundestag. Ist das ein Nachteil?

Natürlich sind für den Saalekreis als Wirtschaftskreis gute Verbindungen nach Berlin wichtig. Wir haben mit Dieter Stier von der CDU einen langjährigen Abgeordneten, der mit für den Saalekreis zuständig ist und viele Themen besetzt, insbesondere die Landwirtschaft – und wir sind ja auch ein landwirtschaftlich geprägter Kreis. Wir haben aber vor allem nicht nur über Abgeordnete Kanäle nach Berlin, sondern auch über Magdeburg, über den Ministerpräsidenten und den Wirtschaftsminister. Beide sind von der CDU und haben sicherlich Chancen, in der nächsten Regierung Themen einzubringen. Auch die Wirtschaftskapitäne der TotalEnergies-Raffinerie und des Chemiestandortes Leuna finden in Magdeburg und Berlin Gehör. Deshalb habe ich keine Sorgen, dass wir unsere Themen nicht in Berlin platzieren können.

Zwei der vier nun noch durch ihre Wahlkreise mit für den Saalekreis zuständigen Abgeordneten sind von der AfD – Martin Reichardt und Kay-Uwe Ziegler. In der vorherigen Legislatur waren es Reichardt und der später aus der Partei ausgetretene Robert Farle. Welche Rolle spielten und spielen diese im Verhältnis zwischen Saalekreis und Bund?

Es gab bisher keine Zusammenarbeit, weil es keinen Kontakt gab. Die AfD-Abgeordneten haben sich nicht an den Saalekreis gewandt, bisher auch keinen Kontakt zu mir gesucht.

Experten gehen davon aus, dass der Saalekreis verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland braucht, wenn die Industrie durch Leuna III und Co. wachsen soll. Schreckt so ein hohes AfD-Ergebnis potentielle ausländische Arbeitskräfte ab?

Ich hoffe nicht. Es ist wichtig, dass Menschen das Gefühl haben, hier willkommen zu sein, dass sie gebraucht werden. Wir müssen aufpassen, dass es keine Spaltung, keine Ausgrenzung gibt. Wir brauchen dringend die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. Es ist eine existenzielle Frage für uns, dass Menschen zu uns kommen, um hier zu arbeiten. Schauen Sie sich unser Klinikum an. Das könnte ohne Ausländer kaum arbeiten.

Halle hat neben dem Bundestag auch einen neuen Oberbürgermeister gewählt. Zum bisherigen kommissarischen OB Egbert Geyer (SPD) hatten Sie einen guten Draht. Gewonnen hat nun Alexander Vogt (parteilos). Was erwarten Sie für eine Zusammenarbeit?

Meine Gratulation gilt dem gewählten OB. Er hat angekündigt, zeitnah mit mir zu reden. Wenn der Kontakt stattgefunden hat, gucken wir, wie die Zusammenarbeit funktioniert. Die läuft aber nicht nur auf der Ebene OB-Landrat. Wir haben viele gemeinsame Themen: A143, Straßenbahn, gemeinsame Leitstelle. Wir wollen gemeinsam das hallesche Umland entwickeln. Mein Wunsch ist, dass wir weiterhin gemeinsam als Region auftreten.

Bei welchem Thema besteht der dringendste Klärungsbedarf?

Beim Wasserwerk Beesen. Das soll ja mit Blick auf die Industrieentwicklung Spitzen im Wasserbedarf auffangen. Hier befinden wir uns in der Entscheidungsphase. Das Land sagt, wenn uns das Thema so wichtig ist, sollen die Landkreise Geld aus ihren Strukturmitteln zur Verfügung stellen. Das müssen wir besprechen. Meine Haltung ist: Wenn das Wasserwerk notwendig ist, und das sagen Experten, dann müssen wir eine Lösung finden. Wenn nicht, bräuchten wir keine 60 Millionen Euro auszugeben.